Abessinien (veraltet)
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Äthi|o|pi|en; -s:
Staat in Ostafrika.
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Äthiopi|en,
Fläche: 1 133 380 km2
Einwohner: (2000) 64,1 Mio.
Hauptstadt: Addis Abeba
Amtssprache: Amharisch
Nationalfeiertag: 28. 5.
Zeitzone: 1400 Addis Abeba = 1200 MEZ
amharisch Ityopia, deutsch Demokratische Bundesrepublik Äthiopien, früher Abessinien, Staat in Nordostafrika, zwischen Eritrea, der Republik Sudan, Kenia, Somalia und Djibouti, umfasst 1 133 380 km2 und hat (2000)64,1 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Addis Abeba, Amtssprache Amharisch. Währungseinheit: Birr (Br) = 100 Cent (ct). Uhrzeit: 1400 Addis Abeba = 1200 MEZ.
Staat und Recht:
Die am 22. 8. 1995 in Kraft getretene Verfassung bestimmt Äthiopien als parlamentarische Republik mit bundesstaatlicher Ordnung, garantiert den verschiedenen ethnischen Gruppen der Bevölkerung weitgehende Autonomie und räumt jeder der auf der Grundlage ethnischer Kriterien (Siedlungsgebiete) gebildeten 9 Regionen das Recht des Austritts aus dem Staatsverband (Sezession) ein, wenn sich ihre Bevölkerung in einem Referendum mehrheitlich dafür ausspricht. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit auf sechs Jahre gewählte Präsident (einmalige Wiederwahl möglich). Der Präsident nimmt vorrangig repräsentative Aufgaben wahr. Die Exekutivgewalt liegt beim Ministerpräsident. Er ernennt die Mitglieder des Kabinetts, verfügt über die politische Richtlinienkompetenz und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Legislatives Organ auf Bundesebene ist das Zweikammerparlament (Shengo), bestehend aus dem Rat der Volksvertreter, dessen 548 Abgeordneten auf fünf Jahre gewählt werden, und dem Bundesrat, dessen 117 Mitglieder alle ethnischen Gruppen repräsentieren. Die 9 Regionen verfügen über eigene Legislativ- und Exekutivorgane.
Parteien:
Einflussreichste Partei innerhalb eines breit gefächerten Spektrums ist die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF). Sie koaliert mit der Oromo People's Democratic Organization (OPDO). Die Oromo Liberation Front (OLF), die eine der größten Volksgruppen Äthiopiens vertritt, die All Amhamra People's Organization (AAPO), die Western Somali Liberation Front (WSLF), die Islamic Front for the Liberation of Ogaden (IFLO) u. a. stehen in Opposition zur Regierung und leisten zum Teil militanten Widerstand gegen das in der Verfassung verankerte Sezessionsrecht beziehungsweise gegen die Bestimmung, wonach Land, das nach 1974 enteignet wurde, in Staatsbesitz verbleibt.
Das 1992 eingeführte Wappen stellt einen grünen Schild dar, in dessen unterer Hälfte eine weiße Brücke abgebildet ist, auf der die Waage der Gerechtigkeit ruht, die von einer darüber schwebenden weißen Taube gehalten wird. Der Schild wird in der oberen Hälfte von zwei Ähren umgeben, die die Landwirtschaft symbolisieren, die untere Hälfte fasst ein schwarzes Zahnrad als Symbol für die Industrie ein. Über dem Schild spannt sich ein Schriftband in Amharisch, unter dem Schild eines in Englisch mit dem Text: Übergangsregierung von Äthiopien.
Nationalfeiertage:
28. 5., er erinnert an die Niederlage des Mengistu-Regimes 1991.
Äthiopien ist in 9 Regionen gegliedert. Die Hauptstadt Addis Abeba und die Stadt Dire Dawa bilden eigene Verwaltungseinheiten.
Unter einem Obersten Gerichtshof bestehen Gerichte auf allen Ebenen der administrativen Gliederung bis hinunter zu den Gemeinden. Als historisch vergleichsweise einmaligen Vorgang stellt das neue System die Vertreter des gestürzten Regimes wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen unter Anklage, wobei es sich besonders auf das äthiopische Strafgesetz von 1957 und die Grundsätze des Völkerstrafrechts (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) stützt.
