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Anästhesie
Betäubung; Narkose

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An|äs|the|sie 〈f. 19; unz.; Med.〉
1. Schmerzunempfindlichkeit
2. Betäubung von Schmerzen
[<grch. an „nicht“ + aisthesis „Empfindung“]

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An|äs|the|sie, die; -, -n [griech. anaisthēsi̓a = Gefühllosigkeit] (Med.):
1. Betäubung, Ausschaltung der Schmerzempfindung bes. durch Narkose:
lokale A.;
ohne A. operieren.
2. Unempfindlichkeit des Nervensystems gegen bestimmte Reize, Fehlen der Schmerzempfindung infolge von Erkrankungen od. Narkose.

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Anästhesie
 
[griechisch »Unempfindlichkeit«] die, -/...'si |en. Unter Anästhesie versteht man 1) die natürliche Empfindungslosigkeit bestimmter Organe (z. B. des Gehirns), 2) eine krankhafte Erscheinung bei Verletzungen oder Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems, bei der je nach Sitz der Schädigung charakteristische Ausfälle auftreten können, und 3) ein ärztliches Verfahren, um bei schmerzhaften Eingriffen eine Empfindungslosigkeit zu erzeugen.
 
Bei der Allgemeinanästhesie unterscheidet man drei charakteristische Wirkungskomponenten: Hypnose, Analgesie und Relaxation, d. h. Ausschaltung des Bewusstseins, der Schmerzempfindung und der muskulären Schmerzabwehr. Mit ansteigender Dosierung von Anästhetika werden diese Sensibilitätszustände nacheinander ausgeschaltet (Narkose). Dies kann aber auch einzeln und selektiv mit speziellen Arzneimitteln erfolgen.
 
Unter Lokal-/Regionalanästhesie versteht man die örtliche Schmerzausschaltung. Dabei bleibt das Bewusstsein voll erhalten. Prinzipiell wird bei allen Verfahren der Lokal-/Regionalanästhesie der Informationsfluss der Leitungsbahnen (Nerven) vom Ort des Schmerzes (Information) zum zentralen Nervensystem unterbrochen. Erst im Zentralnervensystem kann aus dieser Information der subjektive Eindruck »Schmerz« werden. Man kann also die Lokal-/Regionaländerung als umschriebene reversible Blockierung der Leitfähigkeit sensibler Nerven verstehen. Von einer Lokalanästhesie spricht man, wenn diese Unterbrechung operationsfeldnah, von Regional- oder Leitungsänderungen, wenn sie operationsfeldfern erfolgt. Es werden folgende Verfahren unterschieden: 1) Oberflächenanästhesie: Durch Aufträufeln oder Bepinseln mit einer Lösung eines Lokalanästhetikums lassen sich Schleimhäute unempfindlich machen (Nase, Auge, Mundhöhle, Harnröhre). 2) Infiltrationsanästhesie (örtliche Betäubung im engeren Sinn): Die Lösung wird in das Gewebe eingespritzt und durchtränkt es. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch größere Eingriffe, z. B. Operation eines Leistenbruchs oder Entfernen von Tumoren der Weichteile des Körpers, schmerzlos ausführen. 3) Intravenöse Regionalanästhesie (nach A. Bier): Die Lösung wird in eine Vene des Armes oder Beines injiziert, die mit einer Blutsperre (Blutleere) versehen ist. Damit ist ein schmerzfreies Operieren an diesen Gliedmaßen möglich. 4) Leitungsanästhesie: Das Mittel wird zwischen die Nervenstränge oder in ihre unmittelbare Umgebung an einer anatomisch günstigen Stelle fern vom Operationsfeld eingespritzt. Damit wird die Leitungsfähigkeit des entsprechenden Nervs reversibel unterbrochen; z. B. Leitungsanästhesie an Fingern und Zehen, am großen Nervengeflecht des Armes (Plexus brachialis).
 
