Kautsky,
Karl, sozialistischer Theoretiker und Politiker, * Prag 16. 10. 1854, ✝ Amsterdam 17. 10. 1938; schloss sich 1875 der österreichischen Sozialdemokratie an; begründete 1883 und leitete bis 1917 das theoretische SPD-Organ »Die Neue Zeit«. 1880 ging er nach Zürich, 1881 nach London (mit Unterbrechungen bis 1890), wo er K. Marx und F. Engels kennen lernte. In enger Zusammenarbeit mit Engels, der ihn mit der marxschen Gesellschaftstheorie vertraut machte, entwickelte sich Kautsky seitdem zu einem führenden Vertreter des Marxismus.
Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes in Deutschland (1890) übersiedelte Kautsky nach Deutschland und hatte maßgeblichen Anteil an der Ausarbeitung des theoretischen Teils des Erfurter Programms der SPD (1891). Er galt bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs als internationale Autorität in Fragen der marxistischen Theorie. Innerhalb der Sozialdemokratie in gleicher Distanz zur Parteirechten wie zur Parteilinken stehend, bekämpfte er den Revisionismus E. Bernsteins und den revolutionären Radikalismus Rosa Luxemburgs. Später lehnte er die leninsche Interpretation des Marxismus (»Bolschewismus«) ab.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914) vermittelte Kautsky innerhalb der SPD zwischen den Gegnern und Befürwortern der Kriegskredite. 1917-22 war er Mitglied der USPD, seitdem wieder der SPD. 1924 ging er nach Wien; 1938 emigrierte er nach Amsterdam.
In seiner Deutung des Marxismus gab Kautsky der marxschen Ökonomie- und Klassenkampflehre einen evolutionistischen Akzent. Überzeugt, dass der Sozialismus vom »Gesetz der Entwicklung« naturnotwendig hervorgebracht werde, hielt er einen offenen Klassenkampf für überflüssig. Er betrachtete die demokratische Republik als Rahmen für die Verwirklichung des Sozialismus.
Werke: Die Diktatur des Proletariats (1918); Die materialistische Geschichtsauffassung, 2 Bände (1927).
K. Renner: K. K. (1929);
T. Schelz-Brandenburg: Eduard Bernstein u. K. K. Entstehung u. Wandlung des sozialdemokrat. Parteimarxismus im Spiegel ihrer Korrespondenz. 1879 bis 1932 (1992);
B. Häupel: K. K. - seine Auffassungen zur polit. Demokratie (1993);
H. Koth: »Meine Zeit wird wieder kommen. ..«. Das Leben des K. K. (1993).
Universal-Lexikon. 2012.