Mit dem Ende des Regimes von Mengistu Haile Mariam (1991) zerfiel dessen Armee vollständig. Seit 1993 sind neue nationale Streitkräfte im Aufbau, die sich im Wesentlichen aus den Verbänden der EPRDF (etwa 100 000 Mann) rekrutieren. Die Ausrüstung besteht vorwiegend aus den erbeuteten Restbeständen der ehemaligen Regierungstruppen, so u. a. aus etwa 350 Kampfpanzern vom Typ T-54/-55 und T-62 sowie etwa 50 Kampfflugzeugen vom Typ MiG-21 und MiG-23.
Landesnatur und Bevölkerung:
Die Landesnatur von Äthiopien nimmt im Rahmen Tropisch-Afrikas eine Sonderstellung ein. Äthiopien ist das höchstgelegene Land Afrikas; 50 % seiner Fläche liegen höher als 1 200 m über dem Meeresspiegel, mehr als 25 % über 1 800 m, über 5 % erreichen Höhen über 3 500 m über dem Meeresspiegel. Dennoch hat der größte Teil des Hochlandes Mittelgebirgscharakter. Als Großformen herrschen Flächen vor, denen vielfach weitgespannte Vulkanmassive aufgesetzt sind. Dagegen sind die Hochlandränder und die tiefen Einschnitte der Flüsse (Blauer Nil, Omo, Takaze) sehr steil ausgebildet. Im niedrigeren südwestlichen Kaffahochland ist der Plateaucharakter infolge starker Reliefierung weniger deutlich ausgeprägt als im nördlichen Amharenhochland. Südöstlich davon verläuft der abflusslose, von jungen Vulkanen durchsetzte Äthiopische Graben (er gehört zum Ostafrikanischen Grabensystem), der sich nach Nordosten trichterförmig zur trocken-heißen Danakilsenke (Afarsenke) öffnet. Die zur Grabenflanke hin aufgewölbte, teilweise bis über 4 000 m über dem Meeresspiegel aufsteigende und sich nach Osten abdachende Somalitafel ist weniger tief zerschnitten. Den westlichen und südwestlichen Hochlandrand begleitet ein Streifen tieferen Berg- und Hügellandes, der von den Kernräumen aus schwer zugänglich ist.
Die klimatischen Unterschiede innerhalb von Äthiopien sind in erster Linie durch die Höhe bedingt. Die jährlichen Niederschläge steigen allgemein mit der Höhe an, weisen aber unabhängig davon im niedrigeren Süden des Berglands höhere Werte auf als im Norden und Osten (unter 600 mm, Godjam und Wollo mehr als 1 600 mm, Kaffahochland mehr als 2 000 mm). Die Niederschläge fallen v. a. im Sommer. Ausgeprägt trocken ist der größte Teil der Danakilsenke sowie der Südosten des Landes.
Dem Höhenanstieg entsprechen Klima- und Vegetationsstufen: Bis 1 800 m über dem Meeresspiegel reicht die tropisch heiße Kolla; sie ist als Halbwüste, Dornsavanne oder Trockensavanne ausgebildet. Die warmgemäßigte Zone zwischen 1 800 und 2 500 m über dem Meeresspiegel heißt Woina Dega; hier wuchsen ursprünglich Bergwälder, die jedoch weitgehend vom wirtschaftenden Menschen verdrängt worden sind. Darüber liegt die gemäßigte Dega, ein baumarmes Höhengrasland, das bevorzugte Weidegebiet. In allen Höhenstufen schwanken die monatlichen Durchschnittstemperaturen um weniger als 5 ºC, die tageszeitlichen dagegen um bis über 20 ºC.
Die Äthiopier sind nach Abstammung (Äthiopide) und Kultur sehr unterschiedlich. Auf die Einwanderung semitischer Stämme aus Südwestarabien in vorchristlicher Zeit gehen die Amhara (28 % der Bevölkerung) und Tigre (9 %) sowie die Tigrinja, Gurage und Harari zurück; sie sprechen südsemitische Sprachen, leben im Hochland und sind vorwiegend Christen. Semiten sind auch die Falascha. Das ältere Element stellen die Gruppen mit kuschitischen Sprachen dar; sie bekennen sich vorwiegend zum Islam. Dazu gehören die Oromo im Süden als größte Bevölkerungsgruppe (40 %), die Sidamo im Süden östlich des Abajasees (9 %), die Somal im Südosten (6 %), die Danakil im nordöstlichen Tiefland und die Bedja im Norden. Im Süden und Südwesten leben negride Gruppen (4 %) mit hamitischen und nilotischen Sprachen.
