To|ten|tanz 〈m. 1u〉
1. Darstellung der Macht des Todes über alle Menschen durch einen Tanz
2. bildl. Darstellung vom Walten des Todes
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To|ten|tanz, der:
a) (bild. Kunst) [spätmittelalterliche] allegorische Darstellung eines Reigens, den der ↑ Tod (2) mit Menschen jeden Alters u. Standes tanzt;
b) (Musik) meist mehrteilige Komposition, die Dialog u. Tanz des ↑ Todes (2) mit den Menschen zum Thema hat.
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Totentanz,
französisch Danse macabre [dãsma'kabr], Darstellung von Menschen jeden Alters und Standes, die einen Reigen mit Toten tanzen, von denen sie gepackt und weggerafft werden. Die Bilder wurden durch Verse erläutert, in denen die dem Tod Verfallenen mit ihren Partnern Zwiesprache halten. In späteren, nicht mehr einen Tanz darstellenden Bilderfolgen, ebenfalls als Totentanz bezeichnet, erscheint jeweils einem Lebenden ein nunmehr den Tod selbst verkörperndes Skelett zugeordnet, oft mit Sense und Stundenglas. - Die nicht zu den offiziellen kirchlichen Themen gehörenden Totentänze wurden, zuerst wohl in Frankreich, meist auf Mauern von Kirchhöfen, Kapellen und Beinhäusern gemalt, so auf dem Kirchhof von Saints-Innocents in Paris (1425; zerstört). Nicht erhalten sind auch die durch Kopien und Nachzeichnungen überlieferten Totentänze der Marienkirche in Lübeck (von B. Notke, 1463 oder 1466 vollendet) und des Dominikanerklosters in Bern (von N. Manuel, 1517-19). Unter den grafischen Darstellungen ragen zwei Holzschnittfolgen hervor: »La danse macabre« (Paris 1485, herausgegeben von Guy Marchand) und die »Todesbilder« von H. Holbein dem Jüngeren (entstanden 1523-26, veröffentlicht 1538), mit dem die Entwicklung ihren Abschluss fand. Im 19. Jahrhundert griff A. Rethel das Thema erneut auf (»Auch ein Totentanz«, 1849 erschienen), im 20. Jahrhundert u. a. A. Kubin, E. Barlach, HAP Grieshaber, H. Janssen und A. Hrdlicka.
Totentanzdichtungen in Monologen, später in Dialogen, sind seit der Mitte des 14. Jahrhunderts bekannt, z. B. der »Oberdteutsche Totentanz« in lateinischen Hexametern und seine erweiterte, im 15. Jahrhundert in Handschriften, Blockbüchern und auf Totentanzgemälden weit verbreitete deutsche Übersetzung in Dialogen (entstanden 1350-60). F. Villons berühmte »Ballade des pendus« (gedruckt 1489) lässt Gehenkte in Form eines Tanzliedes ihr Schicksal beklagen. Der Totentanzgedanke taucht auch im Volkslied und im geistlichen Spiel auf, im Volksspiel wirkt er bis ins 20. Jahrhundert weiter.
Seit dem 16. Jahrhundert wurden im Anschluss an die spätmittelalterlichen bildlichen oder literarischen Darstellungen meist mehrteilige (zyklische), auf verschiedene Begebenheiten bezogene Stücke komponiert. Bekannt sind v. a. der »Totentanz, Paraphrase über Dies irae« (1859) für Klavier und Orchester von F. Liszt und die sinfonische Dichtung »La danse macabre« (1875) von C. Saint-Saëns.
S. Cosacchi: Makabertanz. Der T. in Kunst, Poesie u. Brauchtum des MA. (1965);
H. Rosenfeld: Der mittelalterl. T. (31974);
R. Hammerstein: Tanz u. Musik des Todes. Die mittelalterl. T. u. ihr Nachleben (Bern 1980);
T. aus 6. Jh., hg. v. Rolf H. Schmitz, Ausst.-Kat. (1982);
J. Huizinga: Herbst des MA. (a. d. Niederländ., Neuausg. 1987);
Tanz u. Tod in Kunst u. Lit., hg. v. F. Link (1993);
Der T. der Marienkirche in Lübeck u. der Nikolaikirche in Reval (Tallinn). Edition, Kommentar, Interpretation, Rezeption, hg. v. H. Freytag (1993).
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Universal-Lexikon. 2012.