chrịstliche Gewerkschaften
[k-], auf Betreiben der katholischen und evangelischen Arbeitervereine Ende des 19. Jahrhunderts im Sinne der christlich-sozialen Bewegung gegründete Arbeitnehmerorganisationen, die in bewusster Abkehr von sozialistischen Zielen die christlichen Arbeitnehmer beider Konfessionen organisierten. Im Geiste der sozialethischen Vorstellungen des katholischen Bischofs W. E. von Ketteler und der Sozialenzyklika Papst Leos XIII. »Rerum novarum« wollten sie durch die Bildung einer »sittlichen Interessengemeinschaft« von Arbeitgebern und Arbeitnehmern die soziale Frage lösen. Anders als die »freien« sozialistischen Gewerkschaften lehnten sie den Klassenkampf ab und vertraten eine parteipolitische Neutralität. Der »Gesamtverband christlicher Gewerkschaften« wurde 1901 als Dachorganisation von elf Zentralverbänden mit etwa 150 000 Mitgliedern gegründet. Die christlichen Gewerkschaften konnten sich mit ihren sozialpolitischen Programmen zunächst in beiden Kirchen durchsetzen, allerdings entwickelte sich zwischen der katholischen Kirche und den christlichen Gewerkschaften, als im Gewerkschaftsstreit das Prinzip der Interkonfessionalität infrage gestellt wurde, ein Konflikt, der erst nach dem Ersten Weltkrieg endgültig beigelegt werden konnte. Mit (1921) 1,1 Mio. Mitgliedern hatten die christlichen Gewerkschaften ihre größte Bedeutung nach dem Ersten Weltkrieg. Als 1933 alle Gewerkschaften vom nationalsozialistischen Regime zwangsaufgelöst wurden, stellten sich die christlichen Gewerkschaften im Mai 1933 zunächst unter ein »Aktionskomitee zum Schutz der deutschen Arbeit«, wurden dann aber Ende Juni 1933 endgültig zerschlagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von den Vertretern der christlichen Gewerkschaften zunächst davon abgesehen, eigenständige Organisationen zu errichten. Außer im Saarland (französische Besatzungszone) wurde die Zulassung weiterer Gewerkschaften neben dem neu gegründeten Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) durch den alliierten Kontrollrat verboten. Wegen Differenzen über die einseitige parteipolitische Ausrichtung des DGB kam es 1955 zum Austritt christlicher Gewerkschafter, die im selben Jahr die »Christliche Gewerkschaftsbewegung Deutschlands« (CGD) gründeten. 1959 wurde die CGD in »Christlicher Gewerkschaftsbund Deutschlands« (CGB) umbenannt; Sitz Bonn. Der CGB wurde gegen den Willen der evangelischen Kirche gegründet, die an der Einheitsgewerkschaft festhielt und mit dem DGB zusammenarbeitete. Er ist eine anerkannte gewerkschaftliche Spitzenorganisation und wirkt an allen relevanten Gesetzesvorhaben sowie an sonstigen den Gewerkschaften vorbehaltenen Beteiligungen in Staat und Gesellschaft mit. Seine Einzelgewerkschaften sind Tarifpartner in allen wesentlichen Tarifbereichen. International ist der CGB u. a. in die europäischen Fachorganisationen des Weltverbandes der Arbeitnehmer (WVA) eingebunden.
In Europa bestehen bedeutendere christliche Gewerkschaften in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, der Schweiz und Italien. In Österreich existiert innerhalb der Einheitsgewerkschaft (ÖGB) eine christliche Fraktion, die dem WVA angehört. Die christlichen Gewerkschaften Afrikas, Amerikas und Asiens sind gegenwärtig noch wenig einflussreich.
B. Koch: Der christl. Gewerkschaftsbund (1979).
Universal-Lexikon. 2012.