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Ägypten
Ägỵp|ten; -s:
arabischer Staat in Nordostafrika.

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Ägỵpten,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 1 001 449 km2
 
Einwohner: (2000) 68,4 Mio.
 
Hauptstadt: Kairo
 
Amtssprache: Arabisch
 
Nationalfeiertage: 23. 7. und 6. 10.
 
Währung: 1 Ägyptisches Pfund (ägypt£) = 100 Piaster (PT) = 1 000 Millieme.
 
Zeitzone: 1300 Kairo = 1200 MEZ
 
arabisch Misr, amtlich Djumhurịjjat Misr al-Arabịjja [dʒum-], deutsch Arabische Republik Ägypten (Der alte einheimische Name war Kemt, »das Schwarze«, nach der Farbe des Nilschlamms), Staat im äußersten Nordosten des afrikanischen Kontinents; erstreckt sich von der Mittelmeerküste 1 063 km weit nach Süden und grenzt im Osten an das Rote Meer. Im Nordosten umfasst es noch die zu Vorderasien gehörende Halbinsel Sinai. Von der Gesamtfläche von rd. 1 Mio. km2 sind nur 3,5 % (35 580 km2) Kulturland, nämlich Niltal, Nildelta und Oasen; hier leben 98 % der (2000) 68,4 Mio. Einwohner. Hauptstadt ist Kairo, Amtssprache Arabisch. Währung: 1 Ägyptisches Pfund (ägypt£) = 100 Piaster (PT) = 1 000 Millieme. Zeitzone: Osteuropische Zeit (1300 Kairo = 1200 MEZ).
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Nach der Verfassung vom 11. 9. 1971 (mit Änderungen von 1980) ist Ägypten eine präsidiale Republik. Staatsoberhaupt, Inhaber der Regierungsgewalt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der vom Parlament nominierte und durch Volksentscheid für 6 Jahre bestätigte Präsident (Wiederwahl möglich). Er bestimmt die Richtlinien der Politik und ernennt die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten, die Gouverneure, hohen Richter und Offiziere. Er verkündet die Gesetze und hat das Recht, Dekrete zu erlassen. Er kann das Abgeordnetenhaus nach einem zustimmenden Referendum auflösen. Der Ministerpräsident ist dem Präsidenten verantwortlich, das Kabinett auch dem Abgeordnetenhaus. Legislativorgan ist die Nationalversammlung (Rat des Volkes) mit 444 für 5 Jahre direkt gewählten und 10 vom Präsidenten ernannten Abgeordneten. Der Schura-Rat (241 Mitglieder, davon 1/3 vom Präsidenten ernannt) ist ein Beratungsorgan.
 
Parteien:
 
Mit der Modifizierung des Parteiengesetzes von 1977 wurde 1979 ein Mehrparteiensystem legalisiert. Einflussreichste Kraft ist die National-Demokratische Partei (NDP), die Opposition gruppiert sich v. a. um die Neue Wafd-Partei, die Partei der Liberalen, die Sozialistische Partei der Arbeit und die nicht legalisierte Muslimbruderschaft.
 
Gewerkschaften:
 
Die Egyptian Trade Union Federation ist Dachverband von 23 Einzelgewerkschaften.
 
Wappen:
 
Das Wappen (4. 10. 1984) zeigt den Saladinadler mit Brustschild auf einer Schrifttafel mit arabischer Inschrift (deutsch »Arabische Republik Ägypten«).
 
Nationalfeiertage:
 
Nationalfeiertage sind der 23. 7. (Staatsstreich General Nagibs 1952) und der 6. 10. (Tag der Streitkräfte).
 
Verwaltung:
 
Ägypten ist in 26 Governorate mit beschränkter Selbstverwaltung gegliedert, an deren Spitze jeweils ein Gouverneur steht, der vom Staatspräsidenten ernannt und entlassen wird.
 
Recht:
 
Die ägyptische Rechtsordnung wurde stark von französischem Recht beeinflusst, besonders das Zivilgesetzbuch (in Kraft seit 1949). Die geistliche Gerichtsbarkeit (Ulema) wurde 1956 beseitigt und eine einheitliche Rechtsprechung eingeführt. Der Gerichtsaufbau ist dreistufig. Seit 1969 besteht ein Verfassungsgericht. Die Verfassung von 1971 mit der Änderung von 1980 bestimmte jedoch die Scharia (islamisches Recht) zur Hauptquelle der Gesetzgebung.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke beträgt 420 000 Mann, davon 250 000 durch Auswahlverfahren rekrutierte Wehrpflichtige mit dreijähriger Dienstzeit. Das Heer verfügt über vier Panzer-, drei Infanterie- und fünf mechanisierte Infanteriedivisionen sowie mehrere selbstständige Brigaden mit zusammen 300 000 Mann. Die Luftwaffe hat 25 000, die Marine 16 000 Soldaten. Eine eigene, verhältnismäßig starke Teilstreitkraft ist das Luftverteidigungskommando mit 80 000 Mann. Paramilitärische Kräfte (u. a. Nationalgarde und Küstenwache): etwa 300 000 Mann.
 
Die Ausrüstung umfasst im Wesentlichen 2 700 Kampfpanzer (neben den älteren sowjetischen Modellen T-54/-55 und T-62, die schrittweise ausgemustert werden, die amerikanischen Typen M-60 und M-1), 440 Kampfflugzeuge, einen Zerstörer, 6 Fregatten und 4 U-Boote. - Etwa 10 % der Staatsausgaben werden für die Verteidigung ausgegeben. Zusätzlich erhält das Land eine US-Militärhilfe von jährlich rd. 1,3 Mrd. US-$.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Ägypten liegt in der nordöstlichen Sahara am unteren Nil, der die Wüste von Süden nach Norden als Fremdlingsfluss durchzieht und dessen Talabschnitte in Ober- (zwischen Assuan und Kairo einschließlich des Beckens von Faijum) und Unterägypten (das Delta) unterschieden werden. Östlich des Niltals steigt die Arabische Wüste nach Osten an und fällt dann steil zum Graben des Roten Meers und zum Golf von Suez ab. Nach Westen erstreckt sich die Libysche Wüste, eine Tafel mit kesselartigen Oasendepressionen, zum Teil unter dem Meeresspiegel gelegen (z. B. die Kattarasenke bis 137 m unter dem Meeresspiegel). Über neun Zehntel der Landesfläche sind Wüste.
 
Das eigentliche Ägypten ist die dicht besiedelte Stromoase des Nils. Die Talbreite, d. h. der durch Bewässerung kulturfähige Boden, wechselt zwischen 1 km (südlich von Assuan, wo der Untergrund aus Granit und hartem Sandstein besteht) und 20 km (im Kalksteingebiet zwischen Assiut und Kairo). Die Bewässerung des Bodens, seit Jahrtausenden durch die periodische Überschwemmung des Nils gewährleistet, erfolgt heute ganzjährig gleichmäßig dank des Hochdamms von Assuan, der den Nil zu einem der größten Stauseen der Erde (Nassersee) aufstaut. Negative Folgen dieser Regulierung für die Landwirtschaft sind v. a. das Ausbleiben des fruchtbaren Nilschlamms, der sich früher auf den Äckern ablagerte (natürliche Düngung), und die zunehmende Versalzung des Bodens wegen des gebietsweise zu hohen Wasserangebotes. Unterhalb von Kairo weitet sich mit dem Delta (rd. 24 000 km2) das Kulturland fächerförmig aus. An der Küste des Deltas liegen hinter Dünenwällen große Haffs. Rd. 90 km südwestlich von Kairo liegt in der Libyschen Wüste die durch den etwa 150 km langen Bahr Jusuf (Josefkanal) vom Nil her bewässerte Oase Faijum.
 
