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Kindheitsgeschichten
Kindheitsgeschichten,
 
Theologie: die im Matthäus- und Lukasevangelium überlieferten, von Geburt und Kindheit Jesu Christi handelnden Erzählungen (Matthäus 1, 1-2, 23; Lukas 1, 5-2, 52). Die Tatsache, dass beide Evangelien in Bezug auf die Kindheitsgeschichten inhaltlich sehr stark voneinander abweichen und außer den vier Personen Jesus, Maria, Joseph und Herodes, dem Geburtsort Bethlehem und der geistgewirkten Zeugung Jesu kaum Übereinstimmungen aufweisen, hat die Exegeten zu der Annahme geführt, die christologische Aussage der Kindheitsgeschichten sei wesentlich höher zu veranschlagen als ihre historische Information. So setzt z. B. der Besuch der Magier aus dem Osten (Matthäus 2, 1-12) die vorhergehende Geschichte vom Ursprung Jesu nicht zwangsläufig voraus und dient wohl eher dazu, die faktische Hinwendung vieler Heiden zum Glauben an Jesus Christus schon bei dessen Geburt beginnen zu lassen. Zudem ist die Geschichte stark von religionsgeschichtlichen Parallelen beeinflusst und wird überdies von Lukas nicht überliefert. Beide Argumente sprechen damit gegen einen historischen Kern von Matthäus 2, 1-12. In ähnlichem Sinne dient die von beiden Evangelisten erwähnte Jungfräulichkeit Marias primär christologischen Zielen. Dieses Motiv, zu dem es ebenfalls religionsgeschichtliche Parallelen gibt, ist den Paulusbriefen und dem Markusevangelium, die älter als Matthäus und Lukas sind, nicht bekannt; Johannes spricht sogar ausdrücklich von Jesus als dem Sohn Josephs (Johannes 1, 45; 6, 42). Auch Matthäus bedient sich an anderer Stelle einer ähnlichen Formulierung (Matthäus 13, 55). Die Herkunft dieses Motivs erklärt sich möglicherweise daraus, dass in der Urkirche die Frage gestellt wurde, ob Jesus, der schon in Römerbrief 1, 3 als Sohn Gottes und Nachkomme Davids bezeichnet wird, tatsächlich der verheißene »Sohn Davids« sei. Die urchristlichen Verfasser sahen sich daher gezwungen, mit den aus dem Alten Testament vertrauten Mustern (z. B. Buch der Richter 13, 1-24; Jesaja 7, 14) die göttliche Sendung Jesu zu begründen und Jesus als Sohn Gottes von Anfang an (und nicht erst seit der Auferstehung) erscheinen zu lassen.
 
Literatur:
 
R. E. Brown: The birth of the Messiah (London 1977);
 
Zur Theologie der Kindheitsgesch., hg. v. R. Pesch (1981);
 A. Läpple: Kindheitsgesch. Jesu. Kanon. u. außerkanon. Überlieferungen (1993).

Universal-Lexikon. 2012.