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Ozeanien
Oze|a|ni|en; -s:
Gesamtheit der pazifischen Inseln zwischen nördlichem und südlichem Wendekreis.

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Ozeani|en,
 
die Inseln des Pazifischen Ozeans zwischen Australien, den Philippinen und Amerika, zwischen dem Nördlichen Wendekreis und 50 º südlicher Breite. Die über 7 500 Inseln (einschließlich aller Riffinseln von Atollen) umfassen eine Landfläche von insgesamt fast 1,3 Mio. km2 (ohne Neuguinea und Neuseeland rd. 220 000 km2) und sind über ein Meeresgebiet von etwa 70 Mio. km2 verteilt. Rd. 2 100 Inseln sind bewohnt. Von den (1995) 13,3 Mio. Einwohnern leben insgesamt 9,6 Mio. auf Neuguinea und in Neuseeland. - Im weiteren Sinn umfasst Ozeanien auch Australasien, also auch Australien.
 
 Landesnatur
 
Aufbau und Verbreitung der verschiedenen Inseltypen werden im Rahmen der Plattentektonik erklärt. Die unterlagernde, vom Ostpazifischen Rücken aus nach Westen driftende (Sea-Floor-Spreading), aus magmatischen Material bestehende Pazifische Platte stößt im Bereich der Marianen sowie von Neuguinea über die Kermadecinseln bis Neuseeland auf die entgegendriftende Philippinen- beziehungsweise Indisch-Australischen Platte. An der durch Tiefseegräben und die Andesitlinie (Andesit) markierten Nahtstelle vollziehen sich Abtauchvorgänge (Subduktion). Die westlich der Plattengrenze gelegenen »kontinentalen Inseln« werden aus Sedimenten, magmatischen und metamorphen Gesteinen aufgebaut, weisen explosiven Vulkanismus mit kieselsäurereichen, andesitischen Gesteinen und steilen, aschereichen Vulkankegeln auf. Neben den Vulkaninseln (»hohe Inseln«) treten Korallenriffe und Atolle auf. Die östlich davon, auf der Pazifischen Platte gelegenen Vulkaninseln sind Schildvulkane aus dünnflüssigen, kieselsäurearmen, basischen Laven (wie die ozeanische Kruste). Sie sind teils an Querverwerfungen (Transformstörungen, quer zum Ostpazifischen Rücken), teils durch Hot Spots entstanden (z. B. Hawaii). Die Vulkaninseln können durch Saumriffe geschützt sein, zum Teil befinden sie sich aber in starker Abtragung. Bei den rund 300 Atollen des tropischen Ozeanien ist der vulkanische Sockel im Untergrund verborgen (durch Absenkung bis in über 1 000 m Tiefe); durch Hebung kann das Saumriff die Küste bilden (z. B. Nauru).
 
 Klima
 
Das tropisch-maritime Klima wird v. a. auf den kleinen Inseln durch kühlende Seewinde gemildert. In Äquatornähe bringen die aus Nordosten und Südosten kommenden Passate - nach Westen zunehmend und durch Konvektion verstärkt - ganzjährig Niederschläge. Durch Ausläufer kalten Auftriebswassers von Südamerika her entstehen allerdings gelegentlich beträchtliche Dürren (Niño). Die Temperaturen liegen bei 25 ºC oder höher. Geringere Niederschlags- und Temperaturwerte (Monatsmittel bis unter 20 ºC) und größere jahreszeitliche Schwankungen stellen sich im Bereich der Wendekreise ein. Dabei ergeben sich an den Gebirgen deutliche Unterschiede in den Regenmengen aus der Luv- oder Leelage zu den beständig wehenden Passaten. Im Sommer und Herbst treten v. a. im Westen der Inselflur tropische Wirbelstürme auf.
 
 Tier- und Pflanzenwelt
 
Die Pflanzenwelt ist gegenüber dem Festland stark verarmt, besonders auf den Koralleninseln. Die meisten Nutzpflanzen, auch die Kokospalme, wurden hier erst vom Menschen verbreitet. Infolge dieser Veränderungen (verstärkt seit der Europäisierung) lässt sich die ursprüngliche Vegetation kaum noch ermitteln. Ähnliche Verdrängungserscheinungen brachte die Besiedlung durch die Einführung von Haustieren (Schweine, Hunde, Hühner) und die Einschleppung von Ratten.
 