Klima:
 
Der Norden gehört zur südlichen Randzone des mittelmeerischen Winterregenklimas (Alexandria 192 mm, Kairo 25 mm Niederschlag jährlich), das bei Kaltlufteinbrüchen Schauer und (seltener) Fröste und Hagelfälle bis in den Süden entsenden kann. An die Wüstensteppen Nordägyptens schließt sich sehr rasch die Wüste an. Der überwiegende Teil Ägyptens zählt zu den Trockengebieten mit ganzjährig hoher Sonneneinstrahlung, aber tageszeitlich starken Temperaturschwankungen; Januarmittel in Kairo 12 ºC, in Assuan 15 ºC, Julimittel in Kairo 27 ºC, in Assuan 32 ºC. Tagesmaxima im Sommer 40-52 ºC. Im Frühjahr können heiße, trockene und mit Staub und Sand beladene Wüstenwinde (Chamsin) aus dem Süden auftreten.
 
Bevölkerung:
 
Den Hauptteil (rd. 80 %) bilden die durch Einwanderung und starke Vermischung arabisierten Nachkommen der alten Ägypter. Die Kopten gelten als die unvermischten Nachfahren; sie leben vorwiegend in Oberägypten und in den Städten. Das Arabertum findet sich am reinsten bei den (auf 70 000 geschätzten) Beduinen, die in den Wüsten als Nomaden leben und zu den sesshaften Fellachen des Niltals in starkem Gegensatz stehen. Die Nubier (mit eigener Sprache) leben v. a. im Süden des Landes; viele von ihnen wurden aus den heute im Nassersee versunkenen Gebieten in das Gebiet um Kom Ombo umgesiedelt. Eine größere Zahl lebt auch in den Städten (besonders in Kairo und Alexandria), wo sie v. a. im Dienstleistungsbereich beschäftigt sind. Ferner leben in Ägypten Griechen und Italiener (im Norden), Berber (Siwaoasen), Sudanesen. Die ägyptischen Juden (1947: 66 000) sind bis 1968 fast alle ausgewandert. Die jährliche Bevölkerungszunahme ist mit rd. 2,3 % sehr hoch.
 
Mit einer Bevölkerungsdichte von 1 040 Einwohner je km2 (bezogen auf das Kulturland, Landesdurchschnitt: 65 Einwohner je km2) gehört Ägypten zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Erde. Viele Ägypter (etwa 2-4 Mio.), v. a. mit qualifizierten Berufen, arbeiten im Ausland, besonders in den reichen arabischsprachigen Ländern. 45 % der Einwohner leben in Städten, davon etwa die Hälfte allein in den Millionenstädten Kairo, Alexandria, Giseh. Der starke Zuzug vom Land in die Städte, v. a. nach Kairo, schafft fast unlösbare Probleme.
 
Das Siedlungsbild zeigt in den Städten neben den alten arabischen Stadtkernen moderne Bauweise. Für das Niltal sind Großdörfer mit einfacher Lehmbauweise typisch, während die Beduinen auch heute noch ihre braunschwarzen Wollzelte benutzen.
 
Religion:
 
Über 90 % der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, in Oberägypten überwiegend der malikitischen, in Unterägypten der schafiitischen Rechtsschule. Der Islam ist Staatsreligion, die Verfassung garantiert jedoch die freie Religionsausübung für Christen und Juden. Hauptquelle der Gesetzgebung ist nach der Verfassung das islamische Recht. Der Obermufti, das religiöse Oberhaupt Ägyptens, wird durch die Regierung ernannt. Die Azhar-Universität gilt v. a. in den arabischen Staaten als maßgebende Autorität in Interpretationsfragen der islamischen Tradition. Die in Ägypten traditionellen zahlreichen sufitischen Bruderschaften werden von der Regierung über einen Sufi-Rat kontrolliert. Ein innenpolitisches Problem bilden seit den 70er-Jahren verschiedene militant-islamische Gruppen, die eine islamische Staats- und Gesellschaftsordnung anstreben. Seit Anfang der 90er-Jahre initiierten sie Übergriffe auf die koptische Minderheit und verübten zahlreiche Anschläge gegen ausländische Touristen.
 
Die nach unterschiedlichen nichtamtlichen Schätzungen 6-8 Mio. Kopten gehören fast ausschließlich der koptischen Kirche an. Wegen Benachteiligungen im öffentlichen Leben (v. a. im Zugang zum öffentlichen Dienst) bekennen sich jedoch weniger als 2 Mio. zu ihrer Kirchenmitgliedschaft. Seit Anfang der 90er-Jahre sind sie überdies verstärkt einem durch eine islamistische Ideologie geprägten gesellschaftlichem Druck ausgesetzt. Rd. 180 000 Kopten gehören dem mit der katholischen Kirche unierten katholisch-koptischen Patriarchat von Alexandria, rd. 100 000 der »Koptischen Evangelischen Kirche« an. Die katholische Kirche (Apostolisches Vikariat Alexandria) zählt rd. 6 700 Mitglieder. Die Zahl der überwiegend griechischsprachigen Minderheit orthodoxer Christen nahm seit Ende der 60er-Jahre stark ab.
 
Bildungswesen:
 
Bis 1991 bestand Schulpflicht für Kinder von 6 bis 12 Jahren, doch wurde sie v. a. auf dem Land nicht erreicht. Aus Mangel an Lehrern und Räumlichkeiten bei steigender Schülerzahl wurde die gesetzliche Schulzeit 1991 auf fünf Jahre verkürzt (6-11 Jahre). Auf die Grundschule folgen die Vorbereitungs- und die Sekundarschule (jeweils drei Jahre); den Abschluss des vierstufigen Systems bilden Universitäten, höhere technische Institute und Technikerschulen. Neben zahlreichen berufsbildenden Einrichtungen und Lehrerbildungsanstalten gibt es 13 Universitäten; davon befinden sich vier in Kairo (zwei staatliche, gegründet 1908 und 1950, eine amerikanische, gegründet 1919, und die islamische Azhar-Universität, gegründet 972) und je eine in Alexandria (1942), Assiut (1957), Heluan (1975), Ismailia (1976), Mansura (1972), Minia (1976), Schibin el-Kom (1976), Tanta (1972) und Zagazig (1974). Die Analphabetenquote beträgt 49,5 %.
 
Publizistik:
 
Die Presse wird durch einen staatlichen »Obersten Presserat«, gegründet 1975, überwacht. Die Chefredakteure werden vom Staatspräsidenten ernannt. Die meisten der rd. 50 Tageszeitungen und rd. 200 Wochenblätter erscheinen in Kairo, dabei auch Zeitungen in französischer, englischer, griechischer und armenischer Sprache. Die Opposition gibt eine Reihe von Tages-, Wochen-, und Monatszeitungen heraus. - Die staatliche Nachrichtenagentur »Middle East News Agency« (MENA), gegründet 1955, verbreitet Wort- und Bildmaterial in arabischer, französischer und englischer Sprache für die Inlandsmedien und im Austausch ins Ausland. - Rundfunk: Die staatliche Rundfunkgesellschaft »Egyptian Radio and Television Union«, gegründet 1928, verbreitet im Inland mit hohem Bildungsanspruch Hörfunkprogramme mit Nachrichtendiensten in 8 Sprachen, einen umfangreichen Auslandsdienst »Stimme der Araber« in über 30 fremden Sprachen, auch in Deutsch, sowie zwei Fernsehprogramme.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Ägypten ist gemessen am Pro-Kopf-Einkommen von (1997) 1 140 US-$ eines der ärmeren der afrikanischen Mittelmeerländer. Wichtigste Wirtschaftsbereiche sind Landwirtschaft, Erdölindustrie und Tourismus. Hauptprobleme der wirtschaftlichen Entwicklung sind die hohe Inflationsrate, die im Zeitraum von 1990 bis 1999 bei jährlich 8 % lag, sowie die hohe Auslandsverschuldung (1999: 30,4 Mrd. US-$). 10 % des gesamten Waren- und Dienstleistungsexports mussten für den Schuldendienst aufgewendet werden. 1999 waren 8,2 % der Erwerbstätigen arbeitslos, 35 % der Erwerbstätigen arbeiteten im Agrarbereich.
 
