Akademik

Senkrechtstartflugzeug
Senkrechtstartflugzeug,
 
Senkrechtstarter, Lotrechtstarter, Vertikalstartflugzeug, Vertikalstarter, VTOL-Flugzeug [VTOL Abkürzung für englisch vertical take-off and landing »Senkrechtstart und -landung«], Flugzeug, das aufgrund besonderer Bauart in senkrechter Richtung starten und landen kann. Wegen der fehlenden Horizontalbewegung kann der erforderliche Auftrieb nicht durch starre Tragflächen erzeugt werden, sondern durch überdimensionierte und in eine horizontale Drehebene gebrachte Luftschrauben sowie durch Strahltriebwerke. Daraus ergeben sich unterschiedliche Arten von Senkrechtstartflugzeugen.
 
Bauarten:
 
Bei den Drehflügelflugzeugen wird der Auftrieb sowohl im Vertikal- wie im Horizontalflug überwiegend durch langsam drehende Rotoren großen Durchmessers erzeugt; Bauarten Flugschrauber, Hubschrauber, Tragschrauber (im strengen Sinn aber kein Senkrechtstartflugzeug) und Verwandlungshubschrauber. Bei Senkrechtstartflugzeugen mit Hubkrafterzeugung durch Luftschrauben liefern diese nur im Vertikalflug die Hubkraft, während der Auftrieb im Horizontalflug durch eine starre Tragfläche erzeugt wird. Zur Hubkrafterzeugung wird entweder die Rumpflängsachse in die senkrechte Lage gebracht (Heckstartflugzeug, Heckstarter), oder es wird bei waagerechter Rumpflage der Luftschraubenschub durch Schwenken der Luftschrauben (Kipprotorflugzeug), der Triebwerke einschließlich der Luftschrauben (Kipptriebwerkflugzeug), des gesamten Tragflügels einschließlich der Triebwerke und der Luftschrauben (Kippflügelflugzeug) oder durch Umlenkung des Luftschraubenstrahls mit Klappensystemen in die Senkrechte umgelenkt. Hubkrafterzeugung durch Strahltriebwerke ist möglich mit dem Schubtriebwerk durch Heckstartaufstellung oder durch Schwenken von Schubtriebwerken, durch Schwenken der Austrittsdüsen von Hub-Schub-Triebwerken oder durch gesonderte Hubtriebwerke oder Hubgebläse, die, im Rumpf oder Tragflügel eingebaut, einen Luftstrom vertikal abwärts beschleunigen. Im Horizontalflug wird der Auftrieb überwiegend durch eine starre Tragfläche geliefert, seltener durch Hubtriebwerke (Hubstrahler).
 
Da während des Start- und Landevorgangs wegen der fehlenden Horizontalbewegung die aerodynamischen Ruder unwirksam sind, müssen die zur Lagehaltung und Steuerung erforderlichen Drehmomente durch besondere Steuerelemente oder -verfahren aufgebracht werden (Steuerdüsen, Steuerluftschrauben oder -gebläse, Richtungsänderung der Hubkraft, Änderung der Größe der Hubkraft verteilter Hub-Einzeltriebwerke). Zur Überführung des Senkrechtstartflugzeugs aus der senkrechten in die waagerechte Bewegungsrichtung (Transitionsphase) werden ebenfalls die Richtung der Hubkraft geändert und/oder Schubtriebwerke zugeschaltet. Da beim Start- und Landevorgang alle Drehbewegungen um die Flugzeughauptachsen ungedämpft sind, reagiert das Senkrechtstartflugzeug auf Steuerkommandos anders als flächengetragene Flugzeuge, was die Flugführung erschwert und Stabilisierung sowie Steuerung durch spezielle Flugregler verlangt, die auch für die Transitionsphase notwendig sind.
 
Flugeigenschaften, Flugleistungen:
 
Flugzeuge mit geringer Strahlflächenbelastung (Hubkrafterzeugung durch geringe Beschleunigung einer großen Luftmasse, z. B. Hubschrauber) haben im Schwebeflug geringeren Kraftstoffverbrauch als Flugzeuge mit hoher Strahlflächenbelastung und eignen sich deshalb besonders für längere Schwebeflugdauer; ihre Horizontalgeschwindigkeit und Reichweite sind jedoch meist unbefriedigend. Flugzeuge mit hoher Strahlflächenbelastung (Hubkrafterzeugung durch starke Beschleunigung einer geringeren Luftmasse) sind hingegen für ausgesprochene Schwebeflugaufgaben kaum geeignet, erreichen aber höhere Horizontalgeschwindigkeiten und Reichweiten.
 
Vorteile von Senkrechtstartflugzeugen: Unabhängigkeit von langen, ausgebauten und damit auch verletzlichen Start- und Landebahnen; geringere Annäherungsgeschwindigkeit an den Boden (erleichtert Schlechtwetterlandung); Schwebeflugfähigkeit macht besondere Flugaufgaben erfüllbar und bietet Vorteile bei Luftkampfmanövern. - Nachteile: hohe Anschaffungs- und Betriebskosten, hoher Kraftstoffverbrauch und starke Lärmentwicklung bei Start und Landung, Wartungs- und Versorgungsprobleme bei militärischem Einsatz in unvorbereitetem Gelände.
 
Obwohl Versuchsflugzeuge mit nahezu allen möglichen Arten der Hubkrafterzeugung erfolgreich erprobt wurden, konnte sich bislang nur der Hubschrauber als Senkrechtstartflugzeug durchsetzen. Hubkrafterzeugung mit Strahltriebwerken wurde bisher nur bei zwei bei Streitkräften eingeführten Serienmustern angewendet, dem britischen Kampfflugzeug Hawker Siddeley »Harrier« beziehungsweise dessen Weiterentwicklung McDonnell Douglas AV-8 B und dem sowjetischen Kampfflugzeug Jakowlew Jak-36 (Weiterentwicklung Jak-38).
 
Literatur:
 
X. Hafer u. G. Sachs: Senkrechtstart-Technik (1982);
 O. E. Pabst: Kurzstarter u. Senkrechtstarter (1984).

* * *

Sẹnk|recht|start|flug|zeug, das: Coleopter.

Universal-Lexikon. 2012.