Die ehemaligen Provinzen Gondar (Begemdir) und Godjam sind fast rein, Schoa und Wollo überwiegend amharisch. Von diesem Kernraum aus haben der äthiopische Staat und die äthiopische orthodoxe Kirche ihre Macht über die Lebensräume der übrigen Völker in den letzten 100 Jahren ausgedehnt und dem Land eine feudale Struktur gegeben. Das Amharische wurde Staatssprache, während das Geez sich als Kirchensprache erhalten hat.
Die Bevölkerungsdichte ist am höchsten in der Höhenstufe der Woina Dega, am niedrigsten in der Danakilsenke. 17 % der Bevölkerung leben in Städten und Orten mit mehr als 2 000 Einwohner. Das durchschnittliche Bevölkerungswachstum beträgt (1990-98) 2,6 %. Als Folge von Krieg und Dürre stellen massive Bevölkerungsbewegungen (etwa 1-2 Mio.) ein großes Problem dar: Binnenflüchtlinge infolge ethnischer Konflikte, Rückkehrer aus den ehemaligen staatlichen Umsiedlungsprojekten, ehemaligen Soldaten und ihre Familien, Vertriebene aus Eritrea und Rückkehrer aus Somalia u. a. Nachbarstaaten.
Über 42 % der Bevölkerung sind Christen: rd. 37 % gehören der orthodox äthiopischen Kirche an, etwa 5 % protestantischen Kirchen und rd. 0,7 % der katholischen Kirche. Die Mitgliederzahlen der protestantischen Kirchen wachsen v. a. seit 1989 beständig und werden heute (2000) für die (lutherische) »Evangelische Kirche Mekane Yesus« mit über 2 Mio., für die Kirchen baptistischer Tradition mit bis zu 1 Mio. angegeben. Die katholische Kirche zählt über 440 000 Mitgl (darunter rd. 68 000 unierte äthiopische Christen).
Seit dem Sturz Kaiser Haile Selassies und der formalen Gleichstellung aller Religionen 1974 ist der sunnitische Islam die am stärksten wachsende, seit Anfang der 1990er Jahre die Religion, der die Mehrheit der Bevölkerung in Äthiopien angehört; seit 1974 wurden weit über 2 000 Moscheen errichtet; v. a. der Sudan und Djibouti unterstützen die islamische Mission, deren Hauptträger die Sufi-Orden sind.
Im Südwesten des Landes leben Anhänger von traditionellen afrikanischen Religionen (rd. 6 % der Bevölkerung). Nördlich des Tanasees und in Addis Abeba lebten rd. 25 000 schwarze Juden, die vor mehr als 1 500 Jahren konvertiert sind, aber erst 1972 vom Jerusalemer Rabbinat als Juden anerkannt wurden. Nach der Auswanderung nach Israel (1984/85; 1991) leben heute höchstens noch 2 000 Juden in Äthiopien (Falascha).
Die allgemeine Schulpflicht konnte noch nicht überall durchgesetzt werden. Die Analphabetenquote beträgt 65,5 %. Der Unterricht gliedert sich in eine jeweils sechsjährige Primar- und Sekundarstufe. Es bestehen 11 Hochschulen und eine Universität (in Addis Abeba).
Während der Zeit der Übergangsregierung steht die Presse noch unter staatlicher Aufsicht. - Presse: In Addis Abeba erscheinen die Tageszeitungen »Addis Zemen« (»Neue Zeit«), gegründet 1941, in Amharisch und der »Ethiopian Herald«, gegründet 1943, in Englisch. - Nachrichtenagentur: »Ethiopian News Agency (ENA)«, gegründet 1961. - Rundfunk: Der staatliche Sender »Voice of Ethiopia«, Sitz Addis Abeba, verbreitet einen Inlandsdienst in Englisch, Französisch, Arabisch und den Landessprachen. Der staatlich kontrollierte Sender »Ethiopian Television«, gegründet 1964, strahlt ein Fernsehprogramm über 18 Regionalstationen aus.
