Bes|ti|a|ri|um 〈n.; -s, -ri|en; im MA〉 Buch, in dem legendenhafte Tierbeschreibungen mit Bezug auf die Heilsgeschichte gedeutet werden [zu lat. bestiarius „wilde Tiere betreffend“]
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mittelalterliches allegorisches Tierbuch [in dem legendäre fantastische Vorstellungen von Tieren heilsgeschichtlich u. moralisch gedeutet werden].
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Bestiarium
[zu lateinisch bestia »(wildes) Tier«] das, -s/...ri|en, französisch Bestiaire [bɛs'tjɛ:r], mittelalterliche Form der Tierdichtung, die in moralisierender Absicht tatsächliche oder vermeintliche Merkmale oder Verhaltensweisen von Tieren zu Inhalten der christlichen Heilslehre in Beziehung bringt (z. B. kann der Löwe als Symbol Christi erscheinen). Wichtigste Quelle dieser didaktischen Dichtungen ist der Physiologus. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts finden sich mehrere altfranzösische Versionen des lateinischen Physiologus, z. B. das Bestiarium des Philippe de Thaon (1. Hälfte des 12. Jahrhunderts), das Bestiarium des Guillaume Le Clerc (um 1210) und das Bestiarium des Gervaise de Fontenay (13. Jahrhundert); in Prosa das »Bestiaire d'amour« von Richard de Fournival (nach 1240), worin eine Wendung ins Weltliche vollzogen und die Liebe des Autors zu einer Dame allegorisch gedeutet wird. Im 20. Jahrhundert wurde die Form des Bestiariums u. a. von G. Apollinaire (»Le bestiaire ou le cortège d'Orphée«, 1911) und F. Blei (»Das große Bestiarium der modernen Literatur«, 1924) erneuert.
M. Cruppi: Le bestiaire de l'antiquité classique (Paris 1955);
H. R. Jauss: Unterss. zur mittelalterl. Tierdichtung (1959);
F. Unterkircher: Tiere, Glaube, Aberglaube (Graz 1986).
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Bes|ti|a|ri|um, das; -s, ...rien [mlat. bēstiārium, zu lat bēstia, ↑Bestie]: mittelalterliches allegorisches Tierbuch [in dem legendäre fantastische Vorstellungen von Tieren heilsgeschichtlich u. moralisch gedeutet werden]: das älteste B. ist der Physiologus; Ü Den Autoren wird Gelegenheit geboten, noch einmal das große B. der Charaktertypen vorzuführen (Sloterdijk, Kritik 899).
Universal-Lexikon. 2012.