Fürstengräber,
Adelsgräber, Königsgräber, vor- und frühgeschichtliche Gräber, die sich meist schon durch ihre Lage, v. a. aber durch ihren Aufbau (oft besonders hohe Hügel, mächtige Grabkammern, sorgfältige Einbauten) und ungewöhnliches Beigabenreichtum deutlich von den übrigen Bestattungsanlagen gleicher Kulturzugehörigkeit abheben und dadurch die hohe soziale Stellung der Verstorbenen zum Ausdruck bringen (z. B. in Mykene).
In Europa erschienen Fürstengräber etwa ein Jahrtausend später als im Vorderen Orient, z. B. in der frühen Bronzezeit Mitteldeutschlands (Helmsdorf, Leubingen), Polens, Englands und der mykenischen Kultur Griechenlands. In der mittleren und jüngeren Bronzezeit gab es nur einzelne Fürstengräber; manchmal sind sie in bestimmten Kulturzonen konzentriert (Seddin, Velatice). Eine großräumige Verbreitung erlangten die Fürstengräber hingegen in der Hallstattzeit, und zwar vornehmlich in Mittel- und Oberitalien, Ostfrankreich (Vix), der Schweiz, Süddeutschlands (Hochdorf an der Enz), der Tschechischen und der Slowakischen Republik, im Ostalpengebiet und im südlichen Russland (Kurgane der Skythen). Die im westlichen Mitteleuropa gelegenen Fürstengräber dieser Epoche sind - wie auch die der anschließenden älteren La-Tène-Zeit (z. B. Hallein-Dürrnberg, Kleinaspergle, Reinheim, Rodenbach, Waldalgesheim) - gewöhnlich durch Wagenbestattungen in holzverkleideten Grabkammern und Beigaben von Schmuck und Gefäßen aus Gold sowie griechisch-etruskisches Einfuhrgut (Trinkservice) gekennzeichnet.
Diesen Zeugnissen einer erstaunlichen Pracht- und Machtentfaltung früher keltischer Dynastien folgten einige Jahrhunderte später ebensolche germanische Stammesführer. Die Fürstengräber der älteren römischen Kaiserzeit (Lübsow-Gruppe) wirken nach Bauart und Beigabenkombination relativ geschlossen, während die der jüngeren römischen Kaiserzeit starke regionale Unterschiede aufweisen (schlesisch-slowakische Gruppe mit Cejkov [Slowakische Republik], mitteldeutsche Gruppe mit Haßleben, Leuna und mecklenburgische Gruppe). Allen gemeinsam ist eine große Formenfülle und das Vorhandensein römischer Importwaren. Auch aus der Völkerwanderungszeit sind zahlreiche Fürstengräber in verschiedenen Teilen Europas bekannt geworden. Zu den ältesten gehören die vom Rhein bis weit nach Russland hinein verbreiteten reiternomadischen, ethnisch nicht einheitliche Fürstengräber der Attilazeit. Bei den zeitlich anschließenden Fürstengräbern der merowingischen Epoche, die sich wiederum durch reiche Schmuck- und Waffenbeigaben (u. a. goldverkleidete Schwertgriffe und Spangenhelme) auszeichnen, sind in einigen Fällen bereits historische Persönlichkeiten nachweisbar (z. B. Childerich I., Arnegunde), in anderen, z. B. den fränkischen Fürstengräbern aus Köln, Krefeld-Gellep, Flonheim (bei Alzey), Morken (heute zu Bedburg) und Bad Kreuznach-Planig, den alemannischen aus Gammertingen, Niederstotzingen und Wittislingen, den thüringischen von Großörner und Stößen (heute beide zu Sachsen-Anhalt) und verschiedenen langobardischen Fürstengräbern, sind vielfach Vertreter bestimmter Dynastien oder deren Angehörige zu vermuten. Ähnliches gilt für den nordgermanischen Bereich, z. B. Birka, Jelling, Ladby, Snartemo (bei Kristiansand), Sundsvall und Altuppsala, der in der Vendel- und Wikingerzeit außerdem noch durch die fürstlichen Schiffsgräber hervortrat (Gokstad, Oseberg, Vendel), zu denen auch Sutton Hoo in England zu zählen ist. Auch bei den frühgeschichtlichen Slawen gab es Fürstengräber, z. B. im Großmährischen Reich (Mikulčice, Staré Město).
J. Werner: Das alamann. F. von Wittislingen (1950);
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H. Steuer: Frühgeschichtl. Sozialstrukturen in Mitteleuropa (1982);
J. Biel: Der Keltenfürst von Hochdorf (31995).
Universal-Lexikon. 2012.