Sonderformen sind die rückenmarknahen Leitungsanästhesieen. Bei der Periduralanästhesie bringt man die Lösung durch Einstich zwischen die Dornfortsätze zweier Wirbel an die harte Rückenmarkhülle (Dura mater), bei der Spinal- oder Lumbalanästhesie unter die Dura mater in den Rückenmarkkanal (Subarachnoidalraum, Liquorraum). Das geringste Risiko besteht bei einer Injektion unterhalb des Dornfortsatzes des zweiten Lendenwirbels und tiefer. Mit dieser Methode lassen sich Operationen im Beckenbereich und an den unteren Gliedmaßen durchführen.
 
Sehr häufig wird die Infiltrationsanästhesie mit Leitungsanästhesie kombiniert. - Eine nichtmedikamentöse Anästhesiemethode kann in ausgewählten Fällen die Akupunktur sein. Das Vereisen der Haut wird nicht mehr angewendet (hierbei können Gewebeschäden auftreten).
 
Psychisch bedingte Anästhesie kann als kurzfristiges Ergebnis gezielter Hypnose oder Autosuggestion (autogenes Training) oder als anhaltende Sensibilitätsstörung bei seelischen Krankheiten (Neurosen, Depressionen) auftreten.
 
Geschichtliches:
 
Vom Altertum bis in die Neuzeit wurde versucht, die Anästhesie durch Alkohol, Opium oder Einatmen von Kräuterdämpfen zu erreichen. - 1807 wurden von D. Larrey, dem Leibarzt Napoleons I., schmerzlose Amputationen bei —19 ºC auf dem Schlachtfeld durchgeführt. H. Wells (USA) verwendete seit 1844 Lachgas zur Zahnextraktion; die von seinem Landsmann C. W. Long 1842 eingesetzte Äthernarkose erreichte allgemeine Bekanntheit durch eine 1846 von J. C. Warren in Boston ausgeführte Operation. 1847 führte der Engländer J. Y. Simpson das Chloroform ein. Kokain wurde als Lokalanästhetikum erstmals 1884 von K. Koller in Wien in der Augenheilkunde verwendet. Die Intubationsnarkose (1878) geht auf den schottischen Arzt S. Macewen zurück, die Leitungsanästhesie auf W. S. Halstedt (USA), die Infiltrationsanästhesie (1894) auf C. L. Schleich und die Lumbalanästhesie (1898) auf A. Bier (beide Deutschland). 1905 gelang A. Einhorn (Deutschland) die synthetische Herstellung des Procains (Novocain). 1932/33 wurde Evipan als erstes intravenöses Narkosemittel von H. Weese (Deutschland) eingeführt. 1942 fand Curare als muskelerschlaffendes Mittel durch die Kanadier H. Griffith und G. E. Johnson Eingang in die Narkosepraxis. Halothan ist seit 1959 als Inhalationsanästhetikum in Gebrauch. 1959 stellten J. De Castro und P. Mundeleer die Neuroleptanalgesie vor. 1965 verwendeten K. K. Chen, G. Corssen, E. F. Domino (USA) Ketamin als Narkosemittel.
 
Literatur:
 
P. Günter u. T. Gysi: Kleines Vademecum A. (21982);
 
Allg. A., hg. v. Manfred Meyer u. M. Schädlich (1983);
 
Alternative Methoden der A., hg. v. P. Lawin u. a. (1985);
 J. Link: Das A.-Risiko (1985).
 

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An|äs|the|sie, die; -, -n [griech. anaisthēsía = Gefühllosigkeit] (Med.): 1. Betäubung, Ausschaltung der Schmerzempfindung bes. durch Narkose: lokale A. (örtliche Betäubung). 2. Unempfindlichkeit des Nervensystems gegen bestimmte Reize, Fehlen der Schmerzempfindung infolge von Erkrankungen od. Narkose: Die Bezeichnung A. ... wurde von Platon geprägt für den Begriff der Empfindungslosigkeit, vor allem gegenüber dem Schmerz (Medizin II, 11).

Universal-Lexikon. 2012.