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Vitalismus
Vi|ta|lịs|mus 〈[ vi-] m.; -; unz.〉 Lehre, dass allem organ. Leben eine besondere, über die physikal.-chem. Vorgänge hinausgehende Lebenskraft innewohne [<frz. vitalisme „Lehre vom Lebensprinzip, Vitalismus“ <lat. vitalis „Leben spendend, Lebens...“; zu vita „Leben“]

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Vi|ta|lịs|mus, der; -:
naturphilosophische Richtung, die im Unterschied zum Mechanismus (3) ein immaterielles Prinzip od. einen eigenen substanziellen Träger alles Lebendigen annimmt.

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Vitalịsmus
 
[v-; zu vital] der, -, die Lehre, dass sich die Lebenserscheinungen nicht allein aus physikalisch-chemischen Prozessen erklären lassen, sondern für sie ein eigenes, immaterielles Prinzip angenommen werden muss. In der Philosophie und Biologie bezeichnet Vitalismus die Auffassung, die im Unterschied zum Mechanismus die innere Gesetzlichkeit der Organismen auf eine »Lebenskraft« (vis vitalis) oder (als Psychovitalismus) auf ein seelenähnliches Organisationsprinzip (Entelechie) zurückzuführen sucht (Leben).
 
Als Begründer des Vitalismus gilt Aristoteles; er nahm an, dass in einem nicht wirkursächlichen Vorgang die Organisationsmuster der »Seele«, d. h. der immateriellen Form des Lebewesens, auf die leblose Materie prägend einwirken (Entelechie), damit ein Organismus entsteht. Dementsprechend können Organismen in ihrer Eigentümlichkeit nur aus der organisierenden Form des Gesamtorganismus, ihrer Finalität, verstanden werden (Teleologie). Der Vitalismus kam in der Renaissance (z. B. bei Paracelsus) in dem Gegensatz von Organizismus und Mechanismus wieder auf und war zwischen 1700 und 1850, v. a. gegen den cartesianischen Mechanismus- und Automatismusstandpunkt gerichtet, unter Physiologen wie Philosophen weit verbreitet. Zu den Vertretern zählten u. a. im 17. Jahrhundert J. B. van Helmont, G. E. Stahl, später C. Wolff, der schottische Arzt Robert Whytt (* 1714, ✝ 1766), die französischen Ärzte Paul Joseph Barthez (* 1734, ✝ 1806), M. F. X. Bichat. Eine besondere Lebenskraft (der Archeus, der »spiritus«, die »plastische Natur« u. Ä.) wurde für die Form und Gestalt von Organismen oder ein »Bildungstrieb« (Johannes Peter Müller, J. F. Blumenbach) für die organische Struktur verantwortlich gemacht. Eine Synthese von Mechanismus und Vitalismus versuchte G. W. Leibniz mit seiner Lehre von den verschiedenen Stufen der Kraftentfaltung. Auch I. Kant nahm eine vermittelnde Stellung zwischen Mechanismus und Vitalismus ein; nach ihm ist eine rein mechanistische Erklärung von Organismen unmöglich, ein teleologisches Erklärungsmuster, in dem Vitalkräfte einen Platz haben, zu heuristischen Zwecken hingegen denkbar. - In der Naturphilosophie der Romantik (C. G. Carus), die in der unendlichen Produktivität das Wesentliche der lebendigen Wirklichkeit sah, erfolgte eine gewisse Annäherung an den Vitalismus; in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde er jedoch, u. a. durch die Selektionstheorie C. R. Darwins, von einer kausal-deterministischen Erklärungsweise verdrängt. - H. Driesch, ein Vertreter des Neovitalismus, bestimmte den Vitalismus als Theorie der Autonomie der Lebensprozesse und versuchte diese durch Ergebnisse v. a. der Embryologie und Physiologie zu erhärten.
 
Literatur:
 
G. Wolff: Mechanismus u. V. (21905);
 H. Driesch: Gesch. des V. (21922);
 A. Meyer-Abich: Naturphilosophie auf neuen Wegen (1948);
 H. Conrad-Martius: Der Selbstaufbau der Natur. Entelechien u. Energien (21961);
 H. Rehder: Denkschritte im V. Ein weiterführender Beitr. zur Evolutionsfrage (1988).
 

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Vi|ta|lịs|mus, der; -: naturphilosophische Richtung, die im Unterschied zum ↑Mechanismus (3) ein immaterielles Prinzip od. einen eigenen substanziellen Träger alles Lebendigen annimmt.

Universal-Lexikon. 2012.