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Reptilien
Reptili|en
 
[französisch reptile, von spätlateinisch reptile, zu reptilis »kriechend«, zu lateinisch repere »kriechen«], Singular Reptil das, -s, Kriechtiere, Reptilia, Klasse der Wirbeltiere mit den heute lebenden Ordnungen Schildkröten, Krokodile, Brückenechsen und Schuppenkriechtiere (Echsen und Schlangen). Körperbau, Größe und Lebensweise sind sehr unterschiedlich. Meist sind vier Gliedmaßen ausgebildet, die jedoch vollständig zurückgebildet sein können (z. B. bei Schlangen, einigen Echsen). Vorder- und Hinterextremitäten tragen normalerweise fünf Zehen. Die Haut ist drüsenarm und mit Hornschuppen oder -schilden bedeckt, die von Knochenplatten unterlegt sein können. Die Körpertemperatur entspricht, bis auf wenige Ausnahmen (z. B. bei Waranen, Pythonschlangen), der Umgebungstemperatur und wird hauptsächlich durch angepasstes Verhalten (Aufwärmen in der Sonne, Abkühlen im Schatten oder Wasser bei großer Hitze) reguliert. In gemäßigten Breiten wird der Winter oft in Kältestarre überdauert. Die Atmung erfolgt durch Lungen, das Herz besteht aus zwei Vorkammern und einer Hauptkammer, die durch ein Septum teilweise oder vollständig (nur bei Krokodilen) geteilt sein kann. Nieren, Darm und Geschlechtsorgane münden in einen gemeinsamen Ausführungsgang (»Kloake«). Bei allen Männchen (außer den Brückenechsen) ist ein Begattungsorgan ausgebildet. Die Fortpflanzung erfolgt durch Eier, die an Land abgelegt werden und aus denen voll entwickelte Jungtiere schlüpfen. Die Brutpflege reicht vom einfachen Aufsuchen eines geeigneten Eiablageplatzes über Vergraben der Eier (z. B. Schildkröten), Bewachen der Gelege (z. B. Krokodile), Bebrüten der Eier (Pythonschlangen) bis zum Führen der Jungtiere (Krokodile). Manche Echsen und Schlangen (z. B. Waldeidechse) halten die Eier bis zum Schlüpfen der Jungen zurück (»Ovoviviparie«), sodass diese lebend geboren werden. Bei einigen Skinken ist sogar eine plazentaartige Struktur ausgebildet, die eine direkte Ernährung der Jungen im Mutterleib bis zur Geburt ermöglicht.
 
Stammesgeschichte:
 
Die Reptilien nehmen in der Evolution der Wirbeltiere eine zentrale Stellung ein: Von einigen Vertretern wie den Mosasauriern abgesehen, die sich sekundär an das Leben im Wasser gewöhnt hatten, lebten die Reptilien als erste Tiergruppe vollständig auf dem Festland, dem sie u. a. durch Ausbildung von Eiern mit fester poröser Schale und einer Embryonalhülle (Amnion), durch wechselwarme Körpertemperatur, Lungenatmung, Schuppenhaut, Hornskelett angepasst waren. Die Reptilien lassen sich aus urtümlichen Amphibien (Labyrinthodontia) ableiten, sie traten erstmals im Karbon, nach neuen Funden in Nova Scotia (Kanada) schon im Unterkarbon auf. Die Schildkröten stellen wahrscheinlich einen früh abgespaltenen Seitenzweig dar. Aus den ersten Reptilien (Stammreptilien oder Cotylosauria) gingen über die Eosuchia (neben primitiven eidechsenartigen Formen spezialisierte aquatische und marine Vertreter, auch Gleitflieger; Karbon/Perm) zu Beginn des Perm die Hauptgruppen der Reptilien hervor: Lepidosaurier (heutige Vertreter die Schuppenkriechtiere mit den Echsen und Schlangen sowie die Rhynchocephalia mit der Brückenechse), Archosaurier (die zusammenfassend als Dinosaurier bezeichneten Saurischier und Ornithischier, die Thecodontia, die Flugsaurier und heute noch die Krokodile), Sauropterygia, Placodontia (Placodus) und Ichthyosaurier. Eine andere Entwicklungslinie führte über die Synapsida, die säugetierähnlichen Reptilien (Pelycosauria und Therapsida), zu den Säugetieren. Nach der ersten großen Verzweigung im Oberkarbon/Perm entwickelten sich die Reptilien v. a. im Oberperm (Cotylosauria), in der Trias (Entfaltung der Thecodontia und Placodontia) und vom Malm bis zur Kreide (Archosaurier mit zum Teil riesenhaften Formen, den Sauriern). Aus den Thecodontia gingen im Oberen Jura die Vögel hervor. Ende der Kreide starb ein Großteil der Reptilien aus (v. a. Ichthyosaurier, Dinosaurier, Flugsaurier und Plesiosaurier; Ursache umstritten, Dinosaurier). Im Tertiär folgte schließlich die Entfaltung der Schlangen, Echsen und Krokodile.
 
Literatur:
 
Hb. der Paläoherpetologie, begr. v. O. Kuhn, auf 19 Tle. ber. (1969 ff.);
 D. Starck: Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere, 3 Bde. (1978-82);
 
Grzimeks Tierleben, hg. v. B. Grzimek, Bd. 6: Kriechtiere (Neuausg. Zürich 1984);
 
Lex. der Terraristik u. Herpetologie, Beitrr. v. F. J. Obst u. a. (1984);
 Arno H. Müller: Lb. der Paläozoologie, Bd. 3: Vertebraten, Tl. 2: Reptilien u. Vögel (Jena 21985),
 M. Sander: R. (1994);
 
Die Amphibien u. R. Dtl.s, hg. v. R. Günther (1996).
 

Universal-Lexikon. 2012.