Landwirtschaft:
 
Ein Grundproblem der ägyptischen Landwirtschaft ist die sehr geringe Anbaufläche. 1989 waren nur 2,6 Mio. ha (= 2,6 % der Gesamtfläche) als Ackerland und Dauerkulturen ausgewiesen. Hauptanbaugebiete sind Tal und Delta des Nils sowie einige Oasen. Wichtigstes Anbau- und Ausfuhrprodukt ist Baumwolle. Ägypten ist der größte Produzent hochwertiger, langstapeliger Baumwolle. Weiterhin werden Mais, Reis, Weizen, Zuckerrohr, Gemüse und Obst (v. a. Apfelsinen und Zitronen) angebaut. Nahezu die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche wird bewässert, was erhebliche Probleme für die Wasserversorung der privaten Haushalte und der Industrie mit sich bringt. Auch der 1970 fertig gestellte Assuanhochdamm hat daran nicht viel geändert. - Die Viehhaltung (v. a. Rinder, Büffel, Schafe und Ziegen) leidet unter dem Mangel an Dauergrünland; sie wird vielfach von Nomaden betrieben. Die Nahrungsmittelproduktion reicht nicht zur Versorgung der Bevölkerung aus. So importiert Ägypten etwa 70 % seines Getreidebedarfs.
 
Fischerei:
 
Die Fischgründe in den Binnengewässern und im Mittelmeer sind erst wenig erschlossen. Hauptfanggebiete sind der Nil und seine Seitenkanäle sowie der Nassersee. Die Fangmenge belief sich 1989 auf 254 000 t; davon waren 75 % Süßwasserfische.
 
Bodenschätze:
 
Ägypten, das nicht Mitglied der OPEC ist, lag 1999 mit einer Fördermenge von 40,2 Mio. t Erdöl weltweit an 21. Stelle. Die meisten Erdölfelder liegen am und im Golf von Suez. Die bisher bekannten Lagerstätten werden in 10-20 Jahren erschöpft sein. Neben Erdöl werden Erdgas, Phosphat, Eisenerz, Buntmetalle, Manganerz und Meersalz gefördert. Weitgehend ungenutzt sind die Vorkommen von Asbest, Kaolin, Titanerz, Schwefel, Talk, Steinkohle, Uranerz.
 
Energiewirtschaft:
 
Ein Hauptproblem der wirtschaftlichen Entwicklung ist die Versorgung mit Energie. Trotz hoher Kapazitäten (z. B. Kraftwerk am Assuanhochdamm) kann der wachsende Energiebedarf, der im Zeitraum 1970-90 um jährlich 7 % zunahm, nicht gedeckt werden. Da der größte Teil des geförderten Erdöls im Land selbst verbraucht wird, könnte Ägypten in einigen Jahren zum Netto-Erdölimporteur werden.
 
Industrie:
 
Wegen seiner geringen landwirtschaftlichen Nutzfläche strebt Ägypten schon seit langem den Ausbau seiner Industrie an. Unter der Politik von Präsidenten A. as-Sadat, der eine Öffnung zum Westen anstrebte, verlagerten sich die Schwerpunkte der Wirtschaftsplanung von der Förderung Import substituierender Industriezweige hin zur Unterstützung von exportorientierten Wirtschaftsbereichen. Im Mittelpunkt stehen die Nahrungsmittel- und Textilindustrie, Metallerzeugung und -verarbeitung sowie Erdölraffinerien. Ein weiterer Schwerpunkt der Industriepolitik ist der Aufbau neuer Industriestädte in der Wüste, um die knappen landwirtschaftlichen Ressourcen und die dicht besiedelten städtischen Zentren wie Kairo und Giseh zu schonen. Schätzungsweise 40 % des privatwirtschaftlichen Produktionswertes entfallen schon auf die neuen Industriezentren.
 
Tourismus:
 
Ägypten ist nach Marokko und Tunesien das beliebteste Reiseland Afrikas. 1998 kamen 3,5 Mio. Auslandsgäste nach Ägypten, v. a. aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den arabischen Ländern. Mit Einnahmen von circa 4,1 Mrd. US-$ ist der Tourismus neben dem Erdölexport eine der wichtigsten Devisenquellen. Ägypten hat als Reiseland eine lange Tradition. Es bietet sowohl Möglichkeiten für den Erholungstourismus am Mittelmeer und am Roten Meer als auch zahllose Sehenswürdigkeiten wie die Pyramiden von Giseh und die Königsgräber bei Luxor. Jedoch reagiert der internationale Tourismus äußerst sensibel auf Vorgänge, die das Bereisen des Landes als riskant erscheinen lassen, wie etwa der Golfkrieg (1991) und Anschläge islamischer Extremisten auf ausländische Touristen.
 
Außenwirtschaft:
 
Die Außenhandelsbilanz Ägyptens ist seit Jahren stark defizitär (1999 betrug die Einfuhr 22,64 Mrd. US-$, die Ausfuhr 5,63 Mrd. US-$). Dieses Defizit kann nur zum Teil durch Überweisungen von im Ausland lebenden ägyptischen Gastarbeitern ausgeglichen werden. Erdöl und Erdölprodukte sind mit einem Anteil von 37 % wichtigste Exportgüter. Weitere Ausfuhrwaren sind Baumwolle, Fertigkleidung und Aluminium. Nahrungsmittel, v. a. Weizen, machen ein knappes Drittel der Gesamteinfuhr aus. Bedeutendste Handelspartner sind die USA, Italien, Deutschland und Frankreich.
 
Verkehr:
 
Vorwiegend Unterägypten verfügt im innerafrikanischen Vergleich über eine gut entwickelte Verkehrsinfrastruktur. Nach Süden hin nimmt die Verkehrsdichte ab. Das Eisenbahnnetz ist das älteste Afrikas; die Strecke Kairo-Alexandria wurde 1856 eröffnet. Die Hauptverbindungen des (1994) 8 600 km langen Eisenbahnnetzes laufen v. a. durch das Niltal und Nildelta. 1987 wurde in Kairo die erste Untergrundbahn Afrikas eröffnet. Das fast 30 km lange Netz soll eine Entlastung der im Autoverkehr erstickenden Stadt bringen. Die wichtigsten Verbindungen des (1996) 64 500 km langen Straßennetzes sind die sternförmig von Kairo ausgehenden Straßen nach Alexandria, Ismailia, Suez und Assuan. Südlich von Assuan gibt es meist nur unbefestigte Straßen.
 
Die Binnenschifffahrt, v. a. auf dem Nil zwischen Kairo und Alexandria sowie auf dem Ismailiakanal, bietet für Massengüter günstige Transportmöglichkeiten. Wegen seiner günstigen verkehrsgeographischen Lage hat der internationale Seeverkehr für Ägypten eine überragende Bedeutung. Der 1869 eröffnete Suezkanal ist nicht nur verkehrs- und finanzpolitisch, sondern auch strategisch von größter Bedeutung (die Einnahmen aus dem Kanalbetrieb betragen rund 10 % des BIP). Wichtigste Seehäfen sind Alexandria, Port Said und Suez. Die 320 km lange Sumed-Pipeline verbindet den Golf von Suez mit Alexandria.
 
Neben den internationalen Flughäfen von Kairo, Alexandria und Luxor sind die weiteren Flughäfen von Port Said, Assuan und Abu Simbel für den Inlandverkehr von Bedeutung. Nationale Fluggesellschaft ist die Egypt Air.
 
