Neolithikum
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Jụng|stein|zeit 〈f. 20; unz.〉 dritter vorgeschichtl. Kulturabschnitt zw. Mittelsteinzeit u. Bronzezeit; Sy Neolithikum
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Jụng|stein|zeit, die:
Neolithikum.
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Jungsteinzeit,
Neolithikum, letzte Epoche der vorgeschichtlichen Steinzeiten; folgte der Alt- beziehungsweise der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) und wurde von der Bronzezeit abgelöst; die Kupfer- oder Steinkupferzeit (Aeneolithikum, Chalkolithikum) gilt heute zumeist als letzter Abschnitt der Jungsteinzeit und nicht als eigenständige Epoche. Die ursprüngliche Definition der Jungsteinzeit umfasste das erste Auftreten geschliffener Steinwerkzeuge (Axt, Beil) zur Rodung der ausgedehnten Baumbestände, von Keramik sowie von größeren Ansiedlungen als Ausdruck der Sesshaftigkeit des Menschen. Nach der heutigen Definition ist für den Beginn der Jungsteinzeit der Wechsel von der aneignenden Wirtschaftsweise der Jäger, Sammler und Fischer der Mittelsteinzeit zur produzierenden Wirtschaftsform der Bauern und Viehzüchter kennzeichnend, die einschneidende Veränderungen in Lebens- und Denkweise, Sozialstruktur sowie in Kunst und Religion nach sich zog. Als weitere entscheidende Neuerung gilt die Bildung von Besitz und Kapital in Form von gerodeten Wirtschaftsflächen, Haustieren, Saatgut, Schmuckgegenständen und Rohstoffen. Dieser Bruch in Ökonomie und Lebensweise mit seinen tiefgreifenden und irreversiblen Folgen für Mensch und Umwelt veranlasste Vere Gordon Childe (* 1892, ✝ 1957), den Übergang von der älteren zur jüngeren Steinzeit als »neolithische Revolution« zu bezeichnen in Analogie zum Begriff der industriellen Revolution. Die Entwicklung zum Bauerntum hat sich nach derzeitigem Forschungsstand unabhängig voneinander zwischen 10000 v. Chr. und 6000 v. Chr. in zahlreichen Regionen der Erde vollzogen (Vorderasien, Ostafrika, Nordchina, Südostasien, Ozeanien, Meso- und Südamerika) und breitete sich von diesen Kerngebieten unterschiedlich weit aus. Die Gründe für diesen Wandel werden in den end- und nacheiszeitlichen Klimaveränderungen vermutet, die weltweit zu beobachten sind.
Da die verschiedenen kulturellen Merkmale der Jungsteinzeit jedoch nicht überall gemeinsam auftraten, ist die Zuordnung bestimmter Kulturgruppen umstritten. In Afrika südlich der Sahara und in großen Teilen Süd- und Südostasiens wird statt von Jungsteinzeit oder Neolithikum in der Regel von »später Steinzeit« (Later Stone Age) gesprochen, die dort unmittelbar in die Eisenzeit übergeht. Vereinzelt ordnet man in ihrer Lebensweise mesolithisch geprägte Kulturen der Jungsteinzeit zu, da sie einzelne sekundäre Züge des Neolithikums, wie z. B. Keramik, aufweisen. Andererseits müssen späte Abschnitte der Jungsteinzeit z. B. in in Süd- und Osteuropa als kupferzeitlich (auch aeneolithisch, chalkolithisch) klassifiziert werden, da trotz grundsätzlich unveränderter Wirtschaftsweise neben die Verarbeitung und Nutzung von Steinmaterialien in mehr oder minder großem Umfang auch Kupfer trat, das gewonnen, verarbeitet und gehandelt wurde. Als Handelsgut sowie als Schmuck- und Prestigemetall hatte Kupfer weitreichende Folgen für die Wirtschafts- und Sozialstrukturen der produzierenden und importierenden Gesellschaften.
