Me|ro|win|ger 〈m. 3〉 Angehöriger des westfränk., vom 5. bis 8. Jh. das Frankenreich beherrschenden Königsgeschlechts
* * *
I Merowinger
Das Königsgeschlecht der Merowinger stammte der Überlieferung zufolge von einem Kleinkönig der salischen Franken mit Namen Merowech ab. Die Sage führte Merowechs Herkunft auf ein Meerungeheuer und damit auf halbgöttlichen Ursprung zurück. Wurden der Königssippe schon von daher magische Kräfte zugeschrieben, so steigerte sich ihr Ansehen noch, als Chlodwig durch erfolgreiche Kriegszüge ein fränkisches Großreich errichtete und damit das »Heil« seiner Sippe glänzend bestätigte. Trotz der Taufe Chlodwigs blieben diese heidnischen Vorstellungen das tragende Element des merowingischen Königtums. Die »Geblütsheiligkeit« des Königsgeschlechts, die das Bestehen und Wohlergehen des Volkes sicherte, kam bei den Merowingern auch äußerlich zum Ausdruck, z. B. durch das lange Haar; bezeichnenderweise wurde die Absetzung des letzten Merowingers 751 durch die symbolische Handlung des Haarscherens vollzogen.
Da das »Königsheil« sich auf alle Träger königlichen Blutes vererbte, waren beim Tode Chlodwigs 511 seine vier Söhne ohne Unterschied nachfolgeberechtigt. Das bedeutete, dass das Fränkische Reich geteilt werden musste, was jedoch nicht unbedingt eine getrennte Entwicklung der Reichsteile zur Folge hatte. Tatsächlich kam es auf dem Erbweg mehrmals zu einer Reichseinigung. Außerdem setzten Chlodwigs Söhne zunächst die Machtpolitik nach außen fort, indem sie unter anderem 531 das Thüringerreich und bis 534 das Burgunderreich eroberten. Allerdings überwogen auf die Dauer die Nachteile der Teilungspraxis beträchtlich, denn die Herrschaftsteilungen waren eine Quelle ständiger Streitigkeiten. Nach dem Tode Dagoberts I. 638/39 verlor das merowingische Königtum, in blutigen Familienfehden geschwächt, seine Macht mehr und mehr an den Adel, an dessen Spitze die Hausmeier traten. Aus den Teilungen gingen zwei weitgehend selbstständige Reichsteile hervor: im Westen Neustrien mit dem Zentrum Paris, das meist mit Burgund zusammen regiert wurde, und im Osten Austrien mit dem Königssitz Reims bzw. später Metz. Die Herausbildung eines westlichen und eines östlichen Schwerpunkts kam bei der endgültigen Teilung des Fränkischen Reiches unter den Karolingern erneut zur Geltung.
Trotz der Machtlosigkeit der Merowinger war die Grundlage ihres Königtums Mitte des 8. Jahrhunderts noch so stark, dass die Karolinger nur dadurch das Königtum von ihnen übernehmen konnten, dass sie an die Stelle des ererbten Königsheils den christlich geprägten Amtsgedanken setzten.
II
Merowinger,
Königsgeschlecht der salischen Franken, erscheint erstmals mit Chlodio (um 425) und dem namengebenden Merowech (um 455), dem Vater des Königs von Tournai, Childerich I. Dessen Sohn Chlodwig I. beseitigte die spätrömische Herrschaft in Gallien sowie die vielen fränkischen Kleinkönigtümer zugunsten seiner Alleinherrschaft im Fränkischen Reich. Spätere Eroberungen vergrößerten das Reich der Merowinger. Mehrere Reichsteilungen (besonders 511 und 561) sowie Familienfehden (Brunhilde, Fredegunde) schwächten die Macht der Merowinger, die nach Dagoberts I. Tod 638 (oder 639) ausschließlich an deren Hausmeier überging. Die Absetzung König Childerichs III. 751 durch Pippin den Jüngeren bedeutete gleichzeitig das Ende der Merowinger und den Aufstieg der Karolinger.
E. Ewig: Spätantikes u. fränk. Gallien, Bd. 1 (1976);
P. J. Geary: Die M. Europa vor Karl dem Großen (a. d. Engl., 1996).
Universal-Lexikon. 2012.