 
 
Funde aus der frühen Altsteinzeit sind in Ägypten bisher nur vereinzelt zutage getreten. Sichere Siedlungsspuren, die die aus dem Süden vorgedrungene Kultur des Acheuléen repräsentieren, stammen aus den höheren Nilterrassen Oberägyptens. Weiter verbreitet sind Kulturreste des Mittelpaläolithikums (Moustérien und Atérien), die in die Zeit von 40 000 bis 30 000 v. Chr. datiert werden konnten. Das Jungpaläolithikum ist durch mehrere regionale Kulturgruppen vertreten, die durch die Ausgrabungen beim Bau des Assuanhochdamms aufgedeckt wurden (Idfu-, Halfa-, Fakhurigruppe). Ihnen folgt das Sébilien, dessen jüngere Entwicklungsphasen die Überleitung zur Mittelsteinzeit (8 000-6 000 v. Chr.) bilden. Wirtschaftlich stand im Mesolithikum neben der Jagd der Fischfang im Vordergrund. Die Catfishhöhle bei Korosko enthielt z. B. vorwiegend Überreste vom Katzenwels und viele Harpunenspitzen aus dem 7. Jahrtausend v. Chr.
 
Die jungsteinzeitlichen Kulturen des Niltals (6. und 5. Jahrtausend) sind im Süden v. a. in Deir Tasa und Schaheinab bei Khartum, im Norden in Merimde und El-Omari sowie an der ursprünglich höher gelegenen Uferlinie des Karunsees (Faijum-A-Kultur) zu finden. Fischfang und Jagd spielten in diesen Kulturen weiterhin eine wichtige Rolle, gleichzeitig existierten Ackerbau (Emmer, Gerste, Linsen; Feuersteinsicheln, Getreidespeicher) und Viehzucht (Rind, Schaf, Ziege, Schwein). Die Menschen lebten in Hütten aus Holz und Schilfrohr, die in den Boden eingetieft waren. Im Norden wurden die Toten zunächst in Hockerlage, meist ohne Beigaben innerhalb der Siedlung bestattet, später, wie schon vorher im Süden, auf Friedhöfen.
 
Die Steinkupferzeit (Chalkolithikum) begann im Süden mit der Badarikultur (5. Jahrtausend); ihr entspricht im Norden die Faijum-B-Kultur. Wichtige Fundorte der Badarikultur sind El-Badari, El-Hammamije und El-Matmar. Charakteristisch sind rote Keramikgefäße mit schwarzem Rand. Vereinzelte Kupferperlen und Muscheln vom Roten Meer weisen auf weiter reichende Tauschbeziehungen hin. Auf die religiösen Vorstellungen lassen Amulette, Tierbestattungen sowie die Auskleidung der Gräber mit Holz schließen. Die Badarikultur wurde in Oberägypten durch die Negade-I-Kultur (auch Naqada I, Amrahkultur, Amratien) fortgesetzt. In der Töpferei erschienen jetzt neben den weiterhin üblichen roten Gefäßen mit schwarzem Rand bemalte oder geritzte Keramik. Einen deutlichen Einschnitt markiert der Beginn der Negade-II-Kultur (auch Gerzéen), die sich auch über den Norden erstreckt und möglicherweise mit einer Zuwanderung von Semiten über das Wadi Hammamat oder Palästina im Zusammenhang steht. Das Niltal wurde trockener, wahrscheinlich begann in dieser Zeit die künstliche Bewässerung. In den Gräbern fanden sich Perlen aus Gold, Silber, Obsidian und Lapislazuli aus Vorderasien sowie Meteoreisen. Kupfer wurde in größerem Umfang jetzt auch für Werkzeuge wie Harpunen, Messer und Nadeln verarbeitet. Die traditionelle Herstellung von Steingefäßen erreichte einen Höhepunkt; als Grabbeigabe dienende Gefäße zeigen auf hellem Grund Schiffe mit religiösen Symbolen.
 
 
Die allgemein übliche Einteilung in 31 Dynastien von der Reichsgründung bis auf Alexander dem Großen geht auf Manetho zurück. Die Abschnitte Altes, Mittleres und Neues Reich wurden anscheinend schon im späten Neuen Reich ähnlich zusammengefasst. Die Ägypter bezogen sich in ihren Zeitangaben seit dem Ende des Alten Reiches auf die Regierungsjahre der Könige. Diese bezeichneten sie anfangs durch wichtige Ereignisse, dann nach den regelmäßig vorgenommenen Viehzählungen. Königslisten sind mehrfach erhalten, die wichtigsten sind der Turiner Königspapyrus und die Königstafel im Tempel Sethos' I. von Abydos mit 76 Namen. Für die älteste Zeit sind die Angaben jedoch unzuverlässig. Besonders die Daten vor 2000 v. Chr. gelten nur angenähert.
 
 
Am Beginn der geschichtlichen Zeit um 3000 v. Chr. standen die politische Einigung des Landes und die Erfindung der Schrift. Auf den frühesten Schriftdenkmälern erschienen die Könige »Skorpion«, Narmer und Aha, während spätere Überlieferung an den Anfang der Geschichte einen legendären Herrscher Menes setzte, dem Reichseinigung und Gründung von Memphis als erster Königsresidenz zu verdanken seien. Die Könige der beiden ersten Dynastien, bei Manetho als »Thiniten« bezeichnet, errichteten gewaltige Grabanlagen aus Ziegeln in Abydos (thinitischer Gau) und in Sakkara bei Memphis; Stelen und kostbare Steingefäße verewigen ihren »Horusnamen«, der sie als irdische Platzhalter des falkengestaltigen Himmelsgottes Horus ausweist. Eine erste schwere Krise des Einheitsreiches während der 2. Dynastie wurde von König Chasechem beendet. Ägypten war bereits auf der Halbinsel Sinai präsent, und seine Handelsbeziehungen reichten bis nach Byblos im Libanon.
 
 
Mit der 3. Dynastie, unter König Djoser, erfolgte der Übergang zum monumentalen Steinbau (Stufenpyramiden, »echte« Pyramiden seit der 4. Dynastie) und zur Anfertigung von lebensgroßen Statuen aus Stein, Holz und Metall, die dem Fortleben des Königs und seiner Beamten dienen sollten. Die Schrift wurde jetzt auch für längere Texte benutzt (juristische Urkunden, Biographien von Beamten), doch ist die angeblich von Imhotep verfasste älteste Weisheitslehre nicht erhalten. Der Friedhof um die großen Pyramiden von Giseh spiegelt den straff organisierten Beamtenstaat, seine Ausrichtung auf den König und auf das jenseitige Reich der Götter. Der König wurde jetzt zum »Sohn« des Sonnengottes, für den in der 5. Dynastie große Sonnenheiligtümer mit einem aufgemauerten Obelisken errichtet wurden. Die wichtigsten Ämter wurden mit Angehörigen des Königs besetzt, eine eigene Gauverwaltung entwickelte sich erst gegen das Ende des Alten Reiches, gleichzeitig mit dem stärkeren Hervortreten künstlicher Bewässerung. Nubien wurde jetzt regelmäßig von ägyptischen Expeditionen durchzogen, im Norden weiteten sich die Handelsbeziehungen bis nach Kleinasien und in die Ägäis aus. Die 6. Dynastie war durch wachsende politische und soziale Unruhe gekennzeichnet, die Provinz gewann gegenüber der Residenz an Selbstständigkeit, und nach der über 90-jährigen Regierung Phiops' II. brach der Staat ohne äußere Einwirkung auseinander.
 
Erste Zwischenzeit:
 
Rund 100 Jahre war das Land in zwei Teilreiche aufgespalten: die 9./10. Dynastie im Norden (Herakleopolis) und die 11. im Süden (Theben), daneben waren die Gaufürsten in Mittelägypten und in Assuan weitgehend selbstständig, und in den Gaustädten trat das Bürgertum politisch hervor. Die geistige Auseinandersetzung mit dem Umsturz führte zu einer ersten Blüte der Literatur, während die bildende Kunst auf provinzielles Niveau absank. Wirtschaft und Beziehungen zum Ausland waren gestört, die Texte sprechen häufig von Hungersnot und Bürgerkrieg.
 
