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Mongolen
Mongolen,
 
mongolisch Mọngol, zum tungiden Zweig der Mongoliden gehörende Völkergruppe, v. a. in Zentral-, Nord- und Ostasien. Kernland der Mongolen ist heute die Mongolei. Zahlreicher sind die Mongolen in China (rd. 4,8 Mio.), dort gerieten sie jedoch selbst in ihrem autonomen Gebiet Innere Mongolei gegenüber den Han-Chinesen in die Minderheit. Weitere Mongolen leben in den chinesischen Provinzen beziehungsweise autonomen Gebieten Sinkiang, Qinghai, Ningxia Hui, Gansu, Mandschurei und in den südlichen Provinz Yunnan und Sichuan. Dazu treten noch die nahe verwandten Dauren, Tu, Dongxian und Baoan (Paoan). In der Russischen Föderation sind die Mongolen mit den Burjaten und Kalmücken vertreten. Weit entfernt von ihrem Stammland leben in Afghanistan die Moghol.
 
Die eigentlichen Mongolen werden in Ost- und Westmongolen unterschieden. Zu den zahlreicheren Ostmongolen (v. a. in China und der Mongolei) zählen u. a. die Chalcha (Khalkha) oder Chalch, Dariganga, Ordos, Tschachar und die nordmongolischen Burjaten. Zu den Westmongolen oder Oiraten (in der westlichen Mongolei und in Sinkiang) rechnen u. a. die Bajaten, Dürbeten, Dsachtschinen, Mungaten, Oloten und Torguten sowie die Kalmücken. Volksreligion ist der Schamanismus; einige Gruppen sind zum sunnitischen Islam übergetreten.
 
Die typische Wirtschaftsform der Mongolen ist die Viehzucht, die damit verbundene nomadisierende Lebensweise wurde mit Einschränkungen beibehalten. Wichtigstes Herdentier ist das Schaf; außerdem werden Rinder, Yaks, Ziegen sowie als Reit- und Tragtiere Pferde und Kamele gehalten. Ackerbau spielt inzwischen eine größere Rolle (Innere Mongolei); zum Teil ist auch die Jagd auf Pelztiere und der Fischfang von Bedeutung.
 
