Akademik

Formvorschriften
Formvorschriften,
 
Recht: die Bindung eines Rechtsgeschäfts an vorgeschriebene Erklärungsmittel. In der Regel kann der Geschäftswille auf beliebige Art und Weise, z. B. durch Worte, unter Umständen auch durch Schweigen, formlos erklärt werden (Grundsatz der Formfreiheit). Gewisse Geschäfte von besonderer Bedeutung (v. a. solche des Familienrechts und des Erbrechts) sind jedoch kraft Gesetzes formgebunden, d. h., die zum Zustandekommen des Geschäfts erforderlichen Willenserklärungen müssen, z. B. um die Beteiligten von übereilten Erklärungen abzuhalten, in einer bestimmten Form abgegeben werden. Außer durch Gesetz kann eine Formbindung auch durch Rechtsgeschäft (v. a. durch Vertrag) festgelegt werden (gewillkürte Formvorschriften). Gesetzlich vorgeschriebene Formen sind Schriftform, öffentliche Beglaubigung, notarielle Beurkundung.
 
Die Schriftform erfordert eine Urkunde, die die wesentlichen Teile der Erklärung enthält und von dem Erklärenden eigenhändig unterzeichnet sein muss. Die Unterschrift muss die Urkunde in der Regel räumlich abschließen. Bei einem Vertrag muss die Urkunde grundsätzlich die Unterschrift sämtlicher Parteien tragen (§ 126 BGB). Mechanische Vervielfältigung, Unterschriftleistung durch Faksimile genügen der Schriftform nicht, es sei denn, dies ist in besonderen Fällen gesetzlich erlaubt (z. B. Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen). Die gesetzliche Schriftform kann seit 1. 8. 2001 durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 126 BGB). Der Aussteller muss der Erklärung gemäß § 126 a BGB seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (erteilen Zertifizierungsstellen, die bei der Regulierungsbehörde Telekommunikation und Post akkreditiert sind) nach dem Signaturgesetz versehen. Ausgeschlossen ist die elektronische Form z. B. für Arbeitszeugnisse und Bürgschaftserklärungen. Die Textform (§ 126 b BGB) macht die eigenhändige Unterschrift einer Person in bestimmten Fällen entbehrlich. Soweit das Gesetz die Textform vorschreibt, muss die Erklärung in einer lesbaren Form abgegeben (Brief, Faxkopie, Computerfax, E-Mail), die Person des Erklärenden genannt und das Ende der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Vorgesehen ist die Textform z. B. für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 a BGB, in Kraft ab 1. 9. 2001). Bei der Textform ist keine elektronische Signatur erforderlich.
 
Die öffentliche Beglaubigung erfordert eine schriftliche Erklärung sowie die Beglaubigung der Unterschrift des Erklärenden, die ein amtliches Zeugnis über die Echtheit der Unterschrift oder des Namenszeichens darstellt. Zuständig für die Beglaubigung ist in erster Linie der Notar.
 
Die notarielle Beurkundung erfordert die Aufnahme einer Niederschrift (Protokoll), die die Namen der Beteiligten und des Notars sowie die Erklärungen der Beteiligten enthalten und in Gegenwart des Notars und der Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden muss. Ort und Tag der Verhandlung sollen angegeben werden. Die notarielle Beurkundung ersetzt jede andere Formvorschrift; sie selbst kann im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs ersetzt werden.
 
Die Nichtbeachtung gesetzlicher Formvorschriften (Formmangel) hat grundsätzlich die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge, desgleichen im Zweifel der Mangel der gewillkürten Form (§ 125 BGB). Formlos getroffene Nebenabreden eines formgebundenen Geschäfts führen im Zweifel zur Nichtigkeit des ganzen Geschäfts. In verschiedenen Fällen (z. B. bei der Schenkung) sieht das Gesetz allerdings eine Heilung des Formmangels vor mit der Folge, dass bei ordnungsgemäßer Erbringung der formwidrig versprochenen Leistung das Rechtsgeschäft wirksam wird.
 
Auch das österreichische ABGB geht vom Grundsatz der Formfreiheit aus (§ 883). Einschränkungen finden sich v. a. im Notariatszwangsgesetz, das für einzelne Rechtsgeschäfte (etwa zwischen Ehegatten) die Einhaltung gewisser Formen als Gültigkeitserfordernis vorschreibt. Auch die Parteien können vertraglich eine bestimmte Form festlegen. Diese ist zwar keine Gültigkeitsvoraussetzung, doch wird gemäß § 884 ABGB angenommen, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht gebunden sein wollen.
 
Die Bestimmungen des schweizerischen Rechts sind mit denen in Deutschland im Wesentlichen vergleichbar.

Universal-Lexikon. 2012.