flụ̈s|si|ge Kri|stạl|le: svw. ↑ Flüssigkristalle.
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flüssige Kristạlle,
Flüssigkristalle, auch kristalline Flüssigkeiten, homogene Flüssigkeiten, die in bestimmten Temperaturbereichen infolge Ausbildung eines definierten Ordnungszustandes ihrer Moleküle zwischen eng benachbarten Begrenzungsflächen anisotrop werden und (wie bestimmte Kristalle) Doppelbrechung verursachen. Dieser flüssigkristalline oder kristallinflüssige Zustand ist eine Sonderform des flüssigen Aggregatzustandes, in der aufgrund der Molekülstruktur noch eine gewisse Fernordnung wie in Kristallen vorliegt, die Moleküle aber doch schon weitgehend gegeneinander frei beweglich sind. Man bezeichnet diese durch anisotrope physikalische, insbesondere optische Eigenschaften gekennzeichnete Phase als mesomorphe Phase (Meso- oder Zwischenphase). Sie tritt fast nur bei organischen Verbindungen auf, deren Moleküle lang gestreckt, verhältnismäßig gerade oder leicht abgewinkelt sowie häufig von flacher Form sind und starke elektrische Dipolmomente sowie leicht polarisierbare chemische Gruppen besitzen, sodass sie sich in der Schmelze oder in Lösung ausrichten und ordnen können und dadurch die anisotropen Eigenschaften der flüssigen Kristalle hervorrufen.
Je nachdem, ob man flüssige Kristalle durch Erhitzen und Schmelzen von festen Substanzen oder dadurch erhält, dass man geeignete organische Verbindungen (z. B. die meisten Tenside und bestimmte Polypeptide) mit einer bestimmten Menge von Wasser oder einem anderen polaren Lösungsmittel behandelt, unterscheidet man zwischen thermotropen und lyotropen flüssigen Kristallen, Phasen oder Strukturen. Die Ausrichtung der Moleküle im kristallinflüssigen Zustand erfolgt v. a. in dünnen Schichten in drei unterschiedliche Anordnungstypen (Texturen): In der nematischen Phase sind die lang gestreckten Moleküle innerhalb begrenzter fadenartiger Bereiche vorzugsweise mit ihren Längsachsen parallel zueinander ausgerichtet; sie sind in Richtung ihrer Achse beliebig gegeneinander verschiebbar und um diese drehbar. In der smektischen Phase sind die so ausgerichteten und beweglichen Moleküle in dazu senkrechten monomolekularen Schichten angeordnet, die sie nicht verlassen können. In der cholesterinischen (cholesterischen) Phase erfolgt die Anordnung und parallele Ausrichtung der Moleküle in parallelen Ebenen; dabei sind die Ausrichtungen der Moleküle von Schicht zu Schicht um einen konstanten Winkel verdreht.
Der Übergang der mesomorphen Phase in die isotrope, klar erscheinende flüssige Phase geschieht am Klärpunkt. Die sich in den verschiedenen mesomorphen Phasen in charakteristischer Weise mit der Temperatur ändernden Stoffwerte (besonders Schallgeschwindigkeit und Viskosität) machen bei dieser stoffspezifischen Umwandlungstemperatur entweder einen Sprung oder haben hier ein Extremum; außerdem treten hier Volumenänderungen auf. - Durch elektrische und magnetische Felder sowie durch mechanische Einwirkungen können mesomorphe Phasen in ausgedehnten Bereichen einheitlich orientiert (flüssige Einkristalle) oder in ihren physikalischen (besonders ihren optischen) Eigenschaften beeinflusst werden. So kann dadurch Lichtbrechung, -durchlässigkeit und -reflexion oder auch die Schwingungsrichtung linear polarisierten Lichts geändert werden.
Flüssige Kristalle mit nemathematsicher Struktur werden heute besonders zur Flüssigkristallanzeige herangezogen und zur Herstellung von Polarisationsfiltern, elektrooptischen Lichtmodulatoren und optoelektronischen Koppelgliedern verwendet. Außerdem eignen sie sich als molekülausrichtende Lösungsmittel in der Fluoreszenz-, Infrarot-, EPR- und NMR-Spektroskopie sowie als Trennmittel in der Flüssig-Gas-Chromatographie. In zunehmendem Maße werden flüssige Kristalle auch als Temperaturindikator und zur Thermographie verwendet. Ausgenutzt wird dabei die Temperaturabhängigkeit der in flüssigen Kristallen auftretenden Effekte, besonders der Farbe des von cholesterinischen Phasen reflektierten Lichtes. Auf diese Weise lassen sich z. B. bei oberflächigem Auftragen von flüssigen Kristallen Blutgefäße und Krebsgeschwülste unter der Haut oder Fehler in elektronischen Bauelementen an lokalen Farbänderungen deutlich erkennen und Temperaturunterschiede von 0,05 bis 0,01 ºC auflösen. Cholesterinische flüssige Kristalle eignen sich auch als chemische Indikatoren, da ihre Reflexionsfarbe bereits durch geringe Mengen (im ppm-Bereich) aufgenommener Fremdstoffe geändert wird. Sie ermöglichen auch die Messung der Intensitätsverteilung von Mikrowellenfelder- und Schallwellenfeldern sowie den Bau neuartiger Infrarotbildwandler, Wärmebildgeräte und Fernsehbildschirme.
H. D. Koswig: F. K. (21990).
Universal-Lexikon. 2012.