Wirtschaft und Verkehr:
Infolge von Bürgerkrieg und immer wiederkehrenden katastrophalen Dürreperioden zählt Äthiopien weltweit zu den am wenigsten entwickelten Ländern. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen von (1998) 100 US-$ gehört Äthiopien zu den ärmsten Ländern der Erde. 1994 waren 4,4 Mio. Menschen abhängig von internationalen Nahrungsmittellieferungen. Bei einer Auslandsverschuldung von (1998) 10,4 Mrd. US-$ musste ein Großteil der Einnahmen aus dem Export von Waren und Dienstleistungen für den Schuldendienst aufgewendet werden. Schon vor der äthiopischen Revolution 1974 gehörte Äthiopien unter Kaiser Haile Selassie zu den ärmsten Staaten der Erde. Hauptursache war eine feudalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur: Kaiser, Adel und Kirche (2 % der Bevölkerung) kontrollierten 75 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Der Versuch, die wirtschaftliche Lage nach dem Sturz Haile Selassies durch die sozialistische Planwirtschaft (seit 1975 Verstaatlichung von Banken, Versicherungen und Großunternehmen, Enteignung des Adel und Kirche gehörenden Großgrundbesitzes) zu stabilisieren, scheiterte. Trotz einer kurzen Wachstumsperiode bleibt die gesamtwirtschaftliche Lage des Landes v. a. nach der Abspaltung Eritreas kritisch: über 60 % (in Addis Abeba [1997]: 40 %) Arbeitslosigkeit, die Inflationsrate lag im Zeitraum 1990-98 bei jährlich 8,0 %.
Mit einer Erwerbstätigenquote von (1998) 83 % ist die Landwirtschaft der dominierende Sektor. Mehr als 80 % der Exporterlöse stammen aus dem Agrarbereich. Angebaut werden neben dem Hauptausfuhrgut Kaffee v. a. die Getreidearten Teff, Mais, Gerste, Weizen und Sorghum. Mit einer Erntemenge von 232 000 t war Äthiopien 1999 weltweit der siebentgrößte Kaffeeproduzent. Im Awasch-Tal wird Zuckerrohr angebaut, in Südwestäthiopien sind es Hülsenfrüchte, Gemüse, Ölsaaten und Bananen. Kleinbauern bearbeiten v. a. in Subsistenzwirtschaft 95 % des bebauten Landes; den Rest teilen sich Staatsfarmen und kollektive Produktionsgenossenschaften. Seit Mitte der 60er-Jahre ist Äthiopien Nettoimporteur von Getreide (1992: 1,05 Mio. t). Der Schwerpunkt der Viehwirtschaft liegt auf der Rinder- und Schafzucht; sie wird überwiegend nomadisch betrieben.
An Bodenschätzen werden bisher in geringen Mengen Gold, Platin und Salz abgebaut. Eine Expansion dieses Sektors ist wahrscheinlich, da in den letzten Jahren umfangreiche Lagerstätten von Gold, Titan und Eisenerz nachgewiesen wurden.
Wichtigster Energielieferant ist Holz sowie andere Biomasse, ferner Erdöl; vom enormen Wasserkraftpotenzial werden bisher nur etwa 2 % genutzt.
Die Industrie- und Gewerbeerzeugnisse werden fast ausschließlich für den Binnenmarkt hergestellt. Wichtigste Branchen sind Nahrungsmittel-, Textil- und Ledergewerbe sowie chemische Industrie.
Äthiopien ist nur wenig in den Weltmarkt integriert, die Handelsbilanz ist seit 1978 in immer stärkerem Maße negativ (1998: Einfuhr 1,57 Mrd. US-$, Ausfuhr 0,56 Mrd. US-$). Hauptexportgüter sind Kaffee (1998: 69,8 % der Exporterlöse), Tee, Kakao, Gewürze, Häute und Felle. Wichtigste Handelspartner sind Deutschland, Japan, die USA, Italien, Saudi-Arabien und Großbritannien.
