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Ab|ge|ord|ne|ter ['apgə|ɔrdnətɐ], der Abgeordnete/ein Abgeordneter; des/eines Abgeordneten, die Abgeordneten/zwei Abgeordnete:gewählter Volksvertreter; Mitglied eines Parlaments:
die Abgeordneten stimmen über das Gesetz ab.
Zus.: Bundestagsabgeordneter, Europaabgeordneter, Kreistagsabgeordneter, Landtagsabgeordneter, Parlamentsabgeordneter.
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1. jmd., der abgeordnet worden ist
2. Mitglied des Parlaments
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Ạb|ge|ord|ne|ter, der Abgeordnete/ein Abgeordneter; des/eines Abgeordneten, die Abgeordneten/zwei Abgeordnete ↑ [Abgeordnete]:
vom Volk für eine festgelegte Zeit in eine parlamentarische Institution gewählter Vertreter; Deputierter, Delegierter (Abk.: Abg.):
ein neuer A.;
einige, mehrere Abgeordnete;
viele Abgeordnete (selten: viele Abgeordneten );
beide Abgeordneten (seltener: beide Abgeordnete );
alle Abgeordneten (selten: alle Abgeordnete );
er ist als A. gewählt worden;
der Wahlkreis des [Herrn] Abgeordneten Müller;
Herrn Abgeordneten Müller das Wort erteilen;
dem Abgeordneten Müller;
genanntem Abgeordneten (veraltet: genanntem Abgeordnetem ) wurde ein Vorwurf gemacht;
ihm als Abgeordnetem (auch: als Abgeordneten );
an Herrn Abgeordneten Müller;
er sprach mit Herrn Abgeordneten Müller;
der Besuch von Abgeordnetem (= dem Abgeordneten) Müller;
er ist A.;
(österr.:) A. zum Nationalrat, Bundesrat, Landtag, Gemeinderat.
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Abgeordneter,
das gewählte Mitglied eines Parlaments, in einem weiteren Sinn auch eines kommunalen Vertretungsorgans (Kreistag, Gemeinde- oder Stadtrat). Die Stellung des Abgeordneten ist durch die Verfassungen der jeweiligen Staaten (z. B. Bundestagsabgeordneter: Art. 38, 46-48 GG) und die Gesetze näher bestimmt; die Stellung von Abgeordneten in Körperschaften inter- oder supranationaler Gemeinschaften beruht auf zwischenstaatliche Abkommen (z. B. bei den Abgeordneten des Europäischen Parlaments u. a. auf dem EG-Vertrag).
In Deutschland wird das Amt des Abgeordneten durch das in den Wahlgesetzen geregelte Verfahren der direkten Wahl begründet; es beginnt mit der Annahme der Wahl und endet mit Ablauf der Wahlperiode, soweit es nicht vorzeitig durch Verzicht, Wegfall der Wählbarkeitsvoraussetzungen (besonders aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung, § 45 StGB), Feststellung der Wahlungültigkeit oder Berichtigung des Wahlergebnisses beendet wird. Der Abgeordnete verliert sein Amt außerdem, wenn seine Partei durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt wird. Ein Mandatsverlust durch nachträglichem Wählerentscheid oder durch Parlamentsbeschluss ist ausgeschlossen.
Der Abgeordnete ist nach dem GG Vertreter des ganzen Volkes, nicht seines Wahlkreises oder seiner Wähler. Er hat kein imperatives, sondern ein freies Mandat und ist deshalb nicht an Aufträge und Weisungen gebunden. Das freie Mandat wird jedoch im heutigen, von den Parteien geprägten politischen Leben durch die starke Bindung des Abgeordneten an seine Partei, durch die Fraktionsdisziplin u. a. eingeschränkt; in totalitären Staaten ist es gänzlich beseitigt.
Nach dem Einzug der Grünen in einige Parlamente erlangte die Frage Bedeutung, ob das planmäßige, z. B. durch Parteitagsbeschlüsse vorgegebene Auswechseln von Abgeordneten (Rotation) während einer Legislaturperiode verfassungsrechtlich zulässig ist. Nach überwiegender Meinung ist die Rotation nur dann zulässig, wenn sie auf dem freien Entschluss des einzelnen Abgeordneten beruht.
Der Abgeordnete genießt Indemnität, d. h., er darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer im Parlament gemachten Äußerung gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder in sonstiger Weise außerhalb des Parlaments zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn wegen Verleumdung. Der Abgeordnete ist außerdem durch das Recht der Immunität vor gerichtlicher oder polizeilicher Verfolgung sowie sonstiger Freiheitsbeschränkung geschützt, es sei denn, er wird bei der Begehung einer Straftat oder am Tag darauf festgenommen. Da die Immunität in erster Linie die Handlungsfähigkeit des Parlaments schützen soll, kann nur das Parlament sie aufheben; es kann auch die Aussetzung eines bereits begonnenen Strafverfahrens verlangen. Die Immunität endet mit dem Verlust des Mandats. Der Abgeordnete besitzt ein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich solcher Tatsachen, die ihm in dieser Eigenschaft anvertraut wurden (§ 53 StPO).
