Falạscha
[amharisch Fälaša »Vertriebene«], Falasha, Schwarze Juden, Selbstbezeichnung Beta Ịsrael [»Haus Israel«], die äthiopischen Juden, vermutlich Nachkommen von durch frühe jüdischen Missionare bekehrten Äthiopiern (Agau). Sie leben v. a. im Bereich des Tanasees; meist Bauern und Handwerker (Schmiede, Zimmerleute, Töpferinnen). Die jüdische Überlieferung sieht in den Falascha Nachkommen des Stammes Dan, der nach dem Untergang Judas in das Land Kusch gezogen sei; jüdische Legenden sprechen von ihnen als den Nachkommen König Salomos und der Königin von Saba. Die Falascha wahrten seit jeher ihr eigenständiges Judentum, das sich auf das Alte Testament (in der christlich-äthiopischen Übersetzung) bezieht. Die hebräische Bibel, Mischna und Talmud waren ihnen bis in die Gegenwart unbekannt. Die Falascha praktizieren die Reinheitsgebote, heiligen den Sabbat und feiern das Passahfest, nicht jedoch die nachexilischen Feste Purim und Chanukka. Ihre Kultsprache ist das Geez. Sonst sprechen sie je nach Wohngebiet verschiedene Sprachen: in Zentraläthiopien Amharisch, in Nordäthiopien Tigrinja, am Tanasee Kwarasa (Variante der Kuschitensprache Kwara).
Im 9. Jahrhundert erstmals erwähnt, bildeten die Falascha in vielen Gebieten des Amharen-Hochlands bis ins 15./16. Jahrhundert die Bevölkerungsmehrheit; vermutlich haben sie zeitweise das Reich Aksum beherrscht. Von den christlichen äthiopischen Kaisern, gegen die sie häufig revoltierten, wurden sie unterworfen, dezimiert, zwangsbekehrt oder zu einer unterdrückten Minderheit gemacht. Nach dem Sturz Kaiser Haile Selassies 1974 als Religionsgemeinschaft rechtlich gleichgestellt, unterlag die religiöse Betätigung der Falascha jedoch auch unter den folgenden marxistischen Regierungen zeitweilig staatlichen Restriktionen. Seit 1904 gibt es Kontakte zum westlichen Judentum. 1972 sind ihre Traditionen vom sephardischen Oberrabinat als jüdisch anerkannt worden. Anlässlich der äthiopischen Hungersnot 1984 konnten um die Jahreswende 1984/85 über 10 000 der etwa 25 000 Falascha über den Sudan nach Israel auswandern (»Operation Moses«). In einer zweiten Auswanderungsaktion ließ die israelische Regierung auf dem Höhepunkt des äthiopischen Bürgerkriegs 1991 über eine Luftbrücke weitere 15 000 Falascha nach Israel ausfliegen (»Operation Salomo«). Heute (1996) leben nach israelischen Angaben keine Falascha mehr in Äthiopien, nach anderen Angaben noch einige hundert.
Der vergessene Stamm. Die äthiop. Juden u. ihre Gesch., Beitrr. v. R. C. Schneider u. E. Baitel (Wien 1995).
Universal-Lexikon. 2012.