Verkehr:
Aufgrund des gebirgigen Charakters ist die Verkehrserschließung unzureichend und schwierig. Im innerafrikanischen Vergleich besitzt Äthiopien eines der am wenigsten entwickelten Verkehrsnetze. Die einzige Eisenbahnlinie führt auf einer Streckenlänge von 781 km von Addis Abeba nach Djibouti am Golf von Aden. 1991 hatte das Straßennetz eine Gesamtlänge von etwa 28 000 km; davon waren 19 000 km als Hauptstraßen ausgewiesen. Im zerklüfteten zentralen Hochland fehlt es an wetterfesten Verbindungen zur Hauptstadt und zu anderen Wirtschaftsregionen. Seit der 1993 erfolgten Abspaltung Eritreas hat Äthiopien keinen direkten Zugang zum Meer, erhält aber die Erlaubnis zur Nutzung der eritreischen Seehäfen Massaua und Assab. Als Kompensation teilen sich beide Staaten die anfallenden Instandhaltungskosten. Ein Großteil des äthiopischen Außenhandels wird über die Häfen von Djibouti (Djibouti) und Mombasa (Kenia) abgewickelt. Äthiopien hat zwei internationale Flughäfen in Addis Abeba und Dire Dawa sowie mehrere nationale Flughäfen.
Äthiopien, griechisch Aithiopia, hebräisch Kusch, war ursprünglich das Land südlich des ersten Nilkatarakts (Assuan), also etwa das heutige Nubien (Südägypten, Nordsudan). In griechisch-römischer Zeit wurde der Name auf alles afrikanisches Land südlich von Ägypten, dann auch auf Länder östlich vom Roten Meer übertragen.
Lange vor Christi Geburt waren südarabische Stämme, v. a. die Habaschat, von denen sich der ältere Name Äthiopiens, Abessinien, ableitet, und die Geez auf die westliche Seite des Roten Meeres hinübergezogen; sie fanden dort eine (durch Bauten und Inschriften bezeugte) altansässige hamitische Bevölkerung, zum Teil mit Negriden vermischt, vor. Die eingewanderten südarabischen Stämme gründeten im Bereich des heutigen Äthiopiens die Stadt und das Reich Aksum, das unter griechischem und ägyptischem Einfluss stand und 525-572 die Oberhoheit auch über Südarabien ausübte. In der Blütezeit des Reiches (4. Jahrhundert) regierte König Ezana; er führte das Christentum als Staatsreligion ein und unternahm Kriegszüge bis an den Nil (Meroë).
Die Äthiopier selbst verlegen den Anfang ihrer Geschichte in die Zeit Salomos. In dem im 14. Jahrhundert n. Chr. entstandenen, auf ältere Volksüberlieferungen zurückgehenden historischen Roman »Kebra Negest« (»Die Herrlichkeit der Könige«), der in Äthiopien als Geschichtsquelle gilt, wird die Königin von Saba (1. Könige 10) als äthiopische Fürstin, ihr und Salomos Sohn, Menelik I. oder David, als Gründer der (mit Unterbrechungen) bis 1974 herrschenden Dynastie dargestellt.
Die Ausbreitung des Islam in den Nachbarländern (7. Jahrhundert) schnitt Äthiopien von der christlichen Welt ab. Mit dem Untergang des aksumitischen Reiches verlor das salomonische Herrschergeschlecht zeitweilig seine beherrschende Stellung in Äthiopien an die Sagwedynastie (bekanntester Herrscher: Lalibela), kehrte aber mit Jekuno Amlak 1270 an die Spitze des Reiches zurück, verlagerte jedoch den Schwerpunkt seiner Herrschaft nach Süden; Gondar wurde Hauptstadt; Aksum hingegen blieb die heilige Stadt, in der die rechtmäßigen Herrscher (Titel: »negus negesti«, deutsch »König der Könige«, »Kaiser«) vom Patriarchen der koptischen Kirche gekrönt wurden.
Im 16. Jahrhundert drangen der islamische Emir von Harar, Ahmed Gran, und die heidnische Galla in Äthiopien ein. Mithilfe der Portugiesen unter C. da Gama (einem Sohn V. da Gamas) gelang es dem äthiopischen Reich 1541-43, die Muslime zu besiegen.
