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Gracchus
I
Gracchus
 
Die Hauptlast der römischen Expansion ruhte auf den Schultern der Kleinbauern. Sie mussten des Kriegsdienstes wegen zum Teil über Jahre hinweg ihre Höfe im Stich lassen, was den wirtschaftlichen Ruin bedeutete. Besonders während der verlustreichen Spanischen Kriege (154-133 v. Chr.) traten deshalb große Schwierigkeiten bei den Aushebungen in Rom auf.
 
Dem wollte 133 Tiberius Sempronius Gracchus als Volkstribun entgegenwirken. Er brachte ein Ackergesetz ein, das den Besitz an Gemeindeland (ager publicus) auf 500 iugera (125 ha) begrenzte; das darüber hinaus okkupierte Land sollte durch eine Dreimännerkommission an Neusiedler verteilt werden. Als der Volkstribun M. Octavius dagegen einschritt, erreichte Tiberius verfassungswidrig seine Absetzung, und das Ackergesetz wurde angenommen. Mit dem Antrag, das Volk solle selbst über die Verwendung des Königsschatzes von Pergamon befinden, griff Tiberius auch in senatorische Obliegenheiten ein. Bei dem widerrechtlichen Versuch, sich noch während seiner Amtszeit ein zweites Volkstribunat zu sichern, wurde Tiberius von der Senatsopposition unter der Führung des Oberpriesters Scipio Nasica erschlagen.
 
Das Ackergesetz blieb zwar in Kraft, aber die Arbeit der Dreimännerkommission wurde durch senatorische Maßnahmen behindert. Vor allem die italischen Bundesgenossen fühlten sich benachteiligt. Sie sollten zwar Gemeindeland abtreten, gehörten aber selbst nicht zu den potenziellen Neusiedlern.
 
Zehn Jahre später wurde Gaius Sempronius Gracchus, der jüngere Bruder des Tiberius, zum Volkstribunen gewählt (123). Seit 133 gehörte er der Ackerkommission an und war mit allen diesbezüglichen Problemen vertraut. Sein umfangreiches Reformprogramm, das er als Volkstribun 123 und 122 durchsetzte, sollte vor allem der großen Anzahl Besitzloser helfen. Neben einem nicht näher bekannten Ackergesetz sicherte eine lex frumentaria die Verteilung von verbilligtem Getreide zu; ein Militärgesetz verbot die Aushebung vor dem 17. Lebensjahr und beschränkte den Kriegsdienst auf sechs Jahre; Reformen im Gerichtswesen und in der Provinzialverwaltung sollten den Einfluss des Senats zurückdrängen. So standen künftig Ritter den Geschworenengerichten vor, die mit Rückforderungen (Repetunden) der Provinzialen gegen senatorische Statthalter befasst waren.
 
Mit dem Versuch, den Latinern die Bürgerrechte und den Bundesgenossen Roms die Latinerrechte zuzugestehen, scheiterte der jüngere Gracchus endgültig. Er brachte die Nobilität ebenso gegen sich auf wie die Besitzlosen und wurde für das Jahr 121 nicht mehr zum Volkstribunen gewählt. Als der Senat eine Kolonie, die sich dort angesiedelt hatte, wo sich Karthago befunden hatte, auflösen wollte, kam es zu Unruhen in Rom; der Senat verhängte daraufhin erstmals den Ausnahmezustand (senatus consultum ultimum). Unter der Führung des Konsuls L. Opimius ging er gegen den Reformer vor, der zuletzt Selbstmord beging; 3000 seiner Anhänger fielen den senatorischen Sondergerichten zum Opfer. Die Chance, die Krise der Republik schon im Ansatz zu bekämpfen, war vertan.
 
II
Gracchus
 
['graxus], Beiname einer Familie des römischen plebejischen Adelsgeschlechts der Sempronier. Besondere Bedeutung erlangten die Söhne des Tiberius Sempronius Gracchus (Konsul 177 und 163, ✝ 153 v. Chr.) und der Cornelia, die »Gracchen«, deren Wirken die Epoche der römischen Bürgerkriege einleitete:
 
 1) Gaius Sempronius Gracchus, * 153 v. Chr., ✝ 121 v. Chr., Bruder von 2); wurde für 123 zum Volkstribunen gewählt. Als solcher versuchte er in Fortführung der Reformpolitik seines Bruders, durch ein umfangreiches Gesetzgebungswerk die Vormachtstellung des Senats zu brechen. Um die stadtrömischen Plebs zu gewinnen, verfügte er durch ein Gesetz die Abgabe verbilligten Getreides an alle Bürger. Den Rittern übertrug er durch sein Richtergesetz (lex iudiciaria) die bisher mit Senatoren besetzten Geschworenengerichte und entzweite dadurch die beiden obersten Stände. In der Agrarpolitik plante er die Ansiedlung römischer Bürger in geschlossenen Kolonien sowohl in Italien als erstmals auch außerhalb Italiens. Nachdem Gracchus für 122 erneut zum Tribunen gewählt worden war, stieß die Gründung der Kolonie Iunonia auf dem Boden Karthagos und der Versuch, den italischen Bundesgenossen das römische Bürgerrecht zu geben, auf wachsenden Widerstand des Senats. Gracchus wurde für 121 nicht wieder gewählt und die Aufhebung der Kolonie Iunonia beantragt. Als es dabei zu Unruhen und Blutvergießen kam, ließ der Konsul Lucius Opimius durch den Senat den Notstand erklären (senatus consultum ultimum). Gegen Gracchus und seine Anhänger wurden Truppen eingesetzt, die den Aufruhr unterdrückten, worauf Gracchus sich von einem Sklaven töten ließ.
 
 
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Römische Revolution
 
 
 2) Tiberius Sempronius Gracchus, * 162 v. Chr., ✝ 133 v. Chr., Bruder von 1); wurde für 133 zum Volkstribunen gewählt. Der für den Staat bedrohlich werdende Rückgang des italischen Bauerntums ließ ihn den Plan einer Neuverteilung des dem Staat gehörenden, großenteils in die Hände der adligen Gutsbesitzer gelangten Ackerlandes (ager publicus) fassen. Gegen den Willen des Senats wollte er ein (bereits vorhandenes) Gesetz wieder einführen, wonach niemand mehr als 500 Morgen staatlichen Landes bewirtschaften dürfe, wobei zwei erwachsenen Söhnen noch je 250 Morgen zugebilligt werden sollten. Das frei werdende Land sollte zu je 30 Morgen an die besitzlosen Bauern aufgeteilt werden. Als dagegen der Tribun Octavius Veto einlegte, ließ Gracchus ihn seines Amtes entheben und brachte so das Gesetz durch. Um sich an der Macht zu halten, bewarb sich Gracchus, ebenfalls im Widerspruch zur Verfassung, auch für das folgende Jahr um das Tribunat, worauf es zu offener Empörung kam. Unter Führung einiger Senatoren, darunter des Scipio Nasica, wurde Gracchus mit einer großen Zahl seiner Anhänger erschlagen.
 
Literatur:
 
D. C. Earl: T. G., a study in politics (Brüssel 1963);
 E. Badian: T. G. and the beginning of the Roman revolution, in: Aufstieg u. Niedergang der röm. Welt, hg. v. H. Temporini u. a., Tl. 1, Bd. 1 (1972);
 A. H. Bernstein: T. S. G. (Ithaca, N. Y., 1978);
 D. Stockton: The Gracchi (Oxford 1979);
 K. Bringmann: Die Agrarreform des T. G. (1985).
 
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Römische Revolution
 
 

Universal-Lexikon. 2012.