Dritte Welt,
Bezeichnung, die 1949 für jene Länder geprägt wurde, die im Kalten Krieg als blockfreie Staaten eine Politik der Bündnisfreiheit zwischen den Militärblöcken der westlichen (parlamentarisch-demokratischen, marktwirtschaftlichen) und östlichen (kommunistischen, planwirtschaftlichen) Staatenwelt (»erste« und »zweite« Welt) betrieben, z. B. Ägypten, Indien, Indonesien, Jugoslawien. Der ursprünglich bündnispolitische Sinn wurde in den 60er-Jahren, als die Unterschiede der wirtschaftlichen Entwicklung in den internationalen Beziehungen an Bedeutung gewannen, immer stärker von der entwicklungspolitischen Komponente überlagert. Heute dient Dritte Welt häufig als Bezeichnung für die Gesamtheit der wirtschaftlich und sozial unterentwickelten (gemessen am Standard der industriell hoch entwickelten Länder) Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas (Entwicklungsländer), während die Begriffe »erste« und »zweite« Welt kaum gebräuchlich sind.
Die Dritte Welt besteht aus strukturell heterogenen Ländern von höchst unterschiedlicher ökonomischer, politischer, kultureller und ethnischer Art, die sich zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen und politischen Ziele gegenüber den westlichen Industriestaaten solidarisiert und in Aktionsbündnissen lose organisiert haben. Zum ersten Mal traten die Staaten der Dritten Welt 1955 auf der Bandungkonferenz hervor; ihre entwicklungspolitischen Anliegen vertreten sie seit 1964 gemeinsam als Gruppe der 77. Der wirtschaftliche und soziale Kontrast zwischen den Ländern der Dritten Welt und den Industriestaaten manifestiert sich seit etwa Mitte der 70er-Jahre im Nord-Süd-Konflikt. Im letzten Jahrzehnt haben die Unterschiede zwischen den Staaten der Dritten Welt erheblich zugenommen, sodass von internationalen Organisationen v. a. unter entwicklungspolitischem Aspekt eine Untergliederung in einzelne Staatengruppen vorgenommen wird, z. B. Erdölexportländer, Schwellenländer, ärmste Entwicklungsländer (Vierte Welt), geographisch benachteiligte Binnenländer und Inseln.
Angesichts wachsender globaler Probleme (Umweltverschmutzung, Überbevölkerung, Hunger, Armut, Schutz der natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen), die weltweit koordinierte Maßnahmen erfordern, wird die in der Bezeichnung Dritte Welt manifestierte Teilung der Welt zunehmend kritisiert. Der neuerdings häufig verwendete Begriff »Eine Welt« soll die gegenseitigen Abhängigkeiten im weltweiten Entwicklungsprozess sowie die Notwendigkeit eines Politikdialogs und globaler Umweltpartnerschaft stärker hervorheben.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Entwicklungshilfe · Entwicklungspolitik · Schuldenkrise · Weltwirtschaft
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Entkolonialisierung: Das Ende der Kolonialherrschaft und die Bewegung der Blockfreien
Dritte Welt: Ursachen der Unterentwicklung
Dritte Welt: Wirtschaftliche Auseinanderentwicklung und Demokratisierung
Kirchen in der Dritten Welt: Kinder werden erwachsen
Universal-Lexikon. 2012.