Mittleres Reich:
 
Um 2040 v. Chr. gelang der 11. Dynastie im Kampf mit dem Nordreich die zweite Reichseinigung, und mit der 12. Dynastie erlebte die ägyptische Kultur eine neue Blüte. Die Gaufürsten wurden in den neuen Einheitsstaat integriert und behielten eine wichtige Stellung, die erst Sesostris III. beseitigte. Ein System der Mitregentschaft sorgte für politische Stabilität und Kontinuität, das Goldland Nubien wurde in Besitz genommen und durch starke Festungen gesichert, die Seelandschaft des Faijum wurde durch Deich- und Kanalbauten als Kulturland erschlossen. Die Residenz lag seit Amenemhet I. wieder im Norden, doch traten Theben und Abydos als wichtige religiöse Zentren (Amun- und Osirisverehrung) hervor.
 
Zweite Zwischenzeit:
 
In der 13. Dynastie begann unter rasch wechselnden Herrschern ein neuer Verfall, auch kulturell. Nubien wurde aufgegeben, und im Delta etablierten sich Kleinkönige als 14. Dynastie. Asiatische Bevölkerungsteile gewannen im östlichen Nildelta stetig an politisches Gewicht und errichteten um 1650 v. Chr. als Hyksos (ägyptisch »Herrscher der Fremdländer«) eine erste Fremdherrschaft über Ägypten. Sie regierten als 15./16. Dynastie von Auaris im Nildelta aus über ganz Ägypten, stießen aber in Theben auf wachsenden Widerstand einer Fürstenfamilie, die ebenfalls den Königstitel annahm (17. Dynastie) und das nationale Erbe gegen die auch kulturell und religiös dominierenden Asiaten verteidigte. In offener Auflehnung gegen die Hyksos drangen die Brüder Kamose und Ahmose (Amosis) bis in das Delta vor, vertrieben die Fremdherrscher und verfolgten sie nach Palästina hinein. Damit war Ägypten um 1552 v. Chr. ein drittes Mal geeint.
 
Neues Reich:
 
Die asiatischen Teile des Hyksosreiches fielen kampflos an Ägypten, sodass der Machtbereich der 18. Dynastie bis zum Euphrat reichte; im Süden brachte Thutmosis I. Nubien bis zum 4. Nilkatarakt unter ägyptischer Herrschaft, ein Vizekönig (»Königssohn von Kusch«) übernahm die Verwaltung dieses Gebiets. Kunst, Literatur und Wissenschaft blühten erneut auf, v. a. unter der friedlichen Regierung der Königin Hatschepsut. Theben wurde zur Weltstadt, sein Gott Amun zum »Götterkönig«, in seinem Haupttempel in Karnak stapelte sich die Beute aus den Feldzügen der Könige. Thutmosis III. und sein Sohn Amenophis II. mussten in zahlreichen Feldzügen in Syrien und Palästina mit dem Mitannireich und seinen Verbündeten kämpfen, die Grenze musste vom Euphrat zum Orontes zurückgenommen werden, und unter Thutmosis IV. wurde ein Friedensvertrag geschlossen; Ägypten und Mitanni verbündeten sich gegen die nach Syrien ausgreifenden Hethiter. Amenophis III. heiratete neben seiner Hauptgemahlin Teje zwei Mitanniprinzessinnen und trat v. a. durch eine gewaltige Bautätigkeit hervor. Im Tontafelarchiv von Tell el-Amarna hat sich seine diplomatische Korrespondenz mit den asiatischen Fürstenhöfen erhalten. Unter seinem Sohn Amenophis IV. kam es um 1360 v. Chr. zu einer tief greifenden, vom König ausgehenden Revolution in Religion, Kunst und Politik. Amun und die anderen Götter wurden durch den alleinigen Gott Aton ersetzt und sogar verfolgt. Der König änderte seinen Namen in Achenaten (Echnaton) und erbaute in Tell el-Amarna in Mittelägypten eine neue Residenz, nachdem er bereits in Theben einen ganz neuen, bewegteren Kunststil eingeführt und eine Sprachreform verwirklicht hatte. Sein Werk war jedoch nicht von Dauer, bereits sein junger Schwiegersohn Tut-ench-Amun gab die Residenz in Amarna und die Verehrung des Aton wieder auf, neue Residenz wurde Memphis. Die 18. Dynastie endete mit Haremhab, der im Kampf mit den Hethitern die ägyptischen Positionen in Syrien und Palästina zu halten suchte.
 
Die Zeit der von Ramses I. begründeten 19. und die 20. Dynastie wird oft als Ramessidenzeit bezeichnet. Unter Sethos I. und seinem Sohn Ramses II. setzten sich die Kämpfe mit den Hethitern fort (unentschiedene Schlacht von Kadesch), bis es 1270 v. Chr. zu einem Friedensvertrag und später wieder zu einem Heiratsbündnis kam. Neben einer neuen Residenzstadt im Delta und mehreren Felstempeln in Nubien (Abu Simbel u. a.) errichtete Ramses II. in ganz Ägypten zahlreiche Kultbauten und Statuen, oft von kolossalen Maßen. Unter seinen Nachfolgern bildeten Libyer und Seevölker eine neue Gefahr, doch konnte Ramses III. Ägypten gegen sie verteidigen. Nach der Ermordung dieses Königs schritt unter den letzten Ramessiden der politische und wirtschaftliche Verfall rasch voran.
 
Dritte Zwischenzeit:
 
Die 21. Dynastie residierte in Tanis im östlichen Nildelta, während in Theben und im übrigen Oberägypten die Priesterschaft des Amun unter ihrem Hohenpriester die Herrschaft ausübte. Nubien wurde wieder selbstständig, ebenso Palästina. Nach dem Ende der Dynastie in Tanis begründete ein libyscher Söldnerführer 945 v. Chr. als Scheschonk I. die 22. Dynastie. Von nun an regierten in Ägypten fremde Herrscher, die sich jedoch meist der überlegenen ägyptischen Kultur anpassten. Die libysche Zeit, die auch die 23. und 24. Dynastie umfasst, ist durch die Aufspaltung des Landes unter zahlreiche Kleinkönige und Fürsten gekennzeichnet. Seit etwa 740 v. Chr. drangen nubische Könige (»Äthiopen«) nach Oberägypten vor. Pianchi konnte auch Mittelägypten unterwerfen und die Libyer ins Delta zurückdrängen.
 
 
Mit der Eroberung des Deltas durch Pianchis Bruder Schabaka war Ägypten 712 v. Chr. erneut geeint. Die nubischen Könige dieser 25. Dynastie entfalteten wieder eine rege Bautätigkeit in Theben, das noch einmal religiöser und politischer Mittelpunkt wurde. Kunst und Literatur orientierten sich an den vergangenen großen Blütezeiten (Archaismus). Die Assyrer eroberten 671 v. Chr. den Norden des Landes und zerstörten unter Assurbanipal Theben. Die Nubier überließen Ägypten den libyschen Fürsten von Sais im Delta als Vasallen der Assyrer. Psammetich I. machte sich jedoch 664 v. Chr. unabhängig und begründete die 26. Dynastie (»Saiten«). Er stützte sich v. a. auf seine ionischen und karischen Söldner und öffnete Ägypten für griechischen Einfluss, durch Siedler aus Milet wurde die Kolonie Naukratis im westlichen Delta gegründet. Ägypten unterstützte die Assyrer in ihrem Endkampf gegen Babylonier und Meder und stieß noch einmal bis zum Euphrat vor, doch wurde Necho II. 605 v. Chr. bei Karkemisch von Nebukadnezar II. geschlagen. Auch Apries kämpfte gegen Babylon, konnte aber den Fall Jerusalems nicht verhindern, viele Juden suchten in Ägypten Zuflucht. Amasis hielt enge Beziehungen zu den Griechen und ihrer Kolonie Kyrene, sein Sohn Psammetich III. wurde 525 v. Chr. von dem Perserkönig Kambyses geschlagen und entthront. Damit war Ägypten eine Satrapie des persischen Reiches (27. Dynastie), errang aber nach mehreren Aufständen 404 v. Chr. nochmals die Unabhängigkeit (28.-30. Dynastie). Nach einer letzten Nachblüte der ägyptischen Kultur wurde das Land 343 v. Chr. durch Artaxerxes III. erneut für die Perser und 332 v. Chr. von Alexander dem Großen erobert.
 
