Yoruba
[jo'ruːba, 'joːruba, englisch 'jɔrʊbə], Joruba, Volk in Westafrika. Von den über 25 Mio. Yoruba leben 23,3 Mio. in Nigeria in den Bundesstaaten Oyo, Lagos, Ogun, Ondo, Ekiti und Teilen von Kwara und Edo (früher Bendel). Weitere Yoruba siedeln im südlichen Zentrum von Benin (etwa 600 000) und Togo (100 000), unter britischen Einfluss kamen Yoruba als Handwerker und Händler nach Ghana (etwa 250 000) und Sierra Leone (10 000). Nachfahren von Yoruba, die als Sklaven nach Amerika gelangt waren, konnten einige Elemente ihrer Sprache, Kultur und Religion (Santeria auf Kuba, Shango auf Trinidad, Candomblé von Bahia und Xango von Recife in Brasilien) bis heute bewahren. Die Yoruba gliedern sich in Untergruppen (u. a. Oyo, Ife, Ijesa, Ijebu, Owo, Ekiti, Ondo, Egba, Nago in Benin, Ana in Togo), die sich eher auf frühere Herrschaftszonen und Landschaften als auf ethnische Einheiten beziehen. Der Großteil der Yoruba wohnt innerhalb hierarchisch strukturierter Großfamilien in so genannten Yoruba-Städten, an deren Spitze ein Oba (König) steht. Politisches Zentrum war lange Zeit Oyo, religiöses Oberhaupt aller Yoruba der Oni von Ife, Nachkomme des Weltenschöpfers Oduduwa. In Kultgemeinschaften werden etwa 400 anthropomorph gedachte Gottheiten verehrt, jedoch haben Islam (mehr als 50 %) und verschiedene christliche Kirchen (mehr als 30 %) die alten Götter- und Ahnenkulte zurückgedrängt; doch nehmen Christen und Muslime lebendigen Anteil an den traditionellen Jahresfesten.
Die Yoruba verfügen über einen großen künstlerischen Formenreichtum. Stark von Ife und Benin beeinflusst, ist die Yoruba-Kunst jedoch viel stärker stilisiert. Sie manifestiert sich v. a. in Kultgegenständen. Die am häufigsten dargestellten Göttergestalten sind Eshu, eine zwielichtige Schalkfigur, und der Donnergott Shango, der symbolhaft in Gestalt einer Doppelaxt dargestellt wird (»Oshe Shango«), deren Griff meist als Figur, oft als Frauenfigur in kniender Haltung, ausgebildet ist. Die Geräte des Ifa-Orakels, das in der Glaubenswelt der Yoruba eine wichtige Rolle spielt, sind kunstvoll gestaltet. Stülp-, Leib- und große Aufsatzmasken werden vom Gelede-Bund, einem der wichtigsten Geheimbünde der Yoruba, benutzt. Der Ogboni-Bund, eine religiös-politische Organisation, erfordert Gerätschaften wie den »Edan«, ein oft verkettetes Figurenpaar aus Bronze, das der Novize als Ermahnung zur Verschwiegenheit erhält. Der Egungun-Ahnen- und Totenkult verwendet sehr expressive Maskentypen anthropomorpher oder zoomorpher Art. Eine Eigentümlichkeit bei den Yoruba, bei denen es eine hohe Rate von Zwillingsgeburten gibt, sind rituell verwendete kleine Zwillingsfiguren aus Holz. Die höfische Kunst manifestiert sich v. a. in den Palastpfosten und -türen der Königsresidenzen und in den Attributen der dortigen Ahnenaltäre.
Ein Merkmal der Yoruba-Kunst ist die namentliche Identifizierung der Schnitzkünstler (bei anderen afrikanischen Stämmen selten); über 100 Yoruba-Schnitzer mit persönlichem Stil sind namentlich bekannt, u. a. Bamgboye, Agbonbiofe von Efon Alaye (✝ um 1945), Fakeye und Aregun von Ise (* 1880, ✝ um 1954). Seit Anfang der 1960er-Jahre hat sich eine nicht kultbezogene künstlerische Richtung, besonders in der Malerei, in Oshogbo entwickelt.
Die Sprache der Yoruba, das Yoruba, gehört zu den Kwa-Sprachen. Es bestehen etwa 20, zum Teil sehr unterschiedliche Dialekte. Auf dem Dialekt von Oyo basiert das Standard-Yoruba, das u. a. in Literatur und Medien Verwendung findet. Das Yoruba ist eine Tonsprache mit drei bedeutungsunterscheidenden Tonebenen, z. B. yá (hochtonig) »borgen«, »leihen«, ya (mitteltonig) »zerreißen«, yà (tieftonig) »sich wegdrehen«.
Die politische Organisation der Yoruba in einer Gruppe monarchisch regierter Stadtstaaten war hoch entwickelt, als die Portugiesen im 15. Jahrhundert die Westküste Afrikas erkundeten. Bis etwa 1830 lag die Oberhoheit beim Alafin (König) von Oyo, dann löste der Angriff islamischer Fulbe von Norden eine Umgruppierung der Yoruba-Staaten aus; dabei gewann Ibadan besondere Bedeutung. Ab 1861 drangen die Briten in das Yoruba-Land vor, 1893 war die Kolonisierung abgeschlossen. Die Yoruba und die von ihnen getragene politische Partei Action Group (AG) dominierten 1951-62 in der Westregion Nigerias, die seitdem in mehrere Bundesstaaten unterteilt wurde.
Robert S. Smith: Kingdoms of the Y. (London 1969);
E. M. McClelland: The cult of Ifa among the Y. (London 1982);
D. D. Laitin: Hegemony and culture. Politics and religious change among the Y. (Chicago, Ill., 21991).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
afrikanische Kulturen: Königreiche und Stammeskulturen in Schwarzafrika
Yoruba: Götter, Kultbünde und Orakel
Universal-Lexikon. 2012.