Im 18. Jahrhundert machten sich die Statthalter der Provinzen (»Ras«, deutsch »Herzog«) unabhängig; der Kaiser führte nur noch ein Schattendasein. 1853 stellte Ras Kasa, der spätere Kaiser Twodoros II. (1855-68), die Zentralgewalt wieder her. Sein Nachfolger, Johannes IV., der ihn mit britischer Hilfe vom Thron verdrängt hatte, verteidigte Äthiopien 1875/76 mit Erfolg gegen Angriffe Ägyptens; im Innern des Reichs behauptete er seine Herrschaft gegen Ras Menelik von Schoa. Nach dem Tode Johannes' IV. 1889 im erfolgreichen Kampf gegen die in das Land eindringenden Anhänger des Mahdi bestieg Menelik von Schoa (aus der salomonischen Dynastie) als Menelik II. (1889 bis 1913) den Thron. Er schuf die Grundlagen eines neuzeitlichen Staatswesens, erweiterte sein Reich v. a. nach Süden und schloss Verträge mit den europäischen Staaten, die nun in Addis Abeba, der neuen Hauptstadt Äthiopiens, Gesandtschaften errichteten. Mit dem Sieg von Adua (März 1896) verhinderte Menelik II. den Versuch Italiens, von Eritrea aus eine Protektoratsherrschaft zu errichten (unter Berufung auf den äthiopisch-italienischen Vertrag von Utschalli, 1889). Der Friede von Addis Abeba (Oktober 1896) sicherte die Unabhängigkeit Äthiopiens. Mit britischer Hilfe übernahm 1916 Ras Tafari Makonnen in Äthiopien als Regent die Macht und ließ sich 1928 zum König ausrufen. Nach dem Tod von Kaiserin Zauditu (1916-30) bestieg er 1930 als Kaiser Haile Selassie I. den Thron. Im selben Jahr wurde sein Land in den Völkerbund aufgenommen und erhielt seine erste Verfassung.
Der italienische Angriff auf Äthiopien im Oktober 1935 unterbrach die Ansätze zu einer politischen und wirtschaftlichen Modernisierung. Mit der Eroberung von Addis Abeba (Mai 1936) durch italienische Truppen endete der Krieg (v. a. in der älteren Literatur auch »Abessinienkrieg« genannt); Haile Selassie ging ins Exil. Die faschistische Regierung in Rom fasste im Sinne ihrer Expansionspolitik Äthiopien, Eritrea und Italienisch-Somaliland zur Kolonie »Italienisch-Ostafrika« zusammen (der König von Italien führte nun auch den Titel »Kaiser von Äthiopien«). Nachdem im Zweiten Weltkrieg britische Truppen das Gebiet von Äthiopien 1941 erobert hatten, zog Haile Selassie im Mai 1941 wieder in Addis Abeba ein.
Auf Beschluss der UNO (1950) wurde 1952 Eritrea im Rahmen einer Föderation mit Äthiopien zusammengeschlossen, 1962 jedoch von Äthiopien annektiert und als Provinz verwaltet. 1961 brach in Eritrea ein Aufstand gegen die äthiopische Herrschaft aus, der v. a. von der marxistisch orientierten Eritrean People's Liberation Front (EPLF) geführt wurde.
Bei der Entwicklung von Staat und Gesellschaft passte Haile Selassie Wirtschaft und Bildungswesen westlicher (d. h. besonders westeuropäisch-amerikanische) Vorstellungen an, vermied aber auch in der neuen Verfassung von 1955 politische Reformen, die seine Macht beschränkt hätten.
Außenpolitisch leitete der Kaiser eine Politik der Blockfreiheit Äthiopiens (Gründungsmitglied der UNO und der OAU) ein. Seit 1958 ist Addis Abeba Sitz der UN-Wirtschaftskommission ECA, seit 1963 zugleich der OAU. 1963 kam es zum ersten Grenzkrieg mit Somalia um die äthiopische Provinz Ogaden.