Allgemeine Entwicklung
Die Anfänge der Jungsteinzeit gehen bis in das 10. Jahrtausend v. Chr. zurück. Die ältesten Zeugnisse stammen aus Kleinasien, Nordmesopotamien und der Levante (Fruchtbarer Halbmond), wo zahlreiche Wildformen unserer heutigen Getreidearten, Fruchtpflanzen und Haustiere beheimatet waren und wo sich der Wandel vom Sammeln und Ernten des Wildgetreides (Natufienkultur) zum gezielten Anbau vollzog. Günstige Klimafaktoren und ein dadurch verbessertes Nahrungsangebot hatten im Frühneolithikum (akeramisches Neolithikum) dieses Gebietes ein bis dahin nicht gekanntes Bevölkerungswachstum und die Entstehung der ältesten stadtartigen Ansiedlungen der Menschheit zur Folge. Diese Siedlungen (z. B. Jericho, Tell Halaf, Çatal Hüyük, Abu Hureira) wuchsen rasch und entwickelten sich zu den ersten Wirtschafts-, Verwaltungs-, Kult- und Kulturzentren. Rohstoffe wurden über beträchtliche Entfernungen importiert, und im Bereich des Befestigungswesens setzte mit dem Bau von Mauern und Türmen aus Lehmziegeln eine neue Entwicklung ein. In der Religion wurde das Fruchtbarkeitsmotiv dominant.
Von Vorderasien aus breitete sich die neolithische Wirtschafts- und Lebensweise über mehrere Wege nach Europa aus, von denen derjenige über Griechenland und den Balkan für die mitteleuropäische Entwicklung der wichtigste war. Daneben belegen frühe Fundstellen in Südwesteuropa ebenso Ausbreitungswege über Nordafrika beziehungsweise über verschiedenen Mittelmeerinseln nach Spanien, Portugal und Frankreich. Als umstritten gilt zurzeit, in welcher Form die Neuerungen weitervermittelt wurden, d. h. in welchem Grade einerseits eine Bevölkerungswanderung und kriegerische Kolonisation dafür verantwortlich waren oder andererseits nur die Idee der produzierenden Wirtschaftsform nach Norden zu den einheimischen, mesolithisch lebenden Menschen gelangte und übernommen wurde; der heutige Forschungsstand geht von einer Kombination beider Möglichkeiten aus, obwohl auch diskutiert wird, ob die nacheiszeitliche Klimaverbesserung ein Bevölkerungswachstum und später eine Nahrungsmangelsituation hervorgerufen haben könnte, die überregional eine sesshafte Lebensweise mit einer produzierenden Wirtschaftsform notwendig gemacht hat. Parallel und unabhängig von den Entwicklungen in Vorderasien und in Europa setzte die Jungsteinzeit auch in Ost- und Südostasien ein; das Fehlen altweltlicher Nutzpflanzen und Tiere weist darauf hin, dass sich in Mesoamerika die Jungsteinzeit ebenfalls selbstständig entwickelt hat.