Griechische Herrschaft:
 
Alexander der Große gründete Alexandria, das sich schnell zum Mittelpunkt des griechischen Welthandels und der griechischen Bildung entwickelte. Nach seinem Tod fiel Ägypten an Ptolemaios I. Soter (Ptolemäer), der zunächst als Satrap, seit 305 v. Chr. als König regierte. Unter ihm und seinem Nachfolger Ptolemaios II. Philadelphos erreichte das hellenistische Ägypten seine höchste Blüte und wurde zum reichsten Staat der griechischen Welt. Die alte administrative Ordnung der Pharaonenzeit wurde beibehalten, doch ermöglichten griechische Bürokratie und griechisches Recht eine wirksamere Verwaltung. Seit Ende des 3. Jahrhunderts wurde die griechische Herrschaft durch Aufstände der einheimischen Bevölkerung erschüttert. Der Niedergang der Ptolemäerdynastie führte dann zu wiederholten Interventionen Roms, u. a. durch Caesar, bis schließlich Octavian nach dem Sieg bei Actium (31 v. Chr.) Alexandria eroberte und die letzte Ptolemäerin, Kleopatra VII., zum Selbstmord zwang (30 v. Chr.).
 
Römische Herrschaft:
 
Die römischen Kaiser schonten die ägyptischen Überlieferungen wie die Ptolemäer und ließen sich, wie diese, als Nachfolger der Pharaonen kultisch verehren. Ägypten erhielt als römische Provinz eine Sonderstellung und wurde für den Kaiser durch einen Präfekten aus dem Ritterstand verwaltet. Das Land bildete fortan die Kornkammer Roms. An die Stelle der von den letzten Ptolemäern geförderten Verschmelzung ägyptischer und griechischer Elemente trat unter den Kaisern eine strikte Trennung von Ägyptern, Griechen (die das Gymnasium durchlaufen haben mussten) und römischen Bürgern. Die Ausbeutung der Bauern führte zu starker Landflucht. Seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. breitete sich das Christentum, auch in der Form des Mönchtums, rasch aus und machte schließlich der altägyptischen Kultur ein Ende. Nach dem Tod Theodosius' I. (395 n. Chr.) fiel Ägypten an das Ostreich unter Arkadios und blieb bis 640 Bestandteil des Byzantinischen Reiches.
 
 
Die Abneigung der Kopten gegen die oströmische Religionspolitik ebnete den muslimischen Arabern unter Amr Ibn al-As 640/642 den Weg ins Niltal, dessen Hauptstadt nun Fustat wurde. Die Kopten genossen seitdem weitgehende Religionsfreiheit. Im Übrigen wurden Wirtschaftspolitik, Verwaltung und Währung der Byzantiner (Golddenar) beibehalten; erst während des 8. Jahrhunderts wurde (nach Ausweis der Papyri) das Griechische allmählich durch das Arabische abgelöst. Aufstände der Kopten (zwischen 725/726 und 829/830) wurden durch die Erkenntnis ausgelöst, dass auch die islamische Herrschaft ihnen keine wirkliche Freiheit brachte. Sie hatten aber keinen Erfolg. Der sunnitische Islam dürfte um 900 die Mehrheit der Bevölkerung für sich gewonnen haben. Die Verwaltung der Abbasiden, durch Prinzen des Hauses oder türkischen Generäle als Gouverneure ausgeübt, wurde 868-905 durch die Tuluniden, 935-969 durch die Ichschididen abgelöst; unter ihnen war Ägypten faktisch vom Kalifat unabhängig.
 
Endgültig wurde die Trennung vom Kalifat 969 durch die Eroberung seitens der Fatimiden, die bald darauf Kairo und die Azhar-Moschee gründeten. Unter den Fatimiden nahm das Land anfänglich einen bedeutenden wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung, besonders unter dem Eroberer Al-Muiss (953/969-975) und seinem Sohn Al-Asis (bis 996). Unter ihnen genossen auch die Kopten, Armenier und Juden als Gegengewicht gegen die Masse der sunnitischen Bevölkerung größere Duldung. Als Hakim (996-1021) sich in Übersteigerung ismailitischer Lehren als göttliche Inkarnation verehren ließ (Drusen) und durch eine wechselvolle Religionspolitik (mehrere Koptenverfolgungen) das innere Gleichgewicht störte, sank die Bedeutung der Dynastie. So konnte sie von den Seldschuken aus Syrien und Palästina verdrängt werden. Die Tätigkeit ihrer ismailitischen Werber in Persien und dem Zweistromland wurde unterbunden. Schließlich vertrieb Saladin 1171 die Fatimiden, schloss die Azhar-Moschee und beseitigte die Ismailiten im Lande. Er fand in Ägypten seinen Hauptrückhalt im Kampf gegen die Kreuzfahrer, denen hier auch später Einbrüche nicht gelangen. Da seine Nachfahren (Aijubiden) ihre Herrschaft durch Bildung von Kleinstaaten aufsplitterten, setzten sich 1250 die bahritischen, 1382/90 die burdjitischen Mamelucken (Mamluken) durch, Generäle meist türkischer oder kaukasischer Abstammung. Sie vermochten den Vorstoß der Mongolen am Goliathsquell in Palästina 1260 aufzufangen und bewahrten dadurch das Land vor den Eindringlingen aus dem Osten.. Vorbereitet durch den Aufschwung unter den Aijubiden, wurde Ägypten (mit dem Maghreb) nach der Ausschaltung Bagdads 1258 zum Mittelpunkt der arabisch-islamischen Theologie und geistigen Kultur. Das wirkt heute noch nach, auch dank des Einflusses der 1250 (nun als sunnitische Medrese) wieder eröffneten Azhar-Moschee. Ägypten gewann damals auch eine steigende wirtschaftliche Bedeutung durch die Vermittlung des Handels zwischen dem Mittelmeerraum, dem Roten Meer und Indien. Die Mameluckensultane hatten den staatlich (als Monopol) organisierten Handel weithin in eigener Hand. Auch die islamische Kunst nahm im 14./15. Jahrhundert einen bedeutenden Aufschwung (Mameluckengräber). Nach der Beseitigung der letzten Kreuzfahrerstaaten (1291) und Kleinarmeniens (1375) konnte Ägypten für lange Zeit die Herrschaft über Syrien behaupten.
 
