Hermann von Reichenau,
mittellateinischer Schriftsteller und Dichter, * im Saulgau 18. 7. 1013, ✝ Reichenau 24. 9. 1054; Sohn des Grafen Wolfrad II. von Altshausen und seiner Gattin Hiltrud; aufgrund seiner Lähmung auch Hermann Contrạctus ( = Hermann der Lahme) genannt. Als vielseitiger Gelehrter verfasste Hermann Schriften zur Mathematik, Astronomie und Zeitrechnung und erfand eine (wenn auch wirkungslose) Notenschrift. Das Martyrologium des Notker Balbulus erweiterte und modernisierte er. Seine wegen ihrer eigenwilligen Schönheit gerühmte Lyrik, meist Offizien von süddeutschen Heiligen, vertonte er selbst; hervorzuheben sind die »Historia de sancta Afra«, die Mariensequenz »Ave praeclara maris stella« und die Maria-Magdalena-Sequenz »Exurgat totus almiphonus«. Sein umfänglichstes Gedicht, das polymetrische »De octo vitiis principalibus«, warnt einen Nonnenkonvent vor den Hauptlastern. Hermanns historische Werk, eine bis 1054 fortgeführte Weltchronik (»Chronica«), bemüht sich um eine genaue Chronologie des christlichen Zeitalters und ist eine wichtige Quelle für die Regierungsjahre Konrads II. und Heinrichs III.. Fortgesetzt wurde sie von Hermanns Schüler Berthold von Reichenau, der auch eine Vita seines Lehrers hinterlassen hat.
Ausgaben: Opera omnia, herausgegeben von J. P. Migne (1882); Lyrik, herausgegeben von G. M. Dreves, in: Analecta Hymnica medii aevi, herausgegeben von C. Blume u. a., Band 50 (1907); Die Chronik Herimanns von R., übersetzt von K. Nobbe (31941); Repertorium fontium historiae medii aevi, herausgegeben von A. Potthast, Band 5 (1984).
A. Borst: Ein Forschungsbericht H.s des Lahmen, in: Dt. Archiv für Erforschung des MA., Jg. 40 (1984).
Universal-Lexikon. 2012.