 Handwerk, Kunst und Brauchtum
 
Mit Gründung eines einheitlichen mongolischen Staates im 13. Jahrhundert wurden für den Ausbau der Hauptstadt Karakorum tibetanische, uigurische und chinesische Künstler herangezogen, wie die stilistisch unterschiedlichen Fresken des Palastes des Ögädäi zeigen. Neben den festen Bauwerken behielt aber auch die nomadische Jurte ihre Rolle; Prachtjurten und Paläste wurden mit kostbaren abgesteppten Filzen, Pelzen, Leder, Holzmöbeln und -gerätschaften, die zum Teil mit eingeschlagenen Silberornamenten verziert waren, ausgestattet. Die bei größeren Jurten notwendigen Jurtensäulen waren den Zeugnissen nach vergoldet; die Goldene Horde war nach der Goldpracht der Jurte des Khans in seinem Hoflager benannt. Im Reich des Kubilai (Khanat China) sollen in Filzteppichmanufakturen 29 000 Menschen beschäftigt gewesen sein. Die zum Teil noch heute gefertigten Kreuz- und Quermuster der Filze (Mongolei; Chalcha) reichen wohl am weitesten zurück, viele nichtfigürliche Bildsymbole kamen nach und nach hinzu. Die neben der praktischen (den Filz festigenden) Funktion wohl auch rituelle Bedeutung ist heute v. a. bei den Sitzmatten der Ehrenplätze und den Vorhängen für die Holztüren der Jurte, aber auch bei Kleidung und Pferdedecken nachvollziehbar. Die Schmiede (bei den Burjaten bestehen noch heute eigene Schmiedesippen) verwendeten aufwendige Verzierungstechniken (Einschlagen von Silber- oder Kupferornamenten in Eisen und Holz, auch Leder, das Ziselieren und Punzen von Edelmetallen). Metallzierden wurden bis ins 19. und 20. Jahrhundert an Gefäßen aus Holz und Metall (z. B. Silberreifen, Ornamente), an Zaumzeug (Metallscheiben), Sattel, Köcher und an der Kleidung angebracht. Am Seitengehänge waren das Anhängestück am Gürtel, Futteral (für Messer, Essbesteck) und Zundertasche oft aus Metall oder mit Metall beschlagen. Frauen trugen silberne Ketten, Ringe, Ohrringe, Haarspangen. Zopfhülsen (mit Gehänge) und Kappen waren oft mit Silberornamenten versehen. Die Mongolen galten in Zentralasien als die besten Knochenschnitzer, und eine schamanistische Tradition ist wohl anzunehmen, besonders blühte sie aber seit dem Vordringen des Lamaismus im 16. Jahrhundert. Es entstanden für Zeremonialkleider der dämonischen Figuren des Tsam-Tanzes Gehänge und Schurze aus Knochenperlen und größeren, durchbrochen gearbeiteten Verbindungsstücken, die bei den Ritualtänzen getragen wurden. Der mongolische Tsam-Tanz nahm mit ikonographischen Sondergestalten wohl unter Einfluss von Volksreligion und autochthonem Schamanismus gegenüber Tibet eine eigene Entwicklung. Ferner entstanden Trommeln, Trompeten, Opferschalen u. a. aus tierischen oder menschlichen Knochen. Die Tsam-Masken wurden aus Pappmaché hergestellt und bemalt, ebenso zum Teil lamaistisch-buddhistische Figuren. Unter den Kultplastiken aus Bronze ragt ein berittener Kriegergott mit Gefolge hervor, möglicherweise der im Ahnenkult unter Kubilai zum Gott erhobene Dschingis Khan, dessen Verehrungsstätte der Acht weißen Jurten in der Inneren Mongolei am Ordosbogen des Hwangho liegt. Die enge Verknüpfung der ersten Dalai-Lamas mit der Mongolei (der Titel wurde von einem mongolischen Khan geschaffen) und der folgenden mit Tibet führte 1639 zur Gründung des Nomadenklosters (Jurten) für den Bogd (auch Bogdo) Gegeen (das mongolische Oberhaupt) und 1779 zum Bau seines Klosters und Tempels in Ich Chüree, dem heutigen Ulan-Bator, dessen Messingdach einer Jurte nachgebildet ist. Beim Stupa (mongolisch Suburghan) herrscht ein schlanker, hochgereckter Typ vor, sonst wird in der Sakralarchitektur und -kunst der Mongolen vielfach ein sinotibetanischer Mischstil angetroffen; im 20. Jahrhundert entstanden auch mongolische Applikationsarbeiten (v. a. Thangkas). Aus dem 20. Jahrhundert stammen auch die Malereien, die die traditionellen, ursprünglich auch rituell begründeten großen (dem Bogd Gegeen geweihten) oder regionalen und lokalen Naadamfeste der Mongolen zum Gegenstand haben, mit Darstellungen der Wettkämpfe (Pferderennen, Bogenschießen, Ringen), des Adlertanzes des siegreichen Ringers, der Siegerehrung des Reiters mit Kumys (vergorene Stutenmilch) und des allgemeinen Gelages.
 
Die kulturelle Blüte unter den Ilchanen ist ein Teil der islamischen Kunst und Kultur, v. a. im Iran, die chinesische Kunst und Literatur unter den Yuan wurde allein von den Chinesen getragen.
 