In Europa begann die Jungsteinzeit um 7000 v. Chr. mit dem vorkeramischen Neolithikum Griechenlands und der südlichen Balkanhalbinsel, nur wenig später mit dem Frühneolithikum des westlichen Mittelmeergebietes. Mit dem Einsetzen der vollneolithischen Phase (ab etwa 6500 v. Chr.) mit größeren Tell-Siedlungen, einer intensiven Haustierhaltung und mit Verwendung von Keramik setzte von Anfang an eine Aufgliederung in verschiedenen Kulturgruppen ein, die sich hinsichtlich Form und Verzierung der Tonware, ihren Steingeräten und -waffen, in Wohn- und Siedlungsweise und im religiösen Bereich (Art der Totenbestattung) unterschieden. Neben diesen vollneolithischen Kulturen hielten sich in vielen Gebieten, v. a. Nordeuropas, Jägervölker mit mittelsteinzeitlicher Wirtschaftsform (Erteböllekultur). Kennzeichnend für das älteste Neolithikum im zentraleuropäischen Mittelgebirgsraum ist die Kultur der (Linien-)Bandkeramik (5700-4800 v. Chr.), benannt nach der charakteristischen Ritzverzierung ihrer Tongefäße, die vom Pariser Becken und Belgien über die deutschen Mittelgebirge bis in die Ukraine und Ungarn verbreitet war. Im folgenden Mittelneolithikum (bis etwa 4400 v. Chr.) desselben Raumes kann einerseits eine Aufsplitterung in mehrere regional verbreitete Gruppen (z. B. der Großgartacher oder der Rössener Kultur) beobachtet werden, deren Kultur größtenteils noch auf den Traditionen der Bandkeramik beruhte. Andererseits begann in dieser Phase die Neolithisierung des norddeutschen Flachlandes und Südskandinaviens (v. a. durch die Trichterbecherkultur) sowie der Britischen Inseln (Windmill Hill-Kultur), die zu einer langsamen Assimilierung oder Verdrängung der dort lebenden mesolithischen Kulturen führte. Etwa zeitgleich oder wenig später kam es zur Ausbreitung der Megalithbauten entlang der Atlantikküste nach Nordwest- und Nordeuropa, die auf der Weitergabe von kultischen beziehungsweise religiösen Vorstellungen basierte. Im Jung- und Spät- beziehungsweise Endneolithikum Mitteleuropas (ab 4400/4200 v. Chr.) existierten Kulturgruppen (z. B. Michelsberger, Pfyner, Bernburger Kultur), die jetzt nicht mehr in der Tradition der Bandkeramik stehen, sondern verstärkt Einflüsse aus Nord- und Westeuropa zeigen. Zugleich ist eine zunehmende Verwendung von Kupfer zu beobachten, die jedoch in ihrer Häufigkeit im Vergleich zum Balkan weit hinter den dortigen Funden zurückbleibt. Diese jüngere Phase der Jungsteinzeit wird des öfteren auch »Steinkupferzeit« (Aeneolithikum) genannt, für den südosteuropäischen und vorderasiatischen Raum als »Chalkolithikum« bezeichnet und von der eigentlichen Jungsteinzeit abgetrennt. Da bereits in mittelneolithischen Siedlungen vereinzelt Kupfergegenstände nachgewiesen werden konnten (z. B. der Ring von Schernau, um 4200 v. Chr.), ist das Auftreten von Metallschmuckstücken nicht mehr als feste Zeitmarke beziehungsweise Hilfsmittel für die Periodisierung geeignet, wohl aber die gehäufte Gewinnung, Bearbeitung und Verwendung von Kupfer mit eindeutigen sozioökonomischen Folgen ab etwa 4500 v. Chr. in Südosteuropa (Kupferbergwerke in Rudna Glava/Serbien und in Ai Bunar/Bulgarien). Die thermische Kupfermetallurgie hat sich dagegen in Vorderasien bereits im 6. Jahrtausend v. Chr. entwickelt, die Verbreitung der Erfindung erfolgte aber nicht gleichmäßig; erst zunehmende Fernkontakte und -wanderungen haben in der späten Jungsteinzeit die Ausbreitung metallurgischer Kenntnisse begünstigt. In den einzelnen Erdteilen nahm die Jungsteinzeit sehr verschiedene Zeiträume ein. In Afrika, Südasien und Amerika haben sich jungsteinzeitliche Kulturformen zum Teil bis in die Gegenwart erhalten.
Das Ende der Jungsteinzeit in Europa stand im Zeichen tief greifender Wandlungen, deren Ursprünge noch weitgehend unerforscht sind, die aber u. a. auch als Folge von Wanderungen größerer Menschengruppen (Kolonialisierung) interpretiert wurden. In diesem als Endneolithikum bezeichneten Abschnitt (ab etwa 2800 v. Chr.) war die Glockenbecherkultur von der Iberischen Halbinsel bis ins südliche Dänemark und Ungarn verbreitet. Gleichzeitig oder nur wenig früher sind Gruppen der Streitaxtkulturen zwischen dem Balkan und Nordeuropa belegt, zu denen auch die in unserem Raum vorkommende Kultur der Schnurkeramik zählt. Ihre Träger wurden auf Grund des umfangreichen Waffenspektrums oft als kriegerische Hirtennomaden bezeichnet. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass es sich hierbei um eine sesshafte, bäuerlich geprägte, trotzdem wehrhafte Bevölkerung handelte, bei der die Viehhaltung aufgrund einer leichten Klimaverschlechterung und der zunehmenden Bodendegradierung seit dem Altneolithikum ein größeres Gewicht besaß als in den vorhergehenden Abschnitten der Jungsteinzeit. Aus den verschiedenen Gruppen der Glockenbecher- und Streitaxtkulturen entwickelte sich um 2300-2000 v. Chr. allmählich die frühe Bronzezeit, wobei für Mitteleuropa von einer Bevölkerungskontinuität auszugehen ist.
