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Pfahlbauten
Pfahlbauten,
 
auf eingerammte Pfähle gestellte und damit frei über dem Untergrund stehende Wohn- und Speicherbauten; errichtet zum Schutz vor feindlichen Menschen, Tieren und Bodenfeuchtigkeit, gegebenenfalls auch zum Schutz vor Überschwemmungen oder zur besseren Durchlüftung der Behausung (so im tropischen Amerika). Pfahlbauten können im und am Wasser oder auf dem Land stehen. Die Pfähle dienen entweder nur der Errichtung einer Plattform, auf der bei einigen Ethnien nur Zelte oder Windschirme stehen, oder sind Teil der eigentlichen Hauskonstruktion. Fußboden und Dach können auch auf verschiedenen Pfahlsystemen ruhen (unechte Pfahlbauten). Pfahlbauten kommen heute außerhalb Europas v. a. in Südostasien, Ozeanien sowie im tropischen Afrika vor.
 
In der Vorgeschichtsforschung wird seit den ersten entsprechenden Funden in den Uferzonen schweizerischer Seen 1853/54 der Begriff »Pfahlbauten« diskutiert. Vom archäologischen Befund her gesehen handelt es sich stets um in heute offenem Wasser oder in Ufernähe von Seen und Flüssen oder in zwischenzeitlich von Moor überwachsenen Flächen wieder aufgefundene Pfahlfelder. Diese umfassen in der Regel mehrere Tausend im Untergrund steckende hölzerne Fundamentgründungen aus oft ganz unterschiedlichen Bauperioden, teils aus der Jungsteinzeit, teils aus der Bronzezeit v. a. des Alpenraums. Regelhaft ist ferner ein reicher Fundbestand an Keramik, Stein-, Knochen- und Metallgerät, aber auch aus organischen Materialien (Holz, Textilien).
 
Dendrochronologischen Analysen zufolge erstrecken sich Befunde zu Pfahlbauten über nahezu drei Jahrtausende, von der Zeit um 3800 bis gegen 900 v. Chr. Aus modernen Forschungsarbeiten resultieren zwei entscheidend neue Grundeinsichten: 1) Der Begriff Pfahlbauten wurde durch den sachlich angemesseneren Begriff »Feuchtbodensiedlung« ersetzt; 2) unangemessen und auch unzweckmäßig ist, die Vielzahl der Befunde mit einer einzigen Theorie erklären zu wollen. Weil infolgedessen alle älteren Literaturdarstellungen als überholt gelten müssen, vermitteln derzeit lediglich die fachspezifischen Ausgrabungsdokumentationen und deren zusammengefasste Resultate verlässlicher Einsichten.
 
Literatur:
 
Das Pfahlbauproblem, bearb. v. W. U. Guyan u. a. (Basel 1955);
 125 Jahre Pfahlbauforschung, in: Archäologie der Schweiz, Jg. 2 (ebd. 1979);
 A. Billamboz u. H. Schlichtherle: P. Urgeschichtl. Ufer- u. Moorsiedlungen (21984);
 
Ber. zu Ufer- u. Moorsiedlungen SW-Dtl.s, Bd. 2, bearb. v. B. Becker u. a. (1985);
 H. Schlichtherle u. B. Wahlster: Archäologie in Seen u. Mooren. Den P. auf der Spur (1986);
 P. J. Suter: Zürich »Kleiner Hafner« (Zürich 1987);
 
Zürich-Mozartstraße. Neolith. u. bronzezeitl. Ufersiedlungen, hg. v. E. Gross u. a., auf mehrere Bde. ber. (ebd. 1987 ff.);
 
Die ersten Bauern. Pfahlbaufunde Europas. Forschungsber. zur Ausst. im Schweizer. Landesmuseum. .., 2 Bde. (ebd. 1990).
 

Universal-Lexikon. 2012.