Konstanzer Konzil
Obwohl das Konzil von Pisa (1409) nicht zum Erfolg geführt hatte, setzte sich in der abendländischen Christenheit immer mehr die Überzeugung durch, dass das mittlerweile schon über drei Jahrzehnte dauernde Schisma nur durch ein allgemeines Generalkonzil überwunden werden könne. Dass dann auf deutschem Boden ein solches allgemein anerkanntes Konzil zustande kam, ist in erster Linie dem diplomatischen Geschick König Sigmunds zuzuschreiben, dem es gelang, den Pisaner Papst Johannes XXIII. dazu zu bewegen, das Konzil nach Konstanz einzuberufen.
Das Konzil, das vom 5. November 1414 bis zum 22. April 1418 tagte, war eine der größten Kirchenversammlungen, die das Mittelalter je gesehen hat. 600 bis 700 Theologen und ebenso viele weltliche Magnaten und Gesandte aus ganz Europa nahmen hieran teil, wobei neben der Wiederherstellung der Kircheneinheit (causa unionis) noch zwei weitere Hauptaufgaben, nämlich die von vielen erhoffte innere Reform der Kirche (causa reformationis) sowie die Auseinandersetzung mit den Lehren des Johannes Hus u. a. (causa fidei) zu lösen waren.
Die schwierigste Aufgabe, die Herstellung der Kircheneinheit, schien wieder in weite Ferne gerückt, als Ende März 1415 bekannt wurde, dass der Pisaner Papst Johannes XXIII. heimlich Konstanz verlassen und sich dem Schutze des Herzogs Friedrich von Österreich-Tirol unterstellt hatte, um sich der Alternative Rücktritt oder Absetzung, vor die ihn die Konzilsmehrheit gestellt hatte, zu entziehen. Vor allem der Umsicht und Entschlossenheit König Sigmunds war es in dieser kritischen Situation zu verdanken, dass das Konzil sich nicht auflöste und so die Chance zur Beendigung des Schismas gewahrt wurde. Während der König den österreichischen Herzog durch die Verhängung der Reichsacht und die Androhung des Reichskrieges dazu zwang, seinen Schützling aufzugeben, erklärte das Konzil in einem Grundsatzbeschluss, über dem Papst zu stehen (Dekret »Haec sancta synodus« von 1415), und eröffnete gegen den inzwischen wieder ergriffenen Flüchtling ein förmliches Rechtsverfahren, das mit dessen Absetzung endete. Nachdem die beiden anderen Päpste, die auf dem Konzil nur durch Gesandte vertreten waren, zum Rücktritt gezwungen bzw. abgesetzt worden waren, war der Weg für eine Neuwahl frei, aus der dann Martin V. als neuer, allgemein anerkannter Papst hervorging (11. November 1417).
Bereits im Jahre 1415 hatte das Konzil auch in der Glaubensfrage entschieden. Nach einem förmlichen Prozessverfahren war Johannes Hus als Ketzer verurteilt und trotz des von König Sigmund zugesicherten freien Geleits auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
Hatte das Konzil - wenigstens in den Augen der meisten Mitwirkenden - die beiden ersten Aufgaben zufriedenstellend gelöst, so beschränkten sich die Ergebnisse der in Aussicht gestellten Kirchenreformen auf wenige verwaltungsrechtliche Zugeständnisse des Papstes. Obwohl das Konzil den Papst durch einen förmlichen Beschluss (Dekret »Frequens«) dazu verpflichtete, auch in Zukunft in regelmäßigen Abständen Konzilien einzuberufen, hat sich in der Folgezeit (Konzil von Basel) der konziliare Gedanke einer Überordnung des Konzils über den Papst gegen den päpstlichen Primatsanspruch nicht durchgesetzt.
Universal-Lexikon. 2012.