 Bevölkerung
 
Die traditionelle, ethnisch begründete Einteilung der Inseln in Melanesien, Mikronesien und Polynesien hat durch die von der europäischen Kolonisation ausgegangenen Veränderungen für die heutige geographische Gliederung Ozeaniens stark an Wert verloren. Nach den frühen Fahrten der Spanier setzte ab 1795 die Missionierung durch die »London Missionary Society«, ab 1833 die der katholischen Kirche ein. Die wirtschaftlichen Interessen, die im 19. Jahrhundert von Europa und den USA verfochten wurden (später auch Japan, Australien und Neuseeland), galten anfangs v. a. der Gewinnung von Kopra und Guano sowie dem Walfang, führten dann zur Errichtung von Handelsstationen und schließlich zur Ansiedlung europäischer Pflanzer. Eingeschleppte Krankheiten, Verschleppung von Einwohnern für den Guanoabbau u. a. verursachten einen Rückgang der Bevölkerung, bis zum Teil eine erhebliche Zuwanderung erfolgte (französische Strafgefangene, Vertragsarbeiter für Plantagen und Bergbau aus China, Japan, Indien, Portugal, den Philippinen, Indochina), v. a. in Hawaii, Fidschi, Neukaledonien, Französisch-Polynesien, Nauru, Guam. Bindungen an ehemaligen Kolonialmächte blieben auch nach der staatlichen Unabhängigkeit erhalten. Von Südamerika aus wurde nur die Osterinsel annektiert.
 
 Wirtschaft
 
Traditionelle, marktunabhängige Selbstversorgungslandwirtschaft gibt es in Ozeanien weiterhin: neben Kokospalmen-, Schraubenbaum- und Brotfruchtbaumkulturen Anbau von Taro, Bataten, Maniok, Bananen, Papaya und Gemüse. Allerdings sind vielfach Nahrungsmittelimporte erforderlich. Zwar verfügen die Vulkaninseln über nährstoffreiche Böden, die Atolle aber nicht; diese leiden außerdem oft unter Trockenheit. Modernisierung wird durch das Bodenrecht behindert (kollektives Bodeneigentum, außer in Guam und Hawaii). Für die Marktproduktion bleibt die Kokospalme (Kopra, Kokosfett) am wichtigsten; ferner Ölpalmen, Zuckerrohr, Kautschuk, Kaffee, Kakao, Vanille. Wesentliche traditionelle Ernährungsbasis ist die Fischerei, v. a. im Riffbereich (Fische, Schalentiere, Tintenfische, Seegurken u. a.). Ein Drittel der Weltfischbestände befinden sich im Bereich der pazifischen Inseln. Der Fang im tiefen, offenen Meer (v. a. Thunfische, Speerfische, Marline, Bonito) wird zu über 90 % von den Schiffen ferner Länder (Japan, Taiwan, Korea, USA u. a.) getätigt. Auch an der Verarbeitung ist Ozeanien kaum beteiligt. Das neue Seerecht (200-Seemeilen-Zone) kann den Staaten Ozeaniens wenigstens durch Lizenzrechte Einkünfte sichern. Ähnliches gilt für andere, noch nicht genutzte Ressourcen (Manganknollen u. a.). Der seit Mitte des 19. Jahrhunderts betriebene Guano- und Phosphatabbau wurde außer auf Nauru eingestellt. Sonstiger Bergbau ist auf wenige Inseln beschränkt: Neukaledonien (Nickel), Fidschi (Gold), Papua-Neuguinea (Kupfer, Gold). Die Länder Ozeaniens sind durch zahlreiche entwicklungshemmende Merkmale gekennzeichnet: kleines Territorium, räumliche Zersplitterung und Isolierung, weite Entfernung zu lohnenden Absatzmärkten, geringe Bevölkerung, Armut an Bodenschätzen, Wasser und Energieträgern, kleiner Binnenmarkt, Transportprobleme, ökologische Labilität, politische und wirtschaftliche Abhängigkeit (Unterstützung durch Industriestaaten, Abwanderung vieler Bürger wegen zu geringer Beschäftigungsmöglichkeiten). Der aufblühende Tourismus in einigen Inselstaaten ist zwar eine wichtige Deviseneinnahmequelle, verursacht aber oft Umweltprobleme. Zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen, auch auf internationaler Ebene, entstanden politische und wirtschaftliche Zusammenschlüsse wie das Südpazifikforum. Auch gehören einige Inselstaaten zur Gruppe der AKP-Staaten.
 
