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neulateinische Sprache
neulateinische Sprache,
 
Neulatein, Bezeichnung für die lateinische Sprache der Neuzeit. Die Ablehnung des scholastischen Lateins und schließlich des gesamten, angeblich barbarischen Mittellateins seit dem 14. Jahrhundert durch F. Petrarca, C. Salutati und andere Humanisten (in Deutschland v. a. in den Epistolae obscurorum virorum) war mit der Hinwendung zu den klassischen Autoren, besonders Cicero, als stilistisches Vorbild verbunden. Trotz der puristischen Bestrebungen und klassizistischer Sprachfähigkeit setzten neulateinische Verfasser bisweilen mittellateinischer Eigentümlichkeiten fort (z. B. mit antik nicht belegtem surdere »taub sein«, adjektivischem statt adverbiellem extrinsecus und intrinsecus, mit der Vertauschung der Pronomina suus und eius oder der noch lange verbreiteten Schreibung mit »e caudata« statt der Diphthonge ae und oe, z. B. celum statt coelum oder caelum, »Himmel«). Besonders in den Fachsprachen (Rechtswissenschaft, Medizin, Philosophie, Theologie) herrschte eine bemerkenswerte lexikalische Kontinuität vor. Die Gelehrten pflegten das Neulatein als internationales Verständigungsmittel; bis ins 18. Jahrhundert erschienen die meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen in neulateinischer Sprache, wobei zahlreiche Neologismen das Vokabular beträchtlich erweiterten. Aber auch im akademischen Unterricht und in der Literatur behauptete sich das Lateinische in Europa als gemeinsame Zweitsprache noch bis ins 18. Jahrhundert
 
Seine einstige umfassende Bedeutung hat das Latein zwar eingebüßt, doch werden auch heute noch Dissertationen zum Teil in Latein verfasst, und viele Wissenschaften prägen neue Begriffe ganz oder teilweise mithilfe lateinischer Wortstämme (z. B. Kontaktlinse, Sanatorium, Supraleitung); dabei unterlaufen auch fehlerhafte Bildungen wie Exponat (anstelle von Expositum, zum Partizip Perfekt von exponere). Die katholische Kirche hält am Latein als offizieller Sprache fest; die Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles werden lateinisch abgefasst. Zahlreiche Neuprägungen (z. B. pilula anticonceptiva »Antibabypille« oder textus televisificus »Videotext«) sollen die Eignung der neulateinischen Literatur als ein modernes, übernationales Kommunikationsmittel sichern. Auch Kongresse »Pour le latin vivant« finden regelmäßig statt.
 
Literatur:
 
J. IJsewijn: Companion to neolatin studies (Amsterdam 1977);
 J. IJsewijn: Mittelalterl. Latein u. Humanistenlatein, in: Die Rezeption der Antike, hg. v. A. Buck (1981);
 C. Helfer: Lexicon auxiliare (Neuausg. 1985).
 
Zeitschriften: Societas Latina (1932 ff.);
 
Vox Latina (1965 ff.).

Universal-Lexikon. 2012.