Tschetschenen,
Eigenbezeichnung Nạchtschi, Volk im nördlichen Kaukasus, v. a. in den Republiken Tschetschenien und Inguschetien, als Minderheit auch in der Republik Dagestan sowie in anderen Teilen Russlands, auch in Kasachstan, Kirgistan und in der Ukraine sowie in der Türkei; insgesamt etwa 940 000 Menschen. Die meisten Stämme (Auch, Nazran, Karabulakh u. a.) sind sunnitische Muslime; nur die Kist in Georgien sind orthodoxe Christen. Die traditionelle Wirtschaft bestand aus hoch entwickeltem Feldbau in den Ebenen, Viehzucht (Schafe) im Gebirge. Infolge der kaukasischen Kriege wurde im 19. Jahrhundert die Pferdezucht intensiviert, ebenso das traditionsreiche Waffenschmiedehandwerk. Freie Geschlechterverbände bildeten politische und wirtschaftliche Einheiten (keine Feudalstruktur wie sonst im Nordkaukasus) und waren untereinander oft stark zerstritten (verheerende Sippenkriege). Im Gebirge bewohnten sie Wohntürme mit einem daneben errichteten Wehrturm für Belagerungszeiten. Trotz christlicher und islamischer Mission blieben traditionelle Vorstellungen bis ins 19. Jahrhundert lebendig (Herdkult, Verehrung von Naturgottheiten, Aussetzen der Verstorbenen in Totenhäusern). - Die im 8. Jahrhundert oberflächlich christianisierten Tschetschenen nahmen im 16. Jahrhundert den Islam an und unterstützten den Führer des Muridismus, Schamil, in seinem Kampf gegen die Russen (1834-59). 40 000 Tschetschenen flohen in die Türkei. Die sowjetische Verfassung von 1936 gab den Tschetschenen mit der Errichtung der ASSR der Tschetschenen und Inguschen einen staatlichen Rahmen innerhalb der RSFSR. Im Zweiten Weltkrieg ließ Stalin die Tschetschenen wegen angeblicher Zusammenarbeit mit den Deutschen nach Zentralasien deportieren. 1957 von der sowjetischen Partei- und Staatsführung rehabilitiert, durften die Tschetschenen wieder in ihre Gebiete zurückkehren. 1994-96 kämpften die nach staatlicher Unabhängigkeit strebenden Tschetschenen verlustreich gegen eine russische Militärintervention.
Universal-Lexikon. 2012.