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orientalische Frage
ori|entalische Frage,
 
Bezeichnung für den Interessenkonflikt europäischer Großmächte in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts beim Niedergang des Osmanischen Reiches. Die orientalische Frage wurde ausgelöst durch die russische Offensivstrategie in den Türkenkriegen 1768-1829, durch die ägyptische Expedition Napoleon Bonapartes 1798/99 und den schließlich in britisch-französischer-russischer Rivalität beendeten griechischen Freiheitskampf (1821-27/29). Der Vorsprung, den Russland bis 1833 auch territorial gewann, mobilisierte Frankreich, das 1830 das osmanische Algier annektierte, 1839 die ägyptische Sezession Mehmed Alis unterstützte, und ab 1833 Großbritannien, wobei die Meerengenfrage in den Vordergrund rückte. Das britisch-österreichische Interesse an der Unabhängigkeit und territorialen Integrität des Osmanischen Reiches gegenüber Frankreich und Russland verhinderte eine das europäische Mächtegleichgewicht gefährdende Lösung der orientalischen Frage durch eine oder zugunsten einer Einzelmacht, beließ aber die um nationale Befreiung kämpfenden Balkanvölker in halbsouveräner Abhängigkeit. Die orientalische Frage mündete 1853/54 in den Krimkrieg; danach verengten sich die Auseinandersetzungen zur Balkanfrage.
 
Literatur:
 
M. S. Anderson: The eastern question (Neuausg. Basingstoke 1987).

Universal-Lexikon. 2012.