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Bahai-Religion
Bahai-Religion,
 
aus dem Babismus hervorgegangene humanitär-aufklärerische Religionsgemeinschaft, gegründet von Mirza Husain Ali (* 1817, ✝ 1892), genannt Baha'u'llah (»Herrlichkeit Gottes«). Er wurde aus seiner Heimat Persien ausgewiesen, erklärte sich 1863 zur Manifestation Gottes, lebte seit 1868 in osmanischer Internierung in Akka und hinterließ eine heilige Schrift, das »Kitab-i Akdas« (»Hochheiliges Buch«). Sein Sohn Abbas Efendi (* 1844, ✝ 1921), genannt Abdul Baha (»Diener der Herrlichkeit«), verbreitete seine Lehre auf Reisen nach Ägypten, Europa und Amerika. Nach ihm leitete sein Sohn Shogi Efendi bis zu seinem Tod 1957 die Religionsgemeinschaft. Gegenwärtig hat die Bahai-Religion nach eigenen Angaben weltweit rd. 5 Mio. Mitglieder, davon rd. ein Drittel in Indien. Daneben bestehen größere Bahai-Gemeinschaften in Iran (rd. 300 000) und in den USA (rd. 100 000). In Deutschland bekennen sich rd. 4 500, in der Schweiz rd. 1 000 Menschen zur Bahai-Religion. In Ländern mit einer größeren Anzahl von Ortsgemeinden wird jährlich ein Nationaler Geistiger Rat gewählt. Diese Räte (1995: 174) wählen seit 1963 alle fünf Jahre ein neunköpfiges oberstes Leitungsgremium, das »Universale Haus der Gerechtigkeit« (Sitz: Haifa); Sitz des nationalen Zentrums in Deutschland ist Langenhain (zu Hofheim am Taunus).
 
Die Bahai-Religion versteht sich als vernunft- und wissenschaftsgemäß. Nach ihrer Lehre ist Gott transzendent, die aus ihm hervorgehende Welt ewig. Gott manifestierte sich in Propheten, u. a. Zarathustra, Jesus, Mohammed und Baha Ullah; auf den Letzteren können mit fortschreitender Menschheitsentwicklung noch weitere folgen. Die Bahai-Religion vertritt die Gleichheit und gegenseitige Liebe aller Menschen ohne Ansehen von Geschlecht, Rasse und Nation. Zu ihren Zielen gehören die Förderung der allgemeinen Erziehung, des sozialen Fortschritts und des Friedens sowie die Errichtung eines Weltgerichtshofs und die Einführung einer Weltsprache. Es besteht kein gottesdienstlicher Ritual. An jedem Ersten ihrer 19 Monate zu je 19 Tagen (jeweils am Vorabend beginnend) versammeln sich die Gläubigen zu Lesungen aus den heiligen Schriften (auch aus Bibel und Koran), Besprechung von Gemeindeangelegenheiten und gemeinsamem Mahl (»Neunzehntagefest«). Pflichten sind außerdem das tägliche Gebet, Fasten im letzten der 19 Monate (nach Art des Ramadan) sowie der Verzicht auf Alkohol und Drogen.
 
In ihrem Ursprungsland Iran bilden die Bahai die größte religiöse Minderheit, sind jedoch rechtlich nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt und als dem Islam »Abtrünnige« in ihren staatsbürgerlichen Rechten zahlreichen staatlichen Beschränkungen ausgesetzt. Unmittelbar nach Errichtung der Islamischen Republik in Iran (1979) kam es, ungeachtet internationaler Proteste, zur systematischen Verfolgung der Bahai. Nach einer Phase der innenpolitischen Entspannung seit Ende der 1980er-Jahre wurden 1993 erneut Todesurteile gegen Angehörige der Bahai-Religion verhängt.
 
Literatur:
 
G. Rosenkranz: Die Bahai (1949);
 R. Jockel: Die Glaubenslehren der Baha'i-Religion (1951);
 J. E. Esselmont: Baha'ullah u. das neue Zeitalter (61976);
 M. Hutter: Die Bahá'í. Gesch. u. Lehre einer nachislam. Weltreligion (1994).

Universal-Lexikon. 2012.