Archäologische Kulturen Europas
1) Die ägäische bemaltkeramische Kultur (Sesklokultur), die mit kleinasiatischen Kulturen, besonders Hacɪlar, zusammenhängt, hat als westlichster Ausläufer der anatolischen bemaltkeramischen Kulturen der Jungsteinzeit Bedeutung für die Ausbreitung der Jungsteinzeit in Europa. 2) Die Starčevokultur als älteste Jungsteinzeitkultur des Innerbalkans nahm Anregungen des ägäischen bemaltkeramischen Kreises auf und erschloss fast die ganze Balkanhalbinsel der jungsteinzeitlichen Kultur. 3) In demselben Gebiet erschienen später die Kulturen des anatolisch-balkanischen Kreises (Vinča-, Dudeşti-, Larissa-, Boian-, Marica-, Gumelniţakultur), gekennzeichnet durch unbemalte dunkle, zum Teil ritzverzierte Gefäße mit scharf gegliederten Formen, große Siedlungen auf Siedlungshügeln (Tells) und in der Spätstufe Metallschmuck und -geräte. 4) Das mediterrane Neolithikum der Kulturen mit Cardial- und Impressokeramik war in den Küstenländern des Mittelmeeres, auf der Iberischen Halbinsel und Frankreich auch im Binnenland verbreitet. Ihr kommt ebenfalls Bedeutung für die Ausbreitung der neolithischen Wirtschafts- und Lebensweise nach Norden zu. 5) Die Kultur der Bandkeramik (»donauländische Kulturen«) entstand weitgehend unter dem Eindruck früher Kulturen des Balkans, nahm jedoch auch Anregungen aus dem südwesteuropäischen und mediterranen Neolithikum der Cardialkeramik in sich auf. Sie ist die älteste vollneolithische Kultur in Mitteleuropa (zur weiteren Entwicklung in diesem Raum vergleiche oben). 6) Die Trichterbecherkulturen Nordwest- und Nordeuropas sind Ausdruck der im Vergleich zum Süden verzögerten Neolithisierung einheimischer Jäger-, Sammler- und Fischervölker an Nord- und Ostsee. Ihr gehen im gleichen Raum »halbneolithischer« Kulturen (Erteböllekultur) zum Teil mit Sesshaftigkeit und Keramikherstellung voraus, die in Kontakt mit frühen jungsteinzeitlichen Kulturgruppen Mitteleuropas standen. In einer jüngeren Phase der vollneolithischen Trichterbecherkultur entstehen die Megalithbauten Nordeuropas. 7) In den südrussischen Steppen herrschten Hirtenkulturen (Grubengrab-, Katakombenkultur). 8) In Nordwestrussland, im Baltikum und in Finnland gab es kamm- und grübchenkeramische Kulturen (Jäger, Fischer und Sammler, doch mit Kenntnis von Keramik und geschliffenen Steinwerkzeugen).
Technik und Wirtschaft
Durch Werkzeuge und Geräte aus Feuerstein, Knochen und Holz ist die Jungsteinzeit unmittelbar mit den älteren steinzeitlichen Epochen verbunden. Neu sind aus Felsgestein hergestellte Geräte, die durch Sägen und Schleifen bearbeitet (Steinbeile) und zur Schäftung durchbohrt wurden (Arbeits- und Streitäxte). Erstmals treten gebrannte Tongefäße auf.
