Rio Grande do Sul
['rriu 'grandi du 'sul; portugiesisch »großer Fluss des Südens«], der südlichste Bundesstaat Brasiliens, 282 062 km2, (1996) 9,63 Mio. Einwohner (etwa 30 % der Bevölkerung sind deutsch-stämmig); Hauptstadt ist Pôrto Alegre. Der Staat liegt auf der Südabdachung des Brasilianischen Berglands. Das aus triassischen Sandsteinen mit vulkanischen Trappdecken aufgebaute Plateau (600-900 m über dem Meeresspiegel) im Norden fällt in Steilstufen zur Küstenebene und nach Süden, zum Rio Jacuí, ab. Dessen Tal ist ein wichtiges Agrargebiet Brasiliens (v. a. Reisanbau; erschlossen von portugiesischen Siedlern). Der Süden des Staates wird von einem kristallinen Hügelland (bis 500 m über dem Meeresspiegel) eingenommen. Die Küstenebene ist durch Lagunen (v. a. Lagoa dos Patos, drei Viertel der Fläche der Lagoa Mirim) und Nehrungen charakterisiert. In der Vegetation überwiegen - sofern nicht vernichtet - baumloses subtropisches Grasland und Araukarienwälder, an den Steilstufen des Plateaus im Norden und am oberen Uruguay finden sich subtropische Feuchtwälder. Bergbauprodukte sind Steinkohle (bei São Jerônimo), Kupfer-, auch Eisen-, Blei-, Wolfram- und Zinnerze sowie Edelsteine. Führend unter den brasilianischen Staaten ist R. G. do S. in der Erzeugung von Reis, Weizen, Mais, Maniok, Sojabohnen (v. a. für den Export), Zwiebeln, Tabak und Wein sowie in der Viehwirtschaft. Wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Landwirtschaft haben deutsche (seit 1824) und italienische Einwanderer (seit 1875) und deren Nachkommen (v. a. auf dem Plateau). In der Campanha des Südens Rinderzucht im Großgrundbesitz (Gauchos als Hirten) sowie Schafzucht; in den Kleinbetrieben (Minifundien) im Südosten und Norden Schweinezucht. Bedeutung hat auch die Fischerei. Die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten bildet den wichtigsten Zweig der von den deutschen Einwanderern stark beeinflussten Industrie; Nôvo Hamburgo ist das Zentrum der brasilianischen Leder- und Schuhindustrie. Der wichtigste Hafen ist Rio Grande.
Die ersten Siedlungen in R. G. do S. waren Indianerreduktionen im Nordwesten und Südwesten des Landes, die Anfang des 17. Jahrhunderts von Jesuiten aus Paraguay angelegt und um 1640 aufgegeben wurden, weil sie gegen die Sklavenjäger aus São Paulo nicht geschützt werden konnten. Die Grenzen des heutigen Staates wurden nach Auseinandersetzungen mit Argentinien (1827) und Paraguay (1865-70) festgelegt; separatistische Revolten gegen die Zentralregierung (1835-40, 1892-94) bedrohten die Eingliederung in den brasilianischen Staatsverband. - Bis ins 19. Jahrhundert waren nur die Küste und die baumfreien Gebiete des Innern (Campos limpos) besiedelt. Die ab 1824 stark einsetzende deutsche Einwanderung führte zur Erschließung der Waldzone an den Südhängen der Serra Geral und des Tals des Rio Jacuí.
L. Waibel: Die europ. Kolonisation Südbrasiliens (1955);
D. von Delhaes-Guenther: Industrialisierung in Südbrasilien. Die dt. Einwanderung u. die Anfänge der Industrialisierung in R. G. do S. (1973);
Universal-Lexikon. 2012.