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Yi-jing
Yi-jing
 
[ɪdʒɪȖ; chinesisch »Buch der Wandlungen«], I-ching, I Ging, chinesisches Wahrsagebuch, das in seinen Anfängen bis auf die Wende vom 2. zum 1. Jahrtausend v. Chr. zurückgeht und möglicherweise Vorgänger in früheren Dynastien besaß. Basis des Buches bildet die Konzeption von 64 Grundsituationen, die mithilfe von 50 Schafgarbenstängeln nach einem komplizierten Auszählungsverfahren (Schafgarbenorakel) im jeweiligen Einzelfall ermittelt werden. Diese Grundsituationen wurden später durch 64 (26) »Hexagramme«, die sich aus jeweils sechs durchgezogenen oder gebrochenen Strichen zusammensetzten, symbolisch repräsentiert, wobei der durchgezogene als »männliche« Yang-, der gebrochene als »weibliche« Yin-Strich galt (Yin und Yang). Der Kerngedanke des Orakelsystems besteht darin, dass alle 64 Grundsituationen nicht als starr, sondern stets als sich in eine andere Grundsituation »wandelnd« aufgefasst werden, was durch die Verkehrung eines oder mehrerer Yang- beziehungsweise Yin-Striche in ihr Gegenteil dargestellt wird. Die 64 ursprünglichen Orakelsprüche wurden schon früh durch 384 (64 mal 6) Sprüche ergänzt, die sich auf die einzelnen in Bewegung befindlichen Striche bezogen, und ferner mit zahllosen Kommentaren versehen, von denen die ältesten, die »Zehn Flügel«, dem Grundbestand des Werkes zugerechnet wurden. Darunter ist auch der »Große Kommentar«, in dem als Begründung für das Buch eine Art Ontologie im weitesten Sinn entworfen wird, die den Übergang von der Mantik zur Philosophie in der Auffassung des Buches markiert. Das Yi-jing wurde zum ersten und wichtigsten der »Kanonischen Bücher« und bildete über alle Schulen hinweg in vieler Hinsicht die Basis von Philosophie, Psychologie, zum Teil auch von Geschichtsdeutung und Naturwissenschaft in China. Die Entdeckung eines Manuskripts des Yi-jing 1973 in einem 168 v. Chr. geschlossenen Grab bei Mawangdui (Provinz Hunan) mit zahlreichen abweichenden Schriftzeichen ist ein Beleg für die ursprüngliche Ungefestigtheit des überlieferten Textes. Trotzdem erlangte das Buch (nachdem schon C. G. Jung in ihm die Bestätigung für seine »Archetypen« gesehen hatte) in der vorliegenden Form während der letzten Jahrzehnte auch im Westen eine große Popularität, die sich in einer Vielzahl oft stark spekulativer Publikationen niederschlug.
 
Ausgaben: I-ging. Das Buch der Wandlungen, übersetzt von R. Wilhelm (221995); I-ging. Text und Materialien, herausgegeben von demselben (Neuausgabe (1998).
 
Literatur:
 
Gerhard Schmitt: Sprüche der »Wandlungen« auf ihrem geistesgeschichtl. Hintergrund (Berlin-Ost 1970);
 J. K. Shchutskii: Researches on the I Ching (a. d. Russ., Neuausg. London 1980);
 R. A. Kunst: The original »Yijing« (Diss. Berkeley, Calif., 1985, mit Übers.);
 H. Wilhelm: Die Wandlung (Neuausg. 1985);
 H. Wilhelm: Sinn des I-ging (91995);
 C. G. Jung: Synchronizität, Akausalität u. Okkultismus (Neuausg. 1990);
 M. Secter: Das I-ging-Hb. (a. d. Amerikan., 21991);
 
Erfahrungen mit dem I-ging, hg. v. U. Diederichs (51996).

Universal-Lexikon. 2012.