Sternsysteme,
physische und entwicklungsmäßige Einheiten von einigen wenigen Mrd. bis einigen 100 Mrd. Sternen sowie großer Mengen interstellarer Materie. Das Milchstraßensystem, die Galaxis, stellt ein derartiges Sternsystem dar. Die außerhalb des Milchstraßensystems befindlichen extragalaktischen Sternsysteme werden deshalb auch als Galaxien bezeichnet. Einige von ihnen, z. B. der Andromedanebel, erscheinen dem bloßen Auge und in kleineren Teleskopen als nebelhafte Objekte; auf dieses Aussehen geht der Ausdruck extragalaktische Nebel zurück.
Die Sternsysteme werden im Allgemeinen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild klassifiziert, da noch keine geschlossene theoretische Erklärung für die verschiedenen Beobachtungsphänomene existiert. In der auf E. P. Hubble zurückgehenden Hubble-Sequenz unterscheidet man 16 morphologische Grundtypen, die sich in drei Haupttypen, elliptische, spiralförmige und irreguläre Sternsysteme, zusammenfassen lassen.
Bei den elliptischen Sternsystemen (Symbol E) bewirkt die Sternverteilung eine vom Zentrum nach außen stetig abnehmende Flächenhelligkeit. In der Projektion an die Himmelskugel erscheinen die Systeme kreis- oder ellipsenförmig. Der Grad der Elliptizität wird durch eine dem Symbol E hinzugefügte Ziffer zwischen 0 und 7 angegeben, die sich (gerundet) aus 10 (a — b) / a ergibt, wobei a die Länge des größten, b die des kleinsten Durchmessers bedeuten. E0 bezeichnet ein kreisförmig erscheinendes Sternsystem, E7 ein System größter beobachteter Elliptizität. E0-Systeme müssen räumlich nicht unbedingt sphärisch sein, da elipsoidale Sternsysteme in geeigneter Projektion auch kreisförmig erscheinen. Elliptische Sternsysteme bestehen hauptsächlich aus relativ alten Sternen. Zur absoluten fotografischen Helligkeit, die zwischen etwa —10m und —22m liegt, tragen v. a. Rote Riesen- und Überriesensterne bei. Junge massereiche Sterne und interstellare Materie fehlen fast vollkommen.
Die Spindelgalaxien (S0-Systeme, linsenförmige Galaxien), deren Sternzusammensetzung der der elliptischen Sternsysteme ähnelt, stellen den Übergang von diesen zu den spiralförmigen Sternsystemen (Spiralgalaxien; Symbol S) dar. Die S0-Systeme haben ein auffällig helles Zentralgebiet, das von einer mehr oder minder gleichförmigen flachen Sternanordnung umgeben ist; Spiralstrukturen sind nicht erkennbar, doch oftmals breite, durch interstellaren Staub verursachte dunkle Streifen. Die absoluten Helligkeiten gleichen etwa denen der E-Galaxien. Spiralsysteme haben eine rotationssymmetrisch abgeplattete zentrale Sternanhäufung (Zentralkörper), um die sich zwei oder mehr Spiralarme winden. Bei der Untergruppe der Sa-Systeme ist der Zentralkörper groß und hell, die Arme sind eng um ihn geschlungen, bei den Sc-Spiralen ist er klein, die Arme sind weit geöffnet. Der Typ Sb nimmt eine Zwischenstellung ein. Das Milchstraßensystem ist wahrscheinlich eine Sb-Spirale. Die Balkenspiralen (Symbol SB) besitzen eine radial vom Zentralkörper ausgehende Sternanhäufung, einen »Balken«, an den sich, zum Teil scharf abgewinkelt, Spiralarme anschließen. Diese bilden entweder fast einen Kreis (SBa-Systeme) oder haben eine mehr s-förmige Gestalt (SBc-Systeme). Den Zentralkörper der S- und SB-Spiralen bildet eine relativ alte Sternpopulation, für die Spiralarme sind leuchtkraftstarke massereiche junge Sterne und Gebiete ionisierten interstellaren Wasserstoffs charakteristisch, die in eine stark abgeflachte, diskusähnliche Sternverteilung (die »Scheibe«) eingebettet sind. Die absoluten fotografischen Helligkeiten der S- und SB-Galaxien liegen zwischen etwa —16m und —21m.
Irreguläre Sternsysteme (Symbol Irr) lassen weder eine regelmäßige Form noch eine innere Struktur erkennen. Die Systeme vom Typ Irr I besitzen sowohl alte als auch junge Sterne und eine relativ große Menge interstellarer Materie. Die absoluten Helligkeiten liegen zwischen etwa —14m und —18m. Bei den Systemen vom Typ Irr II handelt es sich zum Teil um zusammenstoßende Sternsysteme, zum Teil um aktive elliptische oder spiralförmige Sternsysteme mit starken Masseauswürfen, wodurch die ursprünglich regelmäßige Erscheinungsform stark gestört ist.