Neuere Zeit
 
Allmählich erwuchs Ägypten in dessen Norden durch die Osmanen ein gefährlicher Gegner. Ihnen gelang nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen unter Selim I. 1516/17 die Eroberung Syriens und Ägyptens. Als türkische Provinz blieb Ägypten aber in hohem Maße der Verwaltung einheimischer Mamelucken überlassen, welche Stadtbevölkerung und Fellachen nach wie vor ausbeuteten. Auch die türkischen Statthalter (Paschas) waren von der Zustimmung der 24 Mameluckenbeis abhängig. Überdies war das Land durch die Entdeckung des Seewegs nach Ostindien mit dem Fortfall des Zwischenhandels schwer geschädigt; sein Wohlstand verfiel rasch. Seit 1763 erhoben sich die Mamelucken nochmals gegen die Osmanen; seit 1773 war Ägypten unter der Herrschaft zweier Beis fast unabhängig. Gegen ihre Gewaltmaßnahmen rief 1795 der französische Konsul in Kairo die Hilfe seiner Heimat an und löste dadurch Napoleons ägyptische Expedition aus. Nach Abzug der Franzosen und Briten gelang es ab 1805 einem Offizier albanischer Abstammung, Mehmed Ali, sich durchzusetzen und die Ordnung wiederherzustellen. Er ermordete 1811 die Mamelucken, setzte seine Macht den Wahhabiten gegenüber durch, eroberte 1820/22 im Süden Nubien, Fung und Kordofan; auf türkischer Seite griff er in den griechischen Befreiungskrieg ein. Dagegen scheiterten 1832 sowie 1839/40 Versuche, sich von der osmanischen Oberhoheit zu lösen, an dem Eingreifen der europäischen Großmächte. Er musste Syrien, Zypern und Kreta wieder aufgeben, wurde aber 1841 als erblicher Statthalter des Niltals anerkannt. Im Innern förderte Mehmed Ali den Aufbau einer bescheidenen Industrie, den Ausbau der Landwirtschaft (besonders Baumwolle), gab unter osmanischem Druck das staatliche Handelsmonopol auf und schuf unter Heranziehung französischer Berater ein Fellachenheer. Durch dieses wurde er zum Begründer des modernen ägyptischen Staates, in dem sich nun europäisches Gedankengut und Kenntnisse mehr und mehr verbreiteten. Für weitere Reformen sorgte (nach der kurzen Regierung von Abbas I. Hilmi) sein Sohn Said Pascha (1854-63), der die Steuerlasten gerechter verteilte, die Sklaverei abschaffte, Eisenbahnen bauen ließ und den Bau des Suezkanals einleitete (1859). Sein Neffe Ismail Pascha (1863-79) förderte die Anlage von Fabriken und Verkehrseinrichtungen sowie den Aufbau der Post.
 
1869 wurde der Suezkanal eröffnet. 1873 erhielt Ägypten größere innere Selbstständigkeit von der Türkei. Doch führte die Steigerung der Ausgaben und die wachsende Verschuldung zur erzwungenen Aufnahme eines britischen und eines französischen Ministers ins Kabinett, dann zur Absetzung Ismails. Nachfolger wurde sein Sohn Taufik, der das Finanzwesen neu regelte. Trotzdem brach 1881 unter Arabi Pascha ein Aufstand aus, der den Briten die Besetzung Ägyptens erlaubte. Das Land wurde ein britischägyptisches Kondominium, in dem die Briten den führenden Einfluss besaßen. 1892 hatte Abbas II. Hilmi den Thron bestiegen. Er musste sich letztlich dem britischen Generalkonsul Earl Cromer unterordnen. Frankreich verzichtete nach der Auseinandersetzung um Faschoda (Faschodakrise) 1898 im Marokkoabkommen 1904 auf ein Eingreifen am Nil.
 
20. Jahrhundert
 
Nach Cromers Rücktritt 1907 wuchs der Erfolg der Nationalbewegung bei den breiten Massen. Da bot der Eintritt der Türkei in den Ersten Weltkrieg 1914 den Briten die Möglichkeit, Abbas II. abzusetzen und Husain Kamil einzusetzen. Ägypten wurde in ein Protektorat verwandelt, in dem Kriegsrecht herrschte. Türkisch-deutsche Vorstöße gegen den Suezkanal konnten abgewehrt und Ägypten zur Ausgangsbasis des letztlich erfolgreichen britischen Angriffs auf Palästina und Syrien gemacht werden, der im Okober 1918 zum Zusammenbruch der Türkei führte.
 
In Ägypten wuchs die nationale Opposition gegen die britische Herrschaft. Auf den Pariser Friedenskonferenzen forderte eine ägyptische Abordnung (arabisch: »wafd«) die Unabhängigkeit Ägyptens. Als Kristallisationskern der ägyptischen Nationalbewegung entwickelte sich unter Saghlul Pascha die Wafd zu einer maßgeblichen politischen Kraft im Lande. Unter ihrem Druck hob Großbritannien 1922 das Protektorat auf und erkannte Fuad I., seit 1917 Sultan Ägyptens, als König an; es behielt sich aber die Führung der ägyptischen Außenpolitik, die militärische Präsenz in Ägypten, die Kontrolle des Suezkanals und die Verwaltung des angloägyptischen Sudans vor. Während die Wafd, seit 1927 geführt von Nahhas Pascha, den vollständigen Abbau der britischen Machtbefugnisse forderte, bemühte sich Fuad um einen britischägyptischen Ausgleich; dabei kam es zu innenpolitischen Konflikten.
 
Nach dem Tod Fuads I. bestieg sein Sohn Faruk 1936 den Thron. Im selben Jahr bestätigte Großbritannien vertraglich die Souveränität Ägyptens und konzentrierte seine Truppen auf eine vereinbarte Zone beiderseits des Suezkanals. Im Zweiten Weltkrieg war der nordwestliche Küstenbereich 1942 Kriegsgebiet, aber erst im Februar 1945 erklärte die ägyptische Regierung Deutschland den Krieg. Nach dem Krieg zog Großbritannien seine Truppen aus Ägypten - bis auf den Bereich der Suezkanalzone - zurück. 1945 beteiligte sich Ägypten führend an der Gründung der Arabischen Liga. Die Gründung des Staates Israel auf dem Boden des früheren britischen Mandatsgebiets Palästina (1948) versuchte Ägypten zusammen mit anderen arabischen Staaten vergeblich im Palästinakrieg (1948-49) wieder rückgängig zu machen. In der ägyptischen Innenpolitik nahm die Kritik am inneren Zustand des Landes, besonders an der herrschenden Korruption, zu. Die v. a. gegen europäisch-westliche Einflüsse kämpfende Muslimbruderschaft gewann eine starke Stellung.
 
Im Juli 1952 stürzten oppositionelle Offiziere, die sich im Geheimen zum »Komitee der freien Offiziere« zusammengeschlossen hatten, König Faruk. An der Spitze eines Revolutionsrats übernahm General M. Nagib die Führung des Landes. Im Sepember 1952 wurde er Ministerpräsident, im Juli 1953 - nach Ausrufung der Republik - zugleich Staatspräsident; 1954 musste er jedoch auf beide Ämter zugunsten von Oberst G. Abd el-Nasser verzichten. Die neuen Machthaber in Ägypten leiteten eine Bodenreform ein; sie verboten die Parteien ebenso wie die Muslimbruderschaft. Nach Einführung einer neuen Verfassung (1956) wurde Nasser von der Bevölkerung zum Staatspräsidenten gewählt.
 
Außenpolitisch gab Ägypten mit der Beendigung des angloägyptischen Kondominiums über den Sudan auch seinen Anspruch auf dieses Gebiet auf. Im Oktober 1954 erreichte Ägypten die vertragliche Zusicherung Großbritanniens, seine Truppen aus der Suezkanalzone zurückzuziehen. Nachdem die britische Regierung im März 1956 dieses Versprechen eingelöst hatte, verkündete Nasser im Juli 1956 gegen den Widerspruch Großbritanniens und Frankreichs die Nationalisierung der Suezkanalgesellschaft (Suezkanal). In Verbindung mit den inzwischen verschärften ägyptisch-israelischen Spannungen (u. a. infolge der Blockade des Suezkanals und des Golfs von Akaba für israelische Schiffe) löste dieser Vorgang den Suezkrieg (Oktober-November 1956) aus. Im Verlauf dieses Kriegs stießen israelische Truppen auf die Sinaihalbinsel vor, und britisch-französische Streitkräfte unternahmen eine Luftlandeoperation am Suezkanal. Unter dem Druck der USA und der UdSSR mussten sich die Angreifer bis 1957 zurückziehen; Ägypten verpflichtete sich, die Suezkanalaktionäre zu entschädigen.
 
Unter der Präsidentschaft Nassers trat Ägypten immer stärker in den Brennpunkt des Nahostkonflikts. Innerhalb der arabischen Welt unterstützte die ägyptische Regierung die Entkolonialisierungsbestrebungen, besonders in Algerien, und förderte die panarabische Bewegung. 1958 verband sich Ägypten mit Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik (VAR). In den 50er-Jahren stieg es in Zusammenarbeit v. a. mit Indien und Jugoslawien zu einem der führenden blockfreien Staaten auf.
 
