Hirtenvölker,
Bezeichnung für Völker der Alten Welt (Eurasien und Afrika), deren Wirtschaftsform die Haltung von Viehherden (Rinder, Kamele, Yaks, Pferde, Rentiere, Schafe, Ziegen, Esel) ist. Sie brauchen daher als Lebensraum weiträumige, mit Wasserstellen durchsetzte Grasländer (Steppe, Savanne), bei Rentierherden moos- und flechtenreiche Tundra. Das Ausmaß ihrer Wanderbewegungen ist recht unterschiedlich. Bei den ostafrikanischen Hirtenvölkern (z. B. Masai) ist der Wanderradius meistens recht eng; bei manchen, so auch in Westafrika (Bororo) ziehen die Jugendlichen mit einem Teil der Herde, von der übrigen Gruppe getrennt. Besonders weite Züge unternehmen die Nomaden (Nomadismus). Gegessen werden - außer zu festlichen Gelegenheiten - nur die Tiere, auf die man verzichten kann, ohne den Fortbestand der Herde, deren Größe vielfach als Statussymbol gilt, zu gefährden. Weit wichtiger als Fleisch sind für die Ernährung Milch und die daraus gewonnenen Erzeugnisse (Käse, Butter, Kumys u. a.) sowie Wolle. Das Melken wird daher (besonders bei ostafrikanischen Hirtenvölkern) als sakrale Handlung betrachtet. Die Betreuung der Viehherden ist im Allgemeinen Sache der Männer; bei manchen Hirtenvölkern liegt Melken und Verarbeiten der Milch jedoch in den Händen der Frauen.
Hirtenvölker leben im Allgemeinen in einem gewissen Austausch mit benachbarten sesshaften (Ackerbau treibenden) Bevölkerungsgruppen. Vielfach haben sie, wie die Hima im ostafrikanischen Zwischenseengebiet, diese unterworfen und Staatswesen gegründet, in denen sie die herrschende Schicht bilden. Besonders kriegerische Hirtenvölker wie die Mongolen oder die Hunnen (letztere nur als Führungsschicht) erlangten dank ihrer Beweglichkeit (»Reiternomaden«) und besonderer Bewaffnung durch Raub- und Kriegszüge weit reichende Bedeutung.
L. Vajda: Unters. zur Gesch. der Hirtenkulturen (1968).
Universal-Lexikon. 2012.