Alle Sternsysteme mit einer geringeren absoluten fotografischen Helligkeit als —16m bezeichnet man als Zwerggalaxien.
Zu den scheinbar helleren Sternsystemen tragen die elliptischen Sternsysteme rd. 14 %, die S- beziehungsweise SB-Spiralen 72 beziehungsweise 11 % und die Irr-Systeme rd. 3 % bei. Die linearen Durchmesser der elliptischen und S0-Systeme liegen im Mittel zwischen etwa 1 und 50 kpc, die der Spiralsysteme zwischen 10 und 30 kpc und die der irregulären Typ-I-Systeme zwischen 5 und 20 kpc. Einige elliptische und spiralförmige Riesengalaxien haben jedoch auch Durchmesser von einigen 100 kpc.
Aufbau und Gruppierungen von Sternsystemen:
Das eigentliche Zentrum eines elliptischen beziehungsweise spiralförmigen Sternsystems ist der Galaxienkern, dessen Durchmesser wenige Parsec (pc) beträgt. Er besteht möglicherweise aus einer Anhäufung vieler Einzelsterne mit einer um viele Zehnerpotenzen höheren Sternanzahldichte als in den äußeren Bereichen eines Sternsystems, stellt aber wahrscheinlich ein infolge direkter Sternzusammenstöße entstandenes Schwarzes Loch dar. Aktive Sternsysteme sind durch eine im Allgemeinen stark veränderliche, intensive nichtthermische Strahlung im Radio-, optischen und Röntgenbereich gekennzeichnet, die sich der (thermischen) Sternstrahlung überlagert. Die nichtthermischen Strahlungsquellen sind v. a. im Galaxienkern konzentriert. Dessen Aktivität ist in einigen Sternsystemen aufgrund von Materieauswürfen direkt sichtbar. Vermutlich steht die Kernaktivität mit dem Einsturz von Materie in das zentrale Schwarze Loch im ursächlichen Zusammenhang, doch sind die physikalischen Prozesse noch weitgehend unbekannt. Zu den aktiven Galaxien gehören Seyfert-Galaxien, BL-Lacertae-Objekte, Radiogalaxien und Quasare.
Sternsysteme haben die Tendenz zur Gruppenbildung. Ein großer Teil der beobachteten Sternsysteme sind Mitglieder von Doppel- und Mehrfachgalaxien. Galaxiengruppen, z. B. die lokale Gruppe, zu der das Milchstraßensystem gehört, bestehen aus etwa 10 bis 50 Sternsysteme, große Galaxienhaufen wie der Virgo-Haufen hingegen aus einigen 1 000 Sternsystemen. Die Galaxienhaufen ordnen sich vielfach in filamentartigen Strukturen, den Supergalaxienhaufen, mit großen galaxienfreien Räumen dazwischen an. Ihre Gesamtheit erfüllt vermutlich das gesamte Weltall. Die in den Spektren der Sternsysteme beobachtete systematische Rotverschiebung ist ein Beweis für die Expansion des Weltalls (Hubble-Effekt). Danach bewegen sich alle Galaxien voneinander weg, und zwar umso schneller, je weiter ihr gegenseitiger Abstand ist. Nach der Größe der Rotverschiebung haben die fernsten beobachteten Sternsysteme einen Abstand von über 10 Mrd. Lj.
Die Sternsysteme haben sich aus der das Weltall in einer frühen Entwicklungsphase erfüllenden »Urmaterie« (Kosmologie) gebildet. Gasmassen von einigen 1010 bis 1011 Sonnenmassen und einem mehr oder minder großen Drehimpuls kontrahierten infolge ihrer Eigengravitation. Die Kontraktion erfolgte zunächst radial und ging wegen der wachsenden Zentrifugalkräfte später immer mehr in eine Kontraktion parallel zur Rotationsachse über. Eine anfangs kugelförmige Gasmasse flachte sich so immer mehr ab, und zwar umso stärker, je höher der ursprüngliche Drehimpuls war. An diesem Prozess nahm nur das bei der gleichzeitig stattfindenden Sternentstehung nicht verbrauchte Restgas teil. Die schon gebildeten Sterne und Sternhaufen erfüllen noch jetzt die Räume, in denen sie entstanden sind. Elliptische Sternsysteme gingen wahrscheinlich aus Gasmassen mit geringem, Spiralsysteme aus solchen mit hohem Drehimpuls hervor. Spiralsysteme konnten später zu elliptischen werden, falls sie bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Sternsystemen ihre interstellare Materie verloren hatten, sodass die Bildung neuer Sterne aufhörte.
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
extragalaktische Sternsysteme: Galaxien, Galaxienhaufen und Superhaufen
Universal-Lexikon. 2012.