Ge|schlẹchts|be|stim|mung, die:
Bestimmung des ↑ Geschlechts (1 a):
pränatale G.
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I Geschlechtsbestimmung,
1) die Festlegung des biologischen Geschlechts eines Individuums. Eine genotypische Geschlechtsbestimmung liegt vor, wenn das Geschlecht bereits bei der Befruchtung durch die dabei zusammenkommenden Geschlechtschromosomen festgelegt wird, in denen sich geschlechtsbestimmende Gene befinden. Im Falle des Menschen wie bei fast allen Säugetieren haben die Eizellen ein X-Chromosom und die Spermien entweder ein X- oder ein Y-Chromosom, sodass Letztere geschlechtsbestimmend sind. So ist es auch bei den zweihäusigen Samenpflanzen, bei denen es männliche und weibliche Pflanzen gibt. Bei den Vögeln, Kriechtieren und vielen Fischen ist es umgekehrt: die Spermien besitzen alle ein X-Chromosom, die Eizellen hingegen ein X- oder Y-Chromosom, da die Weibchen (XY) hier heterogamet und die Männchen (XX) homogamet sind. Es gibt im Tierreich noch weitere Typen sowie in vielen Tierstämmen Zwitter. Da trotz der Geschlechtsbestimmung durch die Geschlechtschromosomen in allen Lebewesen eine bisexuelle, zweigeschlechtliche Anlage vorliegt (der Entwicklungsbeginn ist auch beim Menschen zwittrig, Entwicklung der Geschlechtsorgane), kann es durch Veränderungen von Genen und/oder spätere Hormonstörungen zu Fehlbildungen kommen (Hermaphroditismus, Intersexualität).
Da die Keimzellen mit X- und Y-Chromosomen immer im Verhältnis 1:1 gebildet werden, sollten gleich viel Jungen wie Mädchen geboren werden. Tatsächlich kommen aber auf 100 Mädchengeburten etwa 105 bis 106 Jungen, die Zahl der männlichen Feten ist sogar noch höher. Ursache dafür sind die beweglicheren, »leichteren« Y-tragenden Spermien, die daher öfter zur Befruchtung kommen; andererseits ist jedoch die Sterblichkeit der männlichen Feten und Säuglinge höher als die der weiblichen.
Eine phänotypische Geschlechtsbestimmung liegt vor, wenn andere als genetische Faktoren für die Entwicklung des Geschlechts maßgeblich sind, so z. B. die Umgebungstemperatur bei der Entwicklung, die Art der Nahrung, der Ernährungszustand, das Alter, die Anwesenheit von anderen Weibchen oder Männchen usw. oder, wie in den zwittrigen Blüten der meisten Samenpflanzen, die Lage der einzelnen Organe.
2) Die Feststellung des biologischen Geschlechts einer Person, z. B. bei Vorliegen unklarer anatomischer Verhältnisse bei einem neugeborenen Kind (Intersexualität, Hermaphroditismus) durch Chromosomenanalyse oder einfacher, wie bei sportlichen Meisterschaften, durch das Geschlechtschromatin.
II
Geschlechtsbestimmung,
1) die Geschlechtsdiagnose.
2) Geschlechtsdetermination, die in der Regel irreversible Festlegung des Geschlechts eines Organismus durch Faktoren, die die bei allen diözischen Organismen als latent vermutete bisexuelle Potenz zum männlichen oder weiblichen Geschlecht hin beeinflussen. Die Gesamtheit aller Gene, die für die Ausdifferenzierung des weiblichen Geschlechts zuständig sind, wird als G-Komplex (Gyno-Komplex, G-Gene), diejenige für die männliche Entwicklung als A-Komplex (Andro-Komplex, A-Gene) bezeichnet. Man vermutet, dass sowohl A- als auch G-Gene in jedem Individuum gleichermaßen vorhanden sind (AG-Komplex), jedoch im Rahmen der Geschlechtsbestimmung durch die Einwirkung bestimmter Faktoren alternativ oder selektiv aktiviert werden. Diese nur zum Teil bekannten Faktoren werden als Geschlechtsrealisatoren (M für männlich; F für weiblich) bezeichnet. Sie sind meist Gene, die den Individuen im Rahmen der geschlechtlichen Fortpflanzung mit den Geschlechtschromosomen unterschiedlich zugeteilt werden. In diesem Fall liegt eine genotypische Geschlechtsbestimmung vor. Werden die für die Geschlechtsbestimmung zuständigen Gene erst unter dem Einfluss von Umweltfaktoren wirksam, liegt eine phänotypische Geschlechtsbestimmung (modifikatorische Geschlechtsbestimmung) vor.