Das Bundesverfassungsgericht hat am 5. 11. 1975 in einer grundlegenden Entscheidung (»Diätenurteil«) die Stellung des Abgeordneten beleuchtet, wie sie sich aus der Verfassungswirklichkeit ergibt. Es sprach u. a. aus, dass das Mandat den ganzen Arbeitseinsatz des Abgeordneten verlange (»Full-time-Job«), dem eine dem Amt angemessene Entschädigung entsprechen müsse. Unter Berücksichtigung dieses Urteils wurden die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Deutschen Bundestags durch das Abgeordnetengesetz vom 18. 2. 1977 näher bestimmt, welches zuletzt mit Wirkung vom 22. 12. 1995 geändert wurde und nunmehr in der Bekanntmachung der Neufassung vom 21. 2. 1996 gültig ist. U. anderen werden darin der Schutz der Mandatsausübung (z. B. Kündigungsschutz für den bisherigen Arbeitsplatz) und der Wahlvorbereitungsurlaub (bis zu zwei Monaten, jedoch kein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts) geregelt. Ferner legt das Gesetz die Bezüge der Abgeordneten fest, über deren jeweilige Erhöhung die Abgeordneten im Parlament selbst entscheiden. Nach der bis Dezember 1995 geltenden Fassung des Abgeordnetengesetzes erhielt ein Mitglied des Bundestags monatlich eine zu versteuernde Entschädigung von 10 366 DM sowie eine steuerfreie Kostenpauschale zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlassten Aufwendungen (5 978 DM). Die Kostenpauschale kann bei Nichtteilnahme an Bundestagssitzungen gekürzt werden. Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten vom 15. 12. 1995 wurden nach langen und heftigen Diskussionen die Bezüge der Abgeordneten neu geregelt. Ein Mitglied des Bundestags erhält eine monatliche Entschädigung, die sich an einem Zwölftel der Jahresbezüge eines Richters bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6) beziehungsweise eines kommunalen Wahlbeamten auf Zeit (Besoldungsgruppe B 6) orientiert (§ 11 Absatz 1 Satz 1 Abgeordnetengesetz). Abweichend davon beträgt diese Entschädigung ab 1. 1. 2001 13 200 DM, ab 1. 1. 2002 13 451 DM und ab 1. 1. 2003 13 707 DM. Die späteren Anpassungen beschließt der Bundestag innerhalb des ersten Halbjahres nach der konstituierenden Sitzung für die gesamte Wahlperiode. Die Kostenpauschale wird aufgrund der Neuregelung zum 1. Januar eines jeden Jahres der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben aller privaten Haushalte im vorvergangenen Kalenderjahr angepasst. Der Abgeordnete hat das Recht auf freie Benutzung sämtlicher Verkehrsmittel der Deutschen Bahn AG und der Fernmeldeanlagen des Bundestags. Hatte der Abgeordnete sein Mandat wenigstens ein Jahr inne, erhält er nach seinem Ausscheiden für längstens 18 Monate (bisher drei Jahre) ein Übergangsgeld. Bei der Alters- und Hinterbliebenenversorgung wurden gewisse Abstriche vorgenommen. Die Rechte und Pflichten eines in den Bundestag gewählten Beamten ruhen während der Dauer seines Mandats (Inkompatibilität). Für Landtagsabgeordnete gelten entsprechende Landesgesetze.
In der DDR waren Abgeordnete die Mitglieder der Volkskammer und der örtlichen Volksvertretungen. Sie wurden durch Parteien und Massenorganisationen (unter Einfluss der SED) vorgeschlagen und über Einheitslisten der Nationalen Front gewählt. Die Rechtsstellung der Volkskammerabgeordneten war in den Art. 56-60 der Verfassung und der Geschäftsordnung der Volkskammer, die der Abgeordneten örtlichen Volksvertretungen im Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen geregelt. Die Abgeordneten waren ehrenamtlich tätig, zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben wurden sie ohne Einkommensminderung von der beruflichen Tätigkeit frei gestellt. Für besondere Aufwendungen erhielten sie Ersatz. Sie waren formell ihren Wählern verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Die Abgeordneten der Volkskammer genossen Immunität, die Abgeordneten aller Volksvertretungen Indemnität. Sowohl die Verfassung als auch das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen sahen die Möglichkeit der Abberufung eines Abgeordneten vor, soweit er das in ihn gesetzte Vertrauen gröblich verletzte. Die Mitwirkungsrechte des einzelnen Abgeordneten waren bis zu den politischen Ereignissen, die im Herbst 1989 eingeleitet wurden, stark begrenzt, weil wichtige Entscheidungen für die Gesetzgebung der Volkskammer und für die Regelung territorialer Belange häufig im Vorfeld von Gremien der SED getroffen wurden. Eine neue Stellung erlangten die Abgeordneten, die bei den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. 3. 1990 (Volkskammer) und am 6. 5. 1990 (örtliche Volksvertretungen) gewählt wurden.
In Österreich werden die Abgeordneten zum Nationalrat und zu den Landtagen aufgrund allgemeiner Volkswahl (Listen-, Verhältniswahl), die Mitglieder des Bundesrats von den einzelnen Landtagen gewählt. Sie sind Träger eines freien Mandats und genießen volle berufliche Immunität (Indemnität). Außerberufliche Immunität besitzen Abgeordnete dann nicht, wenn die von ihnen begangene strafbare Handlung in keinem Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit steht. Ihre Bezüge regelt das Bezügegesetz vom 9. 7. 1972 (mehrfach abgeändert).
In der Schweiz sind die Abgeordneten Mitglieder des Nationalrats (die Mitglieder des Ständerats werden ebenfalls vom Volk gewählt) sowie der kantonalen Parlamente (Großer Rat, Kantonsrat, Landrat).
H. Trossmann: Parlamentsrecht des Dt. Bundestages mit Ergänzungs-Bd. (1977-81);
E. Goyke: Parlaments-ABC (1982);
M. Lohmeier: Bundestag A-Z (1984).
Universal-Lexikon. 2012.