Die Armut großer Teile des Volks, nach 1970 noch verstärkt durch Hungersnöte in Dürregebieten des Landes, sowie das autokratische Regierungssystem des Kaisers lösten v. a. in den unteren Rängen der Armeeführung und bei den jungen Intellektuellen große Unzufriedenheit aus. Im Februar 1974 zwang das Militär Haile Selassie zur Umbildung seiner Regierung Im September 1974 übernahm das Militär die Macht, setzte den Kaiser ab, hob die Verfassung von 1955 auf und bildete einen »Provisorischen Militärischen Verwaltungsrat« als oberstes Beschluss- und Regierungsorgan. Im November 1974 behauptete sich bei blutigen Rivalitätskämpfen Mengistu Haile Mariam als stärkster Mann im Staat, der 1975 die Republik ausrief. Nach einem weiteren blutigen Umsturz innerhalb der obersten Regierungsorgane übernahm er im Februar 1977 offiziell die Führung des Staates und der Regierung des »Sozialistischen Äthiopien«. Zahlreiche Persönlichkeiten des alten und neuen Regimes fielen den Umstürzen zum Opfer.
Die 1975 eingeleitete Agrarreform, die Adel und Kirche entschädigungslos enteignete und alles Land in Volkseigentum überführte, steigerte sich ab 1979 zur »grünen Revolution«. Mit der Verstaatlichung von Banken und großen Industriebetrieben setzte die Militärregierung unter Mengistu Haile Mariam die Umgestaltung Äthiopiens nach marxistisch-leninistischem Vorbild fort. Oppositionell orientierte Parteien - im Kreise ziviler Intellektueller entstanden - wurden mit Terrormaßnahmen unterdrückt. Trotzdem erhoben sich in mehreren Provinzen verschiedene Kräfte (sowohl konservativ-feudaler, demokratischer oder ethnisch-nationalistischer Orientierung) gegen das Regierungssystem. Im Zeichen eines regierungsamtlich erklärten »Roten Terrors« bekämpfte die Regierung 1977/78 den als »Weißen Terror« bezeichneten Widerstand. Dabei versuchte sie, die umkämpften Gebiete auszuhungern. Mithilfe sowjetischer Waffenlieferungen und kubanischen Truppen (etwa 15 000 Mann) konnten schließlich die Aufstände in Eritrea und Ogaden 1978 entscheidend geschlagen werden. Die Erhebung der Somal in Ogaden hatte sich in ihrem Verlauf (1977/78) zugleich zum zweiten äthiopisch-somalischen Krieg um das Ogadengebiet ausgeweitet, der erst 1988 mit einem Friedensvertrag endgültig beendet wurde.
Gestützt auf materielle und finanzielle Hilfe privater und öffentlicher Art aus Westeuropa und den USA, suchte die äthiopische Regierung nach 1980 eine schwere Hungersnot zu bekämpfen. Infolge der Hungerkatastrophen 1983-85 im Norden des Landes wurden (meist unter Zwangsmaßnahmen) schätzungsweise 1 Mio. Menschen aus den Provinzen Tigre, Wollo und Eritrea in fruchtbarere Gebiete im Süden des Landes umgesiedelt. Zugleich wurden etwa 8 Mio. Menschen in neuen Siedlungen zusammengefasst.
Nach langer Vorbereitung etablierte sich 1984 als marxistisch-leninistische Kaderpartei die Workers Party of Ethiopia (WPE). Neben seinen staatlichen Funktionen übernahm Mengistu Haile Mariam als Generalsekretär auch deren Führung. Mit In-Kraft-Treten einer neuen Verfassung 1987 ging die Militärherrschaft in ein ziviles Regierungssystem über; Staatspräsident wurde Mengistu Haile Mariam. Ein Autonomieangebot der Regierung für die Provinz Eritrea wurde 1987 von der EPLF, die seit 1962 die Unabhängigkeit der Provinz erstrebte, abgelehnt. Die für die Autonomie der Provinz Tigre kämpfende Tigray People's Liberation Front (TPLF) eroberte im März 1989 die Provinzhauptstadt Makale. Im Februar 1991 begann eine gemeinsame militärische Offensive der Befreiungsfronten von Eritrea und Tigre, unterstützt durch die in Zentral- und Südäthiopien operierende Oromo Liberation Front (OLF). Im Mai 1991 wurde Addis Abeba eingenommen und die Regierung gestürzt; Mengistu Haile Mariam floh nach Simbabwe. Neuer Staatspräsident wurde im Juli 1991 Meles Zenawi, Führer der EPRDF. Die EPLF distanzierte sich jedoch von der neuen Führung und bildete im Juni 1991 eine eigene Regierung für Eritrea, das seitdem faktisch schon unabhängig war. In der unter internationaler Aufsicht (u. a. der UNO) abgehaltenen Volksbefragung im April 1993 votierten 98,8 % der Eriteer für die Proklamation eines unabhängigen Staates; am 3. 5. 1993 erkannte die Regierung Äthiopiens die Souveränität ihrer ehemaligen Provinz an. 1995 unterzeichneten Eritrea und Äthiopien ein Abkommen über die Bildung einer Freihandelszone.
