kretische Schriften,
die voralphabetischen Schriften der vorgriechischen (und griechischen) Einwohner der Insel Kreta. Am Ende der frühminoischen Periode (um 2000 v. Chr.) kam, vielleicht beeinflusst durch die ägyptischen Hieroglyphen, eine Bilderschrift auf, die auf Siegelsteinen sowie Tonbarren verwendet wurde. Aus ihr entwickelten sich zwei Linearschriften (Linear A und Linear B) mit zahlreichen Ideogrammen (Wort- und Begriffszeichen) sowie etwa 80 Silbenzeichen. Die rd. 300 Texte in Linear A, überwiegend Dokumente der kretischen Palastverwaltung, setzen im 18. (17. ?) Jahrhundert v. Chr. ein. Sie sind vermutlich in einer nichtindogermanischen Sprache (minoische Sprache; minoische Kultur) abgefasst. - Die Variante Linear B wurde vermutlich ebenfalls auf Kreta entwickelt; in Knossos wurden rd. 3 000 Tontäfelchen in Linear B gefunden, deren Datierung (zwischen 15. und 13. Jahrhundert v. Chr.) jedoch umstritten ist. Von dort gelangte die Linear-B-Schrift u. a. nach Pylos (Messenien), Mykene, Tiryns und Theben. Diese festländischen Texte gehören dem 13. Jahrhundert v. Chr. an. - Im Jahre 1952 gelang M. Ventris und J. Chadwick die Entzifferung der Variante Linear B; sie gibt ein altertümliches Griechisch wieder.
A. J. Evans: Scripta Minoa, 2 Bde. (Oxford 1909-52);
J. Chadwick: Linear B. Die Entzifferung der myken. Schrift (a. d. Engl., 1959);
Problems in decipherment, hg. v. Y. Duhoux (Louvain-la-Neuve u. a. 1989).
Universal-Lexikon. 2012.