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innerdeutscher Handel
innerdeutscher Handel,
 
früher Interzonenhandel, bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. 10. 1990 der Austausch von Waren und Dienstleistungen sowie der Zahlungsverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) und der DDR einschließlich Berlin (Ost). Rechtsgrundlage bildeten die Regelungen des Frankfurter Abkommens vom 8. 10. 1949 und seit dem 20. 9. 1951 (Neufassung 16. 8. 1960) des Berliner Abkommens sowie der Interzonenhandels-VO vom 18. 7. 1951; diese wurden durch den Grundvertrag bestätigt.
 
Der innerdeutsche Handel galt in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Außenhandel und wurde daher getrennt von der Außenhandelsstatistik erfasst. Statt der üblichen Bezeichnung Import und Export wurden die Begriffe Bezüge und Lieferungen verwendet. Er wurde auch nicht als Binnenhandel betrachtet und musste, da er bis zum 30. 6. 1990 unterschiedliche und selbstständige Währungsgebiete betraf, nach besonderen Regeln realisiert werden. Der auf der Basis der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Preise abgewickelte innerdeutsche Handel betraf grundsätzlich nur Waren deutschen Ursprungs. Alle Zahlungen aus dem Waren- und Dienstleistungsverkehr wurden über zentrale Verrechnungskonten (1 Verrechnungseinheit [VE] = 1 DM) bei den Zentralbanken (Deutsche Bundesbank, Staatsbank der DDR) abgewickelt. Direkte Zahlungen zwischen Exporteuren und Importeuren sowie Gegenseitigkeits- und Kompensationsgeschäfte waren nicht gestattet. Die Abwicklung erfolgte in der DDR über das Ministerium für Außenwirtschaft, in der Bundesrepublik Deutschland über die Treuhandstelle für Industrie und Handel im Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
 
Die Bundesregierung förderte den innerdeutschen Handel seit 1967 durch steuerliche Erleichterungen, Bundesgarantien, Finanzierungshilfen (Swing) und Kredite. Da die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten (innerdeutsche Grenze) keine Außenzollgrenze der EG darstellte, genoss die DDR in gewissem Umfang die Vorteile des gemeinsamen Marktes der EG (Befreiung von Zöllen und Abschöpfungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, nicht jedoch gegenüber anderen EG-Staaten).
 
Der innerdeutsche Handel wurde vom Statistischen Bundesamt seit 1979 als innerdeutscher Warenverkehr erfasst. Als Grundlage für die Ermittlung der Zahlen dienten bis zum In-Kraft-Treten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. 7. 1990 die Angaben auf den von den Zolldienststellen abgefertigten Warenbegleitscheinen. Seither erfolgte die Erfassung anhand von Liefer- und Bezugsmeldungen der am innerdeutschen Handel beteiligten Unternehmen an das Statistische Bundesamt. Die Werte stellten im Allgemeinen Rechnungswerte dar. Bei Waren, die in einem Veredlungs- oder Reparaturverkehr bezogen oder geliefert wurden, wurde stets der volle Warenwert - bei Lieferungen beziehungsweise Bezügen nach Lohnveredelung jeweils der Warenwert einschließlich Veredlungs- und Versandkosten - erfasst. Aufgrund dieser Umstellung der statistischen Erhebung wurde der innerdeutsche Handel seit 1990 insofern unvollständig erfasst, als lediglich die Lieferungen und Bezüge von Unternehmen, nicht jedoch der Warenverkehr der privaten Haushalte ausgewiesen wurden. Darüber hinaus waren kleinere Unternehmen (monatliche Lieferungen und Bezüge unter 50 000 DM) von der Berichtspflicht befreit.
 
Auch nach der Vereinigung beider deutscher Staaten wurde die Statistik des innerdeutschen Handels zunächst weitergeführt, da eine getrennte Analyse der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in beiden Teilgebieten, v. a. im Hinblick auf die Effizienz der vorgesehenen Förderinstrumente, als erforderlich angesehen wurde.
 
Zum 1. 4. 1995 wurde die Statistik des innerdeutschen Handels eingestellt. Der Gesamtumsatz des innerdeutschen Warenverkehrs stieg nach 1990 erheblich an. Während Lieferungen und Bezüge bis 1989 fast ausgeglichen waren, übertreffen die Lieferungen aus dem früheren Bundesgebiet nunmehr die Bezüge aus den neuen Ländern um ein Vielfaches.

Universal-Lexikon. 2012.