Havemann,
Robert, Naturwissenschaftler und politischer Theoretiker, * München 11. 3. 1910, ✝ Grünheide (Mark) (Landkreis Oder-Spree) 9. 4. 1982; Physikochemiker, seit 1932 Mitglied der KPD, leitete ab 1943 eine Widerstandsgruppe; 1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg-Görden inhaftiert (bis 1945). Danach war Havemann u. a. 1945-47 Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin (West) und 1947-64 Professor für physikalische Chemie an der Humboldt-Universität in Berlin (Ost). Endgültig in die DDR übergesiedelt, wurde Havemann 1950 Mitglied der SED und war u. a. 1949-63 Abgeordneter der Volkskammer. Ab 1956 wandelte sich Havemann vom Stalinisten zum Wortführer einer von Intellektuellen getragenen Oppositionsgruppe innerhalb der Partei und beeinflusste mit seinen reformkommunistischen, systemkritischen Ideen eines »demokratischen Sozialismus« besonders in den 70er-Jahren die Herausbildung einer unabhängigen Bürger(rechts)bewegung in der DDR. Er wurde 1964 aus der SED und dem Lehrkörper der Humboldt-Universität, 1966 aus der Akademie der Wissenschaften ausgeschlossen. Als prominentester DDR-Dissident stand er 1977-79 unter Hausarrest und wurde 1979 wegen angeblichen Devisenvergehen zu einer Geldstrafe verurteilt (am 28. 11. 1989 politisch und 1991 juristisch rehabilitiert); bis zu seinem Tod stand Havemann unter Bewachung des Staatssicherheitsdienstes. - Im 1995 begonnenen »Havemann-Prozess« gegen seine früheren Richter wurde deutlich, dass Prozessablauf und Urteil politischen Vorgaben entsprachen.
Werke: Fragen, Antworten, Fragen (1970); Ein deutscher Kommunist. Rückblicke und Perspektiven aus der Isolation (1978); Morgen. Die Industriegesellschaft am Scheideweg. Kritik und reale Utopie (1980).
R. H. Dokumente eines Lebens, hg. v. D. Draheim u. a. (1991).
Universal-Lexikon. 2012.