 Geschichte
 
Vorfahren der Mongolen auf dem Territorium der Mongolei sollen im 5./6. Jahrhundert n. Chr. die Xianbi gewesen sein - Viehzüchterstämme, deren Siedlungsgebiet in der östlichen Mongolei und südlichen Mandschurei lag. In den Annalen der chinesischen Tang-Dynastie (618-907) finden sich Namen wie Mengwa oder Mengwu. Im April 1084 erwähnen Schriftstücke der chinesischen Liao-Dynastie (907-1125) das entfernte Land der Mengku. Im 13. Jahrhundert werden die Mongolen in chinesischer Sprache als Mengku bezeichnet. Die Mongolen selbst nennen sich zu dieser Zeit bereits Mongol (daher der Name Mongolen). Die Herkunft dieser Bezeichnung und ihre Bedeutung sind ungewiss; denkbar ist, dass ein Stamm auf dem Gebiet der Mongolei diesen Namen trug. Unter vier Khanen (»Herrschern«) aus dem mongolischen Stamm der Bordschigid (»Wildentenleute«) errichteten die Mongol in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts zwischen den Flüssen Onon und Kerulen (im Nordosten der heutigen Mongolei) ihr erstes Reich. Nach kurzer Blüte um 1147 löste es sich wieder auf. Temüdschin (»Schmied«), ein niederrangiger Spross des Bordschigid-Stammes, schuf gegen alle Widerstände der mongolischen Steppenaristokratie und ihrer Hierarchie eine auf ihn als alleinigen Mittelpunkt ausgerichtete, auch mehrere unterworfene fremde Ethnien umfassende und für Fremde offene Gemeinschaft. 1206 wählte ihn eine Fürstenversammlung zum »Dschingis Khan« (»ozeangleicher Herrscher«, »Weltherrscher«). Berater veranlassten Dschingis Khan, die Wehrpflichtigen seiner nach Tausender-, Hunderter- und Zehnerschaften gegliederten Streitmacht, in der die gebürtigen Mongolen (etwa 150 000) in der Minderheit waren, über die mongolische Steppe hinaus gegen Fremdstaaten wie den der Tanguten (1209), das chinesische Jin-Reich (1211) und Charism (1219-21) in den Krieg zu schicken. 1223 besiegten seine Truppen ein Heer der Russen und Polowzer in der Schlacht am Fluss Kalka (Kaltschik). Die von Dschingis Khan mit massiver Fremdhilfe eroberten Gebiete wurden nach seinem Tod (1227) von fünf Nachfolgern zum Mongolischen Großreich mit der 1220 gegründeten Hauptstadt Karakorum erweitert. Das sich vom Gelben Meer bis fast zur Ostsee erstreckende Mongolische Imperium zerbrach 1260 an Zwistigkeiten innerhalb des Herrscherclans der Dschingisiden endgültig in Teilreiche: in das Reich des Großkhans Kubilai (Khanat China) mit der Hauptstadt Daidu (das spätere Peking) bis 1368 (unter der Yuan-Dynastie, China, Geschichte), das Reich Dschagatai mit der Hauptstadt Almalyk und das Reich der Ilchane mit den Hauptstädten Täbris und Sultaniye (beide Khanate bestanden bis um die Mitte des 14. Jahrhunderts), ferner das Reich Kiptschak mit der Hauptstadt Saraj (Goldene Horde). Nur in China und Innerasien hielten sich die Mongolen. Im 15./16. Jahrhundert kam es zu Konflikten zwischen den aus China ins Ursprungsland zurückgezogenen Mongolen (Ostmongolen) und den Oiraten oder Dsungaren (Westmongolen). Teile des Oiratenbundes zogen 1616-32 nach Westen (Kalmücken), der Rest gründete 1635/36 ein westmongolisches (dsungarisches) Großreich in Innerasien, das Tibet und Sinkiang umfasste (seit der Vernichtung 1758 ein Teil Chinas). Die Ostmongolen kamen unter die Herrschaft der chinesischen Mandschu-Kaiser (1636/1691), und die Gebiete ihrer Stämme bildeten neben den mongolischen Minderheitengebieten in China, Russland und Afghanistan eine Innere Mongolei und eine Äußere Mongolei. Innere und Äußere Mongolei nahmen unterschiedliche Entwicklungen (Mongolei).
 
Literatur:
 
W. Forman u. B. Rintschen: Lamaist. Tanzmasken. Der Erliktsam in der Mongolei (Leipzig 1967);
 E. u. M. Taube: Schamanen u. Rhapsoden. Die geistige Kultur der alten Mongolei (ebd. 1983);
 Sagang Sečen: Gesch. der M. u. ihres Fürstenhauses (a. d. Mongol., Zürich 1985);
 D. Morgan: The Mongols (Oxford 1986);
 
Die M. Beitrr. zu ihrer Gesch. u. Kultur, hg. v. M. Weiers (1986);
 P. Brent: Das Weltreich der M. (a. d. Engl., Neuausg. 1988);
 
Die M., hg. v. W. Heissig u. Claudius C. Müller (Innsbruck 1989);
 Michael u. Stefan Müller: Erben eines Weltreiches. Die mongol. Völker u. Gebiete im 20. Jh. China - Mongolei - Rußland (1992);
 
Trésors de Mongolie XVIIe-XIXe siècles, bearb. v. G. Béguin, Ausst.-Kat. Musée national des Arts Asiatiques - Guimet, Paris (Paris 1993).
 

Universal-Lexikon. 2012.