Die mit der Jungsteinzeit einsetzende Landwirtschaft beruhte auf der Haustierhaltung (Domestikation von Schaf, Ziege, Schwein, Rind, später auch Pferd in der Alten Welt) und dem Anbau von Kulturpflanzen (Emmer, Einkorn, Gerste, Lein, Mohn und Hülsenfrüchte) in Form des Hackbaus und des (mit dem Einsatz des vom Ochsen gezogenen Pfluges verbundenen) Feldbaus beziehungsweise des Bewässerungsfeldbaus in Vorderasien. Die bodengebundene, produzierende Wirtschaftsweise führte zur Anlage zunächst von Einzelgehöften, später von dörflichen und stadtartigen Siedlungen. Rodungs-, Feld- und Befestigungsarbeiten sowie der Hausbau und die Errichtung von Großsteingräbern erforderten den Einsatz organisierter Menschengruppen. Eine berufliche Spezialisierung und damit einhergehend auch die Veränderung der bestehenden Sozialstrukturen wurde durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt begünstigt und hat ihre Wurzeln bereits im Altneolithikum. Von Anfang an sind zum Teil weit reichende Tauschbeziehungen, z. B. mit Schmuckgegenständen und den Rohmaterialien für Felsgesteinbeile, v. a. jedoch mit Feuerstein belegt. Letzteres führte am Beginn des Jungneolithikums zur Anlage von Bergwerken (Grimes Graves [Südengland], Rijckholt [Niederlande]), in denen der Feuerstein unter Tage abgebaut, zu Halbfertigprodukten verarbeitet und verhandelt wurde. Zur gleichen Zeit entstanden in Südosteuropa die ersten Kupferbergwerke. Auch die Hausbautechnik war seit dem Altneolithikum hoch entwickelt. Die mächtigen dreischiffigen, bis zu 50 m langen Pfostenbauten der Bandkeramik und des zentraleuropäischen Mittelneolithikums wurden später durch wesentlich kleinere, teils eingetiefte, teils ebenerdige Gebäude abgelöst, die als Pfostenständer-, Schwellenbauten oder auch in Blockbauweise errichtet wurden. Im zirkumalpinen Raum existierten während des Jung- bis Endneolithikums Seeufersiedlungen (»Pfahlbauten«), mit Häusern, deren Fußböden durch eine vom Erdboden mit Holzträgern und -stützen abgehobene Konstruktion den Erfordernissen im Überflutungsbereich der Alpenseen angepasst waren. Der hohe Stand der jungsteinzeitlichen Zimmermannstechnik lässt sich ebenso anhand des altneolithischen Brunnens von Erkelenz-Kückhoven (Rheinland) ablesen, dessen 17 m tiefer Schacht mit ineinander verzapften Holzplanken verstärkt war (um 5000 v. Chr.). Während des gesamten Neolithikums West-, Nord- und Mitteleuropas sind Erdwerke aus Wall und Graben, zum Teil auch mit Palisaden errichtet worden (z. B. Urmitz [Landkreis Mayen-Koblenz]; Windmill Hill [Südengland]), deren Funktion nicht ganz geklärt ist. Neben einer Funktion als Sicherungs- beziehungsweise Befestigungssystem kommt vielen dieser Anlagen sicher auch die Rolle eines umschlossenen Geländes zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder kultischen Zwecken zu. Die im Verlauf der Jungsteinzeit extensiver betriebene Landwirtschaft führte zu einer Bevölkerungszunahme, die in Verbindung mit verbesserten Techniken und der Intensivierung des Handels zur Entstehung von politischen und geistlichen Führungsschichten (Stammesoberhäupter, Priesterschaft) und zu einer hierarchisch strukturierten Organisation der Gesellschaften führte. Besonders deutlich wird diese Entwicklung an dem neolithisch-kupferzeitlichen Gräberfeld von Warna/Bulgarien, das um 4200 v. Chr. angelegt wurde; hier fand sich in bisher 281 ergrabenen Bestattungen ein großes Spektrum von beigabenlos/unaufwendig bestattet bis hin zu überaus reichhaltig mit Gold- und Kupferbeigaben versehenen Gräbern. Warna war zweifellos der zentrale Friedhof einer größeren Gemeinschaft, zu denen politische Führer, ausgestattet mit Machtinsignien und Prunkwaffen, ebenso gehörten wie arme und reiche Menschen als Gefolgschaft und dazu religiöse Persönlichkeiten, die an den Idolen als Beigaben erkennbar werden