 Geschichte
 
Die Geschichte der Besiedlung Ozeaniens ist noch nicht ausreichend geklärt. Als gesichert gilt aber, dass sie von Asien aus erfolgte. Die Hypothese T. Heyerdahls von der (teilweisen) Herkunft der Bevölkerung aus Südamerika hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Nachdem Australien und Neuguinea schon während der letzten Eiszeit besiedelt worden waren (älteste Funde jetzt aus Nordaustralien, 50 000-60 000 Jahre alt), breitete sich die als Vorfahren der papuasprachigen Bewohner geltende Bevölkerung vor 4 000-7 000 Jahren auch über die anderen Inseln des westlichen Melanesien aus. Gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. trat hier an den Küsten die neolithische Lapitakultur auf, benannt nach Funden von kugelförmigen, verzierten, der Nahrungszubereitung dienenden Gefäßen. Sie wird den Vorfahren der Polynesier zugeschrieben, Austronesiern mit ausgeprägter maritimer Lebensweise. Die in Melanesien verbliebenen Austronesier gingen durch Vermischung in der ansässigen schwarzen Bevölkerung auf, setzten aber ihre Sprache durch. Die anderen hellhäutigen Austronesier besiedelten Polynesien.
 
1513 entdeckte V. Núñez de Balboa den Pazifischen Ozean. Seefahrer der europäischen Kolonialmächte (besonders J. Cook) erschlossen seitdem Ozeanien. Mit dem niederländischen Souveränitätsanspruch auf West-Neuguinea (1828) und der Errichtung des französischen Protektorats über die zentralpolynesische Inseln (Gesellschaftsinseln, Tuamotu-Gruppe u. a., 1842) begann das koloniale Zeitalter in Ozeanien. Die europäisch-amerikanische Kolonialisierung veränderte die traditionellen Sozialstrukturen im ozeanischen Raum, auf Hawaii und den zentralpolynesischen Inseln sowie in Melanesien und Mikronesien stärker als in West-Polynesien (Samoa, Tonga). Mit dem Übergang in den Kolonialstatus erlosch fast überall das einheimische Königtum. In Tonga blieb das christliche Königtum unter britischem Protektorat (seit 1900) jedoch erhalten.
 
Nach dem Ersten Weltkrieg besaßen Großbritannien und Frankreich, aber auch die Niederlande, der Australische Bund und die USA Kolonien in Ozeanien; die deutschen Schutzgebiete hatten Japan und Neuseeland als C-Mandate des Völkerbundes erhalten. Auf der Washingtoner Konferenz (1921-22) garantierten sich Frankreich, Großbritannien, Japan und die USA in einem Viermächtepakt (13. 12. 1921) gegenseitig die Besitzungen in Ozeanien. Während des Zweiten Weltkrieges war Ozeanien 1941-45 Kriegsschauplatz. Auf der Konferenz von Kairo (1943) beschlossen China, Großbritannien und die USA, nach einem militärischen Sieg über Japan diesem die Völkerbundsmandate im ozeanischen Raum abzuerkennen. 1947 kamen diese Territorien als Treuhandgebiete der UNO unter die Verwaltung der USA, die 1959 Hawaii als Bundesstaat aufnahm. Schon 1946 wurden die französischen Besitzungen (Französisch-Polynesien, Neukaledonien) Überseegebiete der Französischen Republik. 1946-58 fanden auf Bikini und Eniwetok (Marshallinseln) amerikanische, bis in die jüngste Zeit (zuletzt zwischen September 1995 und Januar 1996) auf dem Mururoa-Atoll (Französisch-Polynesien) französische Kernwaffenversuche statt.
 
Im Zuge der Entkolonialisierung gewannen die britischen, australischen und neuseeländischen Besitzungen Selbstverwaltungsrechte. Westsamoa (1962), Nauru (1968), Fidschi (1970), Papua-Neuguinea (1975), die Salomoninseln (1978), Tuvalu (1978) und Kiribati (1979) erhielten die Unabhängigkeit. Mit der Abtretung des westlichen Neuguinea 1963 an Indonesien verloren die Niederlande ihren Einfluss in Ozeanien. 1970 löste Großbritannien den Protektoratsvertrag mit Tonga.
 
Am 22. 12. 1990 wurde die Treuhandschaft der UNO über die Nordmarianen, die Marshallinseln und Mikronesien, am 1. 10. 1994 auch über Palau aufgehoben; die Bindungen an die USA blieben bestehen (bei den Nordmarianen durch die Bildung des mit den USA assoziierten »Commonwealth of the Northern Mariana Islands«, bei den Marshallinseln, den »Föderierten Staaten von Mikronesien« und Palau durch »Compacts of Free Association«). Die Insel Guam erhielt den Status eines nicht inkorporierten Territoriums der USA. - Als regionaler Zusammenschluss in Ozeanien entstand 1971 das South Pacific Forum, das 1985 den Südpazifik zur atomwaffenfreien Zone erklärte (fixiert im Vertrag von Rarotonga, der 1986 in Kraft trat und den 1996 auch die USA, Frankreich und Großbritannien unterzeichneten).
 