Je nachdem, ob die haploide oder die diploide Phase eines Individuums geschlechtlich geprägt wird, unterscheidet man bei der genotypischen Geschlechtsbestimmung zwei Typen: Bei der diplogenotypischen Geschlechtsbestimmung wird das Geschlecht mit der Bildung der Zygote festgelegt und damit die diploide Phase eines Lebewesens sexuell bestimmt. Sie kommt vor bei vielen Metazoen (u. a. dem Menschen) und bei Blütenpflanzen. In der Regel sind zwei Geschlechtschromosomen unterschiedlicher Größe beteiligt, das kleinere wird als Y- und das größere als X-Chromosom bezeichnet. Beim so genannten XY-Typ (z. B. Mensch, die Taufliege Drosophila, einige Blütenpflanzen) ist das männliche Geschlecht durch die Chromosomenkombination XY, das weibliche durch XX gekennzeichnet. Beim selteneren X0-Typ (z. B. bei Wanzen, vielen Fadenwürmern) besitzt das Männchen ein einzelnes X-Chromosom, das Weibchen XX, der diploide Chromosomensatz des Männchens ist ungerade. Manche Arten weisen sogar multiple Geschlechtschromosomen auf, wobei Verbände verschiedener X-, seltener auch Y-Chromosomen eine gemeinsame geschlechtsbestimmende Gruppe bilden. Meist bildet (sowohl beim XY- als auch beim X0-Typ) das männliche Geschlecht zwei Arten von Gameten, Männchen und Weibchen bestimmende Samenzellen (es ist heterogametisch), das Weibchen hingegen ist homogametisch; bei Vögeln, einigen Fischen und Pflanzen ist jedoch das weibliche Geschlecht heterogametisch. Bei den Geschlechtsrealisatoren können hinsichtlich ihrer Lage und Stärke verschiedene Typen unterschieden werden. Der Mensch zählt zum so genannten Melandrium-Typ (Lichtnelken-Typ): Der männliche Realisator (M) liegt auf dem Y-Chromosom und ist dominant. - Bei der haplogenotypischen Geschlechtsbestimmung ist nur die haploide Phase geschlechtlich geprägt. Die Geschlechtszellen mit halbem Chromosomensatz erhalten entweder durch männliche oder durch weibliche Geschlechtsrealisatoren männlicher oder weiblicher Tendenz, z. B. bei diplohaplontischen Algen, Pilzen und Moosen. - Bei Hautflüglern verbreitet ist die haplodiploide Geschlechtsbestimmung, bei der sich die Weibchen immer aus befruchteten (diploiden) Eiern entwickeln und die Männchen aus unbefruchteten (haploiden) Eiern (Honigbiene).
Die phänotypische Geschlechtsbestimmung kommt u. a. bei vielen wirbellosen Tieren, bei Algen sowie zwittrigen und einhäusigen Blütenpflanzen vor. Vollzieht sich dieser Vorgang an haploiden Zellen, liegt haplophänotypische Geschlechtsbestimmung vor, so bei vielen Algen, Pilzen, einigen Moosen und Farnen. Die diplophänotypische Geschlechtsbestimmung wird an diploiden Zellen bei zwittrigen Samenpflanzen und Tieren beobachtet. Z. B. entwickeln sich bei dem Igelwurm Bonellia die Larven nur dann zu Männchen, wenn sie sich eine bestimmte Zeit am Rüssel eines erwachsenen Weibchens festgesetzt haben; die Geschlechtsbestimmung wird durch vom Weibchen abgegebene Stoffe ausgelöst. Fallen sie vorzeitig ab, bilden sich Intersexe, bleiben die Larven ohne Kontakt zu einem Weibchen, wachsen sie selbst zu Weibchen heran. Bei manchen Reptilien (z. B. Alligator, Schildkröten) ist die während der Embryonalentwicklung herrschende Temperatur geschlechtsbestimmend.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Geschlechtschromosomen · Geschlechtsdifferenzierung · Geschlechtsumwandlung
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Ge|schlẹchts|be|stim|mung, die: a) (Biol.) Festlegung des Geschlechts (1 a) eines Organismus durch bestimmte Faktoren; b) Feststellung des Geschlechts bei einem Individuum.
Universal-Lexikon. 2012.