Akademik

Raketenwaffen
Raketenwaffen,
 
mit konventionellen oder nuklearen Gefechtsköpfen ausgestattete ungelenkte oder gelenkte Flugkörper mit Raketenantrieb. Zu den Raketenwaffen werden (fälschlich) oft auch Waffensysteme gezählt (besonders die Cruisemissiles), deren Antriebssystem nur zum Teil auf dem Raketenprinzip beruht. Raketenwaffen können größere Weiten als aus Rohrwaffen verschossene Geschosse (Wurfkörper) erreichen und benötigen keine rückstoßaufnehmenden Abschussvorrichtungen, wodurch schwerere Gefechtsköpfe auch von einzelnen Schützen (Einmannwaffen) oder leichten Trägerfahrzeugen verschossen werden können. Als Abschussvorrichtungen dienen Startschienen oder leichte Führungsrohre sowie bei vertikaler Startrichtung auch Starttische oder -schächte (verbunkerte Startanlagen für interkontinentale Fernwaffen). Als Antriebe werden bislang nur chemische Raketentriebwerke verwendet, wegen guter Lagerfähigkeit und kurzer Startvorbereitungszeit bevorzugt Feststofftriebwerke. Triebwerke mit flüssigen Treibstoffen erlauben eine bessere Schubregulierung, werden jedoch kaum noch eingesetzt. Die Steuerung von Raketenwaffen erfolgt mithilfe unterschiedlicher Verfahren der Fernlenkung und der Eigenlenkung; heute werden oft beide Verfahren miteinander kombiniert. In diesen Fällen erfolgt die Steuerung des Zielanflugs in der letzten Phase mittels Radar- oder Infrarotsuchkopf durch die Rakete.
 
Ungelenkte Raketenwaffen sind nach dem Abfeuern nicht mehr steuerbar, sondern folgen dem Trägheitsprinzip; aufgrund der sich hieraus ergebenden geringen Treffgenauigkeit setzt man sie meist gegen Flächenziele ein. Hierbei werden von leichten Mehrfachraketenwerfern der Artillerie sowie von Erdkampfflugzeugen und Jagdbombern relativ große Munitionsmengen pro Zeiteinheit verschossen.
 
Gelenkte Raketen besitzen auch auf große Einsatzweiten hohe Treffgenauigkeit. Einsatzzweck, Lenkverfahren sowie die Art des Gefechtskopfes können dabei sehr unterschiedlich sein. Boden-Boden-Raketen zur Panzerabwehr besitzen Hohlladungsgefechtsköpfe, gelenkt werden sie bislang fast ausschließlich nach dem Zieldeckungsverfahren (Panzerabwehrraketensystem). Der Einsatz erfolgt von leichten, mobilen Abschussgestellen, Panzerfahrzeugen oder Hubschraubern aus. Schwere Boden-Boden-Raketen haben Reichweiten von 70 bis 13 000 km. Überwiegend mit Atomgefechtsköpfen ausgestattet, gehören sie als Kurz- und Mittelstreckenraketenwaffen (z. B. Scud B) sowie als Interkontinentalraketen (englisch intercontinental ballistic missile, Abkürzung ICBM) den jeweiligen Kategorien der Kernwaffen an; Gleiches gilt für U-Boot-gestützte Langstreckenraketenwaffen (englisch sea-launched ballistic missile, Abkürzung SLBM). Bei Raketenwaffen mit interkontinentaler Reichweite werden auch Gefechtsköpfe mit mehreren einzeln lenkbaren Sprengköpfen verwendet. Schiff-Schiff-Raketen sind den Besonderheiten der Seekriegführung speziell angepasste Waffensysteme. Moderne Typen fliegen als »Sea Skimmer« ihr Ziel mit hoher Geschwindigkeit streckenweise unter dem Radarhorizont an (3 bis 5 m über der Wasseroberfläche), sodass die Abwehrmöglichkeit verhältnismäßig gering ist. Als Hauptwaffensysteme der Überwassereinheiten haben die Schiff-Schiff-Raketenwaffen die schweren Rohrwaffen abgelöst, weit reichende Modelle werden aufgrund ihrer Antriebstechnik den Cruisemissiles zugeordnet.
 
Boden-Luft-Raketen und Schiff-Luft-Raketen (auch Flugabwehrraketensysteme genannt) dienen zur Bekämpfung von Luftzielen in allen Höhen. »Fliegerfäuste« sind Einmannwaffen mit einfachen Raketenabschussgestellen; aufwendiger sind komplexe, radargesteuerte Flugabwehrraketensysteme auf stationären oder landbeweglichen Startanlagen (u. a. Fla-Rak-Panzer mit Ketten- oder Räderfahrgestell). Eine Sonderform der Boden-Luft-Raketenwaffen bilden die v. a. zur Abwehr der anfliegenden Gefechtsköpfe von ICBM in Entwicklung befindlichen Antiraketenraketen (auch als Abfangraketen bezeichnet); entsprechende Waffen zur Bekämpfung von Kurz- und Mittelstreckenraketen sind in der längerfristigen Planung. Luft-Luft-Raketen werden von Jagdflugzeugen aus gegen Luftziele aller Art eingesetzt. Vor dem Abfeuern ermittelt ein Bordrechner die günstigste Schussposition und -entfernung. Nachdem die Rakete mit ungefährer Richtung auf das Ziel gestartet worden ist, steuert sie sich mithilfe eines Eigenlenksystems (Infrarot- oder Radarsuchzielkopf) ins Ziel. Luft-Boden-Raketen (»Stand-off-Missiles«) werden von Flugzeugen zur Bekämpfung stehender oder fahrender Erd- oder Seeziele (daher auch »Luft-Schiff-Raketenwaffen«) eingesetzt; sie bilden den wichtigsten Teil der Bewaffnung moderner Luftangriffsverbände. Die in Gebrauch stehenden Systeme (auch »Abstandswaffen« genannt) besitzen meist sehr große Reichweiten, die es dem Flugzeug ermöglichen, außerhalb des Abwehrbereichs um das Ziel bleiben zu können. Neben konventionell bestückten Luft-Boden-Raketenwaffen (meist getragen von Jagdbombern) gibt es mit nuklearem Sprengkopf ausgestattete, aufgrund ihrer Antriebstechnik und Flugeigenschaften den Cruisemissiles zugerechnete Flugkörper. Das amerikanische »Short-range attack missile« (SRAM; mit Atomsprengkopf) ist speziell zur Ausschaltung der gegnerischer Flugabwehreinrichtungen konstruiert. Waffenplattformen hierfür sind mittlere und schwere Bomber.
 
Literatur:
 
K.-H. Otto: Fla-Raketen (Berlin-Ost 1985);
 
Flugkörper u. Lenkraketen, hg. v. T. Benecke u. a. (1987).

Universal-Lexikon. 2012.