Hạttusa,
Hạttuša [-ʃ-], Hạttuscha, Chạttusa [x-], Hauptstadt des Hethiterreiches; die Ruinen liegen bei dem türkischen Dorf Boğazkale (früher Boğazköy) rd. 200 km östlich von Ankara. Hattusa wurde 1834 von Charles Texier (* 1802, ✝ 1871) entdeckt und nach dem Fund eines Tontäfelchens mit babylonischer Keilschrift 1905 von Hugo Winckler (* 1863, ✝ 1913) und Theodoros Makridi Bey besucht; 1906-12 wurden von ihnen dort zahlreiche Tontafeln ausgegraben und der Ort als hethitische Hauptstadt erkannt; Hattusa wurde dann 1931-39 und 1952-77 von K. Bittel, 1978-94 von Peter Neve und seither von Jürgen Seeher ausgegraben. - Dieser Platz war bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. besiedelt, im 18. Jahrhundert v. Chr. ein anatolischer Herrensitz, an dessen Fuß eine ummauerte Stadt lag, in der assyrische Kaufleute ihre Niederlassungen hatten. Durch den Hethiter Anitta von Kusara (18. Jahrhundert v. Chr.) zerstört, wurde der Ort um 1570 v. Chr. von Hattusili I. zur Hauptstadt des Hethiterreiches gemacht; die Stadt erlebte 1500-1200 v. Chr. eine Blütezeit. Sie bestand aus der Unterstadt mit der Königsburg auf dem Büyükkale und der Oberstadt und war von einer mit Türmen bewehrten Mauer von rd. 6 km Länge umgeben. Auf der Burg entstanden ausgedehnte, mehrfach, v. a. im 13. Jahrhundert umgebaute Befestigungen, Wohn-, Verwaltungs- und Wirtschaftsräume. Auch in der Unterstadt entstanden besonders im 13. Jahrhundert zahlreiche Bauten. Sie besaß den »Großen Tempel« von Hattusa, einen auf einer künstlichen Terrasse errichteten Doppeltempel des Wettergottes und der Sonnengöttin (bereits protohattische Gottheiten). Die Oberstadt ist über einem Achsenkreuz angelegt, das im Osten vom Löwentor und im Westen vom Königstor (beide mit Bauplastik) markiert wurde, während die Nord-Süd-Achse durch einen unterirdischen, 70 m langen, tunnelartigen Durchgang (traditionell »Poterne« genannt) vom Sphinxtor der Festung Yerkapɪ bis zum Haupttor der Königsburg gebildet wurde. Dieser Tunnel bildete zugleich die Mittelachse des oberirdischen Tempelviertels der Oberburg (mit 30 rechteckigen Kultbauten der Spätzeit). Auch das Achsenkreuz war offenbar akzentuiert, denn bei Grabungen kamen in einer Jahrhunderte nach der Zerstörung von Hattusa (kurz nach 1200) errichteten kleinen phrygischen Festung verbaute hethitische Relief- und Keilschriftblöcke aus der Zeit Suppiluliumas zutage, vermutlich Teile eines Frieses. Von einem Torbau der phrygischen Siedlung (9.-4. Jahrhundert v. Chr.) stammt das Standbild einer Göttin (Kybele ?), die von einem Flöten- und einem Kytharaspieler flankiert wird.
Die Archive von Hattusa (v. a. im Großen Tempel, in der Königsburg, aber auch in anderen Gebäuden der Ober- und Unterstadt) enthalten Tafeln (in babylonischer Keilschrift), die in hethitischer, akkadischer, luwischer, palaischer, protohattischer, hurritischer und sumerischer Sprache abgefasst sind. Es wurden auch viele Gefäße (u. a. kappadok. Keramik des 18. Jahrhunderts) und Siegel (zum Teil mit hieroglyphenluw. Inschrift) gefunden. Neben einem Königsgrab mit Inschriften ist v. a. der Fund einer 1986 entdeckten hethitischen Keilschrifttafel aus Bronze wichtig, einem Vertrag zwischen Tutchalija IV. und seinem Vetter Kurunta, dem ein Teilkönigreich zugestanden, der zugleich aber vor dem Bruch des Vertrags gewarnt wird. Wohl ebenfalls wegen dynastischen Rivalitäten wurde Tutchalija IV. später von seinem Sohn Suppiluliuma vor den Toren der Stadt Hattusa das Felsheiligtum Yazɪlɪkaya errichtet, vermutlich der Versuch, durch ein Gottkönigtum das Großreich dynastisch zu festigen. Hattusa wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Boğazköy, bearb. v. K. Bittel u. a., auf mehrere Bde. ber. (1935 ff.);
Boğazköy-H. Ergebnisse der Ausgrabungen, teilweise hg. v. K. Bittel, auf zahlr. Bde. ber. (1952 ff.);
K. Bittel: Hattuscha, Hauptstadt der Hethiter (21986).
Universal-Lexikon. 2012.