Nach dem Ende des fast 30 Jahre währenden Bürgerkrieges in Äthiopien, einem der längsten in der Geschichte Afrikas, kündigte Präsident Zenawi Schritte zur Demokratisierung und wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes an. Erheblich erschwert wird dieser Prozess neben ethnischen Konflikten durch eine akute Hungersnot, bedingt durch jahrzehntelangen Bürgerkrieg und mehrfache Dürreperioden, besonders seit Mitte der 80er-Jahre. 1994 wurde eine Verfassunggebende Versammlung gewählt, in der die EPRDF die Mehrheit stellte, und eine neue Verfassung angenommen (1995 in Kraft getreten); für die verschiedenen Völkerschaften entstanden 9 Regionen mit Sezessionsrecht. Bei den ersten freien Parlamentswahlen im Mai 1995, die jedoch von den wichtigsten Oppositionsparteien boykottiert wurden, errang die EPRDF einen überragenden Wahlsieg. Der bisherige Interimspräsident Zenawi wurde daraufhin im August 1995 zum Ministerpräsidenten, Negaso Gidada zum Staatspräsidenten der nun neu benannten »Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien gewählt. Im Juni 1998 kam es wegen differierender Gebietsansprüche zu einem Grenzkrieg zwischen Äthiopien und Eritrea, der 1999 wieder aufflammte, sich Anfang 2000 ins Landesinnere von Eritrea ausdehnte und im Juni 2000 durch ein Waffenstillstandsabkommen beendet werden konnte. Ein im Dezember 2000 unterzeichneter Friedensvertrag sieht einen generellen Gewaltverzicht, eine mehrere Kilometer breite Pufferzone an der gemeinsamen Grenze unter UN-Aufsicht (im April 2001 errichtet) und die Bildung von Kommissionen, die u. a. den Grenzverlauf klären sollen, vor. Nachdem im Mai 2000 die EPRDF die Parlamentswahlen erwartungsgemäß erneut gewonnen hatte und im Oktober 2000 Ministerpräsident Zenawi im Amt bestätigt wurde, wählte das Parlament im Oktober 2001 Girma Wolde Giorgis zum neuen Staatspräsidenten.
Nach mehr als dreijähriger Vorbereitungszeit wurde am 13. 12. 1994 in Addis Abeba der unter internationaler Beobachtung stehende Prozess gegen den im Exil lebenden ehemaligen Präsidenten Mengistu Haile Mariam und weitere Verantwortliche des früheren Terrorregimes wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eröffnet.
E. Hammerschmidt: Ä. Christl. Reich zw. Gestern u. Morgen (1967);
V. Stitz: Studien zur Kulturgeographie Zentral-Ä.s (1974);
F. V. Göricke: Revolutionäre Agrarpolitik in Ä. (1977);
S. Pausewang: Peasants, land and society. A social history of land reform in Ethiopia (München 1983);
Das Horn von Afrika, hg. v. der Friedrich-Ebert-Stiftung (1983);
P. Daffa: Oromo. Beitr. zur polit. Gesch. Ä.s (1984);
V. Matthies: Ä., Eritrea, Somalia, Djibouti. Das Horn von Afrika (31997).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Aksum: Ein zweites Zion in Afrika
Äthiopien im Mittelalter (12. bis 19. Jahrhundert): Christliche Insel in Ostafrika
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Äthi|o|pi|en; -s: Staat in Ostafrika.
Universal-Lexikon. 2012.