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Gracián y Morales
Gracián y Morạles
 
[gra'θi̯an i -], Baltasar, spanischer Schriftsteller und Philosoph, * Belmonte de Calatayud (bei Calatayud) 8. 1. 1601, ✝ Tarazona de Aragón 6. 12. 1658; seit 1619 Mitglied des Jesuitenordens; 1627 Priesterweihe; als Prediger und Professor an Ordenskollegien tätig, u. a. in Gandía (Provinz Valencia) und Huesca, wo er in dem Humanisten Vicente Juan de Lastanosa (* 1607, ✝ 1684) zeitweilig einen mächtigen Mäzen fand, sowie in Tarragona. Wegen seines literarischen Werkes geriet er immer wieder in Konflikt mit der Ordensobrigkeit, die nur sein letztes und einziges religiöses Werk, »El comulgatorio« (1655), billigte. Gracián y Morales' Schriften sind getragen von tiefem Pessimismus und einer gänzlich innerweltlichen, negativen Sicht der menschlichen Gesellschaft. In ihr gilt es Schein und Sein zu unterscheiden, sich des Scheins zu bedienen, sich jedoch nicht von ihm täuschen zu lassen, die anderen zu durchschauen, ohne selbst seine Schwächen zu offenbaren. Das Modell dieser Weltsicht ist die barocke Welt des Hofes. Das Ideal der vollkommenen Weltklugheit ist daher der aristokratische Höfling, wie er in den Traktaten »El héroe« (1637), »El político don Fernando el Católico« (1640) und »El discreto« (1646) erscheint. Die gedrängteste Fassung der Moralistik Gracián y Morales' findet sich im »Oráculo manual y arte de prudencia« (1647; deutsch »Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit«). Die lose aneinander gereihten 300 Aphorismen vermitteln auch einen Eindruck von Gracián y Morales' Stil, der die Elemente des Culteranismo und Konzeptismus in einer höchst komprimierten Form geistreich-dunkler Kürze zusammenfasst. Die Mittel dieses hermetischen Stils hat Gracián y Morales in der Schrift »Arte de ingenio« (1642; neu bearbeitet 1648 als »Agudeza y arte de ingenio«) dargestellt. Sein allegorisch-satirischer Roman »El criticon« (1651-57, 3 Teile; deutsch »Criticon oder Über die allgemeinen Laster des Menschen«) variiert das Schema des Abenteuer- und Erziehungsromans. - Gracián y Morales' Schriften fanden im spätbarocken Europa sehr weite Verbreitung. Im deutschen Sprachbereich wirkte er besonders auf A. Schopenhauer, dessen Übersetzung des »Oráculo manual« (1862) noch immer aktuell ist.
 
Ausgabe: Obras completas, herausgegeben von A. del Hoyo (31967).
 
Literatur:
 
W. Krauss: G.s Lebenslehre (1947);
 M. Z. Hafter: G. and perfection (Cambridge, Mass., 1966);
 G. Schröder: B. G.s »Criticón«. Eine Unters. zur Beziehung zw. Manierismus u. Moralistik (1966);
 K. Heger: B. G. Estilo linguístico y doctrina de valores (Saragossa 1982);
 E. Hidalgo-Serna: Das ingeniöse Denken bei B. G. (1985);
 K. Petsche: B. G. Sein u. Schein im Buch der Welt (Eisenstadt 21987).

Universal-Lexikon. 2012.