Nachdem die VAR 1961 mit dem Austritt Syriens politisch gescheitert war, erhielt Ägypten 1964 eine neue Verfassung; in ihrem Rahmen suchte Nasser, gestützt auf die Einheitspartei »Arabische Sozialistische Union« (ASU), einen »arabischen Sozialismus« zu verwirklichen. Durch Entwicklungshilfe aus Ost und West suchte er die soziale und wirtschaftliche Entwicklung seines Landes voranzutreiben.
 
Mit der Entsendung von Truppen in den Jemen (1962-67) geriet die ägyptische Regierung in Konflikt mit Saudi-Arabien. Gestützt auf die steigende Militärhilfe aus kommunistischen Staaten (besonders der UdSSR), suchte Nasser den Nahostkonflikt zugunsten der arabischen Staaten zu entscheiden. Mit der Sperrung des Golfs von Akaba für israelische Schiffe löste er den Sechstagekrieg aus (Juni 1967); im Verlauf dieses Kriegs besetzte Israel die Halbinsel Sinai bis zum Suezkanal. Nachdem Ägypten und die anderen am Krieg beteiligten arabischen Staaten Israel unterlegen waren, suchte Nasser durch Wiederaufrüstung der Armee mithilfe sowjetischer Berater und Waffen und einen »Abnutzungskrieg«, den Konflikt mit Israel zu entscheiden; zugleich unterstützte Ägypten seitdem in verstärktem Maße die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO).
 
Nach dem Tod Nassers (1970) setzte sein Nachfolger als Staatspräsident und Vorsitzender der ASU, A. as-Sadat, dessen Politik zunächst fort. 1971 schloss Ägypten einen Freundschaftsvertrag mit der UdSSR, traf mit Libyen und Syrien ein Übereinkommen über die Bildung einer (anschließend nicht verwirklichten) »Föderation arabischer Staaten« und vereinbarte darüber hinaus mit Syrien einen gemeinsamen Planungsrat. Im Oktober 1973 griffen Ägypten und Syrien Israel an, mussten aber nach anfänglichen Erfolgen in einen Waffenstillstand mit Israel einwilligen. In einem vom amerikanischen Außenminister H. A. Kissinger vermittelten Truppenentflechtungsabkommen (1974) gewann Ägypten einen Gebietsstreifen auf der Halbinsel Sinai zurück. Nachdem Sadat den unter Nasser in Ägypten stark gestiegenen Einfluss der UdSSR zugunsten der westlichen Industriestaaten allmählich eingeschränkt hatte, kündigte er 1976 den ägyptisch-sowjetischen Freundschaftsvertrag. Mit einem Besuch in Jerusalem (November 1977) leitete Sadat eine Friedensinitiative gegenüber Israel ein. Unter Vermittlung des amerikanischen Präsidenten J. Carter vereinbarten Sadat und der israelische Ministerpräsident M. Begin 1978 in Camp David (USA) Rahmenbedingungen eines ägyptisch-israelischen Friedensvertrags, der im März 1979 u. a. gegen den heftigen Widerstand Syriens, Libyens, Algeriens und Iraks sowie der PLO unterzeichnet wurde und der zur Suspendierung der ägyptischen Mitgliedschaft in der Arabischen Liga führte. Aufgrund des Friedensvertrags gewann Ägypten die Halbinsel Sinai bis 1982 ganz zurück.
 
In der Innenpolitik leitete Sadat 1976 den Übergang zum Mehrparteienstaat ein. Mit der Verabschiedung eines neuen Parteiengesetzes (1977) konnte sich ein breiteres politisches Spektrum entwickeln. Nach Auflösung der ASU (1978) bildete sich als führende politische Kraft die National-Demokratische Partei. Neben starken sozialen Spannungen (z. B. 1977 Unruhen aufgrund von Preiserhöhungen) kam es zu religiös motivierten Zusammenstößen zwischen Muslimen und Kopten.
 
Nach der Ermordung Sadats (bei einer Militärparade) im Okober 1981 übernahm Vizepräsident H. Mubarak das Amt des Staatspräsidenten (1987, 1993 und 1999 wieder gewählt). Auf der Grundlage des nach dem Attentat verhängten Ausnahmezustands bekämpfte er die staatsfeindlichen Aktivitäten radikaler Gruppen, suchte aber zugleich den nationalen Konsens mit den Kräften der gemäßigten Opposition.
 
Außenpolitisch setzte Mubarak die enge Zusammenarbeit seines Vorgängers mit der Republik Sudan (Unterzeichnung einer »Charta der Integration«, 1982) sowie die auf Ausgleich mit Israel bedachte Politik (seit 1977) fort, kritisierte aber scharf den israelischen Einmarsch in Libanon (1982). Es gelang ihm, die Isolation Ägyptens im arabischen Raum aufzulockern (Wiederaufnahme in die Arabische Liga 1989). Die ägyptische Regierung baute ihre Beziehungen zu den westlichen Staaten aus, suchte aber zugleich das Verhältnis zur UdSSR zu verbessern. Die außerparlamentarische Opposition (v. a. die Muslimbruderschaft als ihre stärkste Gruppierung) kritisierte wiederholt die prowestliche Politik, forderte die Aufhebung des 1981 verhängten Ausnahmezustands sowie des Verbots islamischer Parteien. Im 2. Golfkrieg 1991 beteiligte sich Ägypten als regionale Führungsmacht an der antiirakischen Koalition. Daraufhin verstärkten die islamischen Fundamentalisten, deren Hauptziel die Errichtung eines Gottesstaates auf der Grundlage des Koran und nach iranischer Vorbild ist, ihren Kampf. Mit Attentaten auf Politiker und Sicherheitskräfte sowie terroristischen Anschlägen gegen die christliche Minderheit, auf Touristen und Ausländer sollte die innere Sicherheit erschüttert und die Wirtschaftskraft beeinträchtigt werden. Die Regierung reagierte 1992 mit einer drastischen Verschärfung der Strafgesetze gegen Terroristen und radikale Kräfte. Die gespannte innenpolitische Situation führte zu einer Verschlechterung der Beziehungen zu den arabischen Ländern, denen Ägypten die finanzielle und militärische Unterstützung islamischer Extremisten vorwarf. Darüber hinaus verschärften sich die Grenzstreitigkeiten zwischen Ägypten und Sudan um das Gebiet Halaib, das seit 1899 zu Ägypten gehört, seit 1902 von Sudan verwaltet, jedoch nach der Entdeckung von Erdölvorkommen Anfang der 1990er-Jahre von beiden Ländern beansprucht wird. Im Nahostkonflikt förderte Ägypten eine schrittweise Annäherung zwischen PLO und Israel, die u. a. zum Gaza-Jericho-Abkommen von 1993 führte, und unternahm (besonders seit 1996) zahlreiche diplomatische Initiativen, um den Friedensprozess in Gang zu halten.
 
 
 
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Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Ägypten zur Zeit der Pharaonen
 
Hellenismus: Griechische Zivilisation weltweit
 
Großreiche: Kolosse auf tönernen Füßen?
 
Nordafrika in der frühen Neuzeit: Zwischen Europäern und Osmanen
 
Osmanisches Reich: Aufteilung als Höhepunkt des Kolonialismus
 
Naher Osten: Arabische Staaten im Sog des Ost-West-Konflikts
 
Ägypten und Babylon: Den Göttern untertan
 
ägyptische Gesellschaft: Die Stellung der Frau
 
Alter Orient und Ägypten: Geographischer Raum, Völker und Reiche
 
Kult und Propaganda: Die Tempel des Neuen Reiches
 
Mittleres Reich: Von Angesicht zu Angesicht - Die Skulpturen
 
Niltal: Frühe Reife im 4. Jahrtausend
 
Pyramiden: Stein und Staat
 
Kultur Altägyptens - Ein Geschenk des Nils
 

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Ägỵp|ten; -s: arabischer Staat in Nordostafrika.

Universal-Lexikon. 2012.