Religion und Kunst
Pflanzenbau und Tierzucht lenkten die Aufmerksamkeit des Menschen stärker als zuvor auf die Idee der Fruchtbarkeit, den zyklischen Ablauf der Jahreszeiten und auf die Beobachtung der Gestirne. Die entstehenden Fruchtbarkeitsreligionen manifestierten sich in der Verehrung menschen-, tier- und mischgestaltiger Wesen. Die Natur galt als Sitz heiliges Kräfte, religiöse Bedeutung hatten das Feuer und die als höchstes Wesen oder Lichtgottheit verehrte Sonne. Felsdarstellungen von Schiff, Wagen, Rad und Beil weisen auf die kultische Bedeutung der Motive. Die Totenbeisetzung, meist als Hockerbestattungen in Flachgräbern, aber auch solche unter Erdhügeln, im Haus und in Großsteingräbern (Megalithgräber) zeugen von dem Glauben an das Fortleben der Toten und der Ausübung des Ahnenkults. Ahnenkult ist sicher auch ein Erklärungsmodell für die Bestattung von menschlichen Schädeln, die mit Lehm und Muscheln ausmodelliert waren und in den Häusern der frühen jungsteinzeitlichen Städte (z. B. Jericho) niedergelegt wurden.
In einigen Regionen (Nordafrika, Ostspanien, Skandinavien, Nordrussland) hat die Felsbildkunst der Mittelsteinzeit ihre Fortsetzung gefunden, in Kleinasien (Çatal Hüyük) auch als Wandkunst in Kultgebäuden. In der Plastik treten neben menschlichen Statuetten (meist Frauen) auch Tierfiguren auff, deren Bedeutung sicher auch im Kultbereich zu suchen ist (Idole). Eine besondere Rolle entwickelte die künstlerische Tätigkeit in der Formung und Ornamentierung von Tongefäßen. Dadurch ergab sich eine Vielfalt von regional und chronologisch voneinander zu trennenden Keramikstilen, die in der heutigen archäologischen Forschung - nach Typenkomplexen zusammengefasst - die Abgrenzung von Formen-, Stil- und Kulturgruppen ermöglicht.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Altsteinzeit · Bronzezeit · Eisenzeit · Mittelsteinzeit
G. Smolla: Neolith. Kulturerscheinungen (1960);
S. Piggott: Ancient Europe from the beginnings of agriculture to classical antiquity (Edinburgh 1965);
J. Mellaart: The Neolithic of the Near East (London 1975);
H.-P. Uerpmann: Probleme der Neolithisierung des Mittelmeerraums (1979);
I. Hodder: The domestication of Europe. Structure and contingency in Neolithic societies (Oxford 1990);
E. Probst: Dtl. in der Steinzeit. Jäger, Fischer u. Bauern zw. Nordseeküste u. Alpenraum (1991);
Illustrierte Gesch. der Menschheit, Bd.: Die Menschen der Steinzeit. Jäger, Sammler u. frühe Bauern, hg. v. G. Burenhult (a. d. Engl., 1994);
Das Neolithikum in Mitteleuropa, hg. v. J. Preuss, auf 3 Bde. ber. (1996 ff.).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
neolithische Revolution
Technik der Frühzeit
Altsteinzeit: Am Anfang war das Feuer
Jungsteinzeit: Ackerbauern und Viehzüchter
Buntkeramik: Ein neues Material und seine künstlerische Blüte
Jungsteinzeit: Jericho - Älteste Stadt der Welt?
jungsteinzeitliches Siedeln und Wohnen
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Jụng|stein|zeit, die: Neolithikum.
Universal-Lexikon. 2012.