Wiener Walzer,
in den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts hauptsächlich von den Komponisten und Kapellenleitern Josef Lanner (1801-1843) und Johann Strauß Vater (1804-1849) in Wien entwickelter Walzertyp (Walzer), der zur beherrschenden Erscheinungsform der Tanz- und Unterhaltungsmusik im Europa des 19. Jahrhunderts geworden ist. Dabei handelte es sich um eine musikalisch geschlossene, durch Introduktion und Coda umrahmte Folge von fünf Einzelwalzern (Walzerkette), die aus je zwei kontrastierenden sechzehntaktigen Teilen aufgebaut waren, deren erster unter Umständen auch wiederholt und so die zweiteilige zur dreiteiligen Form erweitert werden konnte (AB oder ABA). Vorbild dafür war Carl Maria v. Webers (1786-1826) »Aufforderung zum Tanz« (op. 65) aus dem Jahre 1819, das dem formalen Aufbau des Wiener Walzers die Vorlage lieferte. Das typisch »wienerische« Idiom im Melodieduktus ging auf Eigentümlichkeiten der bayrisch-österreichischen Volksmusik zurück, an deren verschiedenartigen Drehtänzen im 3/4-Metrum (Steirer, Dreher, Schuhplattler) schon Michael Pamer (1782-1827) mit seinen mit zwei Violinen, Streichbass und chromatischer Harmonika besetzten Quartett-Walzern, einem Vorläufer des Wiener Walzers, angeknüpft hatte. Er war es auch, der die standardisierte Begleitformel des Wiener Walzers mit Grundton auf dem ersten, Quartsextakkord auf dem zweiten und dritten Viertel aufgebracht hatte. Als Folge einer wachsenden Tanzbegeisterung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, die riesige Tanzetablissements in Wien entstehen ließ, trat an die Stelle des Quartetts (später auch Sextett- und Septettbesetzungen) im Wiener Walzer dann der große Orchesterapparat, sodass in ihm volksmusikalische Tanzmusiktraditionen mit den Traditionen der sinfonischen Musik in Orchesterbehandlung und Satzweise zusammenliefen. Von Johann Strauß Sohn (1825-1899) ist das schließlich auf eine künstlerische Höhe geführt worden, die ihm mit Gastspielen in ganz Europa und selbst in den USA schon zu Lebzeiten Weltgeltung und den Beinamen »Walzerkönig« einbrachte. In seinen Kompositionen stehen die zu einem Walzer gehörenden Einzelwalzer untereinander in einem musikalisch-thematischen Zusammenhang, dem eine Art poetisches Programm, das im Titel vorgegeben ist, zugrunde liegt. Die bekanntesten Beispiele dafür und zugleich klassisch gewordene Zeugnisse des Wiener Walzers insgesamt aus seinem Schaffen sind »An der schönen blauen Donau« (op. 314; 1867), »Frühlingsstimmen« (op. 140; 1882) und der »Kaiserwalzer« (op. 437; 1888).
Universal-Lexikon. 2012.