 Kunst
 
Gemeinsam ist den ozeanischen Völkern das Fehlen von Metallwerkzeugen bis zur Ankunft der Europäer. Die Werke der alten Holzschnitzkunst sind mit Stein- und Muschelwerkzeugen (Beile und Dechsel, oft mit Knieschaft) sowie mit Kratzern aus Zahnmaterial und verschiedenen Glättinstrumenten (u. a. Rochenhaut, Blätter) hergestellt worden. Stein und Muschelschalen sind in verschiedenen Teilen von Ozeanien nicht nur zu Werkzeugen und Schmuck, sondern auch zur Gestaltung von meist zweidimensional angelegten Werken oder Teilformen bearbeitet worden. Zum Aufmodellieren v. a. der Fleischteile von Gesichtern auf Schädel fand Ton Verwendung. Eine hervorragende Rolle in der Kunst Ozeaniens spielen die aus Baumbast geklopften Stoffbahnen (Tapa), die zur Anfertigung bemalter Maskenaufbauten und zeremonieller Kleidung gebraucht wurden. In ihrer Bedeutung oft unterschätzt sind weitere biegsame vergängliche Materialien, z. B. Blätter und Stängel von Palmen und Ziersträuchern, Schnüre und Troddeln (u. a. aus Tier- und Menschenhaaren), Vogelbälge und -federn, die zu Körperschmuck und Kleinkunstwerken verwendet werden; dasselbe gilt teilweise für die Gestaltung verzierter Behälter aus Holz, Kokosschalen, Kürbis und Bambus sowie für die oft figürliche Ausformung von Dolchen, für Spatel (in Melanesien) sowie Ohrschmuck und kleine Keulen (in Polynesien) aus Vogel- und Menschenknochen sowie Walrosszahn und -knochen.
 
Neben den Werken der Kleinkunst, der Malerei und der Plastik beanspruchen die Bauformen, besonders jene des Kulthauses, einen besonderen Rang als selbstständige Form des räumlich-figurativen Gestaltens, z. B. als mehrdeutige Versinnbildlichung mythischer tiergestaltiger Schöpferwesen und ihrer Daseinsumstände, etwa des zweiköpfigen Urzeitkrokodils, der Schildkröte oder des Kasuars (Sepik), des verschlingenden, zwischen Krokodils- und Schweinegestalt oszillierenden Urzeitwesens (Papuagolf) und anderer.
 
Die ozeanische Kunst ist in allen ihren Erscheinungsformen Teil der Religion und des Lebens in der Gesellschaft; sie umfasst über die von den Europäern gesammelten Einzelwerke hinaus auch die Anlage der zugehörigen Feste (Tänze und Körperschmuck der Teilnehmer, Gesang oft esoterischem Inhalts, Instrumente und deren Musik als Stimme der übermenschlichen spirituellen Wesen). Masken, Schnitzwerke und andere figürliche Gestaltungen stellen im Rahmen ihres Auftritts die Gemeinten nicht nur dar, sondern sie werden als diese selbst aufgefasst.
 
Literatur:
 
A. Bühler u. a.: O. u. Australien. Die Kunst der Südsee (1961, Nachdr. 1981);
 H. Beck: Germania in Pacifico. Der dt. Anteil an der Erschließung des pazif. Beckens (1970);
 
Man in the Pacific Islands, hg. v. R. W. Ward (Oxford 1972);
 P. Bellwood: Man's conquest of the Pacific (Auckland 1978);
 
The prehistory of Polynesia, hg. v. J. D. Jennings (Cambridge, Mass., 1979);
 
Ozean. Kunst, bearb. v. C. Kaufmann u. a., Ausst.-Kat. (Basel 1980);
 
Historical dictionary of Oceania, hg. v. R. D. Craig u. a. (Westport, Conn., 1981);
 H. J. Buchholz: Australien - Neuseeland - Südpazifik (1984);
 H. J. Buchholz: Seerechtszonen im Pazif. Ozean (1984);
 M. Stingl: Kunst der Südsee (a. d. Tschech., Leipzig 1985);
 
Südsee-Inselwelt im Umbruch, Beitrr. v. F. von Krosigk u. a. (1988);
 L. Käser: Die Besiedlung Mikronesiens (1990);
 P. W. Lange: Südseehorizonte. Eine maritime Entdeckungsgesch. O.s (Leipzig 31990);
 
Schmuck der Südsee. Ornament u. Symbol, bearb. v. I. Heermann u. U. Menter, Ausst.-Kat. Linden-Museum, Stuttgart (1990);
 Anthony JP Meyer: Oceanic art, 2 Bde. (Köln 1995).
 

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Oze|a|ni|en; -s: Gesamtheit der pazifischen Inseln zwischen nördlichem und südlichem Wendekreis.

Universal-Lexikon. 2012.