Akademik

Missbrauchsaufsicht
Missbrauchsaufsicht,
 
neben dem Verbot von Kartellen und der Fusionskontrolle wichtigstes Instrument der Wettbewerbspolitik. Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen im Sinne des §§ 19 ff. Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung vom 26. 8. 1998 soll Unternehmen, die nicht mehr durch wirksamen Wettbewerb kontrolliert werden, zu einem wettbewerbskonformen Verhalten veranlassen.
 
In der Praxis erfordert die Missbrauchsaufsicht ein schrittweises Vorgehen: Zuerst muss die Marktbeherrschung auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt und danach die marktbeherrschende Stellung eines oder mehrerer Unternehmen festgestellt werden. Daran schließt sich als zweiter Schritt die Feststellung des Missbrauchs an. Die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen gemäß § 19 ff. GWB erfasst sowohl den so genannten Behinderungsmissbrauch gegenüber tatsächlichen oder potenziellen Konkurrenten als auch den so genannten Ausbeutungsmissbrauch gegenüber vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen (§ 19 Absatz 4 GWB). Ein Behinderungsmissbrauch im Sinne des GWB liegt vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt. Dabei wirft die Abgrenzung zwischen einem erwünschten dynamischen Unternehmerverhalten und einem Missbrauch beträchtliche Beweiswürdigungsprobleme auf. Beispiele der Rechtsprechung für Missbräuche sind Koppelungsgeschäfte oder Ausschließlichkeitsbindungen durch marktbeherrschende Unternehmen. Ein Ausbeutungsmissbrauch im Sinne des § 19 Absatz 4 GWB liegt vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktstellung gegenüber vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen dazu benutzt, um z. B. zu niedrige Einkaufspreise (Problem der Nachfragemacht des Handels gegenüber der Industrie) oder monopolistisch überhöhte Verbraucherpreise (z. B. im Falle des Verhältnisses Industrie zu Endverbrauchern bei Benzin- oder Pharmapreisen) zu fordern. Die Kartellbehörden können missbräuchliches Verhalten untersagen oder Verträge für unwirksam erklären, Zuwiderhandlungen mit Geldbußen belegen und zusätzlich Mehrerlöse abschöpfen (§§ 32 ff. GWB).
 
Das europäische Kartellrecht verbietet in Art. 82 EG-Vertrag die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten führen kann. Ebenso wie § 19 GWB erfasst Art. 82 EG-Vertrag sowohl den Behinderungs- als auch den Ausbeutungsmissbrauch. Im Hinblick auf das Behinderungsverbot sind alle Maßnahmen marktbeherrschender Unternehmen missbräuchlich, die auf eine Abschottung schon beherrschter oder die Eroberung weiterer Märkte durch wettbewerbsbeschränkende Praktiken abzielen. Die Marktergebniskontrolle erfasst den Ausbeutungsmissbrauch marktbeherrschender Stellungen gegenüber vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist ein Preis dann missbräuchlich überhöht, wenn ein übertriebenes Missverhältnis zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem tatsächlich verlangten Preis besteht (Kosten-Gewinn-Konzept) oder der erzwungene Preis absolut oder im Vergleich zu Konkurrenzprodukten (Vergleichsmarktkonzept) unangemessen ist. Das nationale Kartellrecht ist dem EG-Recht nachgeordnet; soweit ein Missbrauchsverhalten geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, sind die Regelungen des EG-Vertrages anwendbar.
 
Das österreichische Kartellgesetz 1988 sieht eine Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen vor, wobei der Begriff Missbrauch in § 35 Absatz 1 Satz 2 in Anlehnung an Art. 82 EG-Vertrag beispielhaft konkretisiert ist. In Ziffer 1 und 2 werden die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise sowie sonstiger Geschäftsbedingungen und die Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher als Formen des Ausbeutungsmissbrauchs erfasst; als Formen des Behinderungsmissbrauchs werden in Ziffer 3 und 4 Diskriminierung und Koppelungsgeschäfte beispielhaft genannt. Das Kartellgericht verpflichtet auf Antrag die beteiligten Unternehmen, den Missbrauch abzustellen.
 
Das schweizerische Bundesgesetz über Kartelle u. a. Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. 10. 1995 (in Kraft seit 1. 7. 1996) erklärt in Art. 7 Absatz 1 die Behinderung anderer Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs oder die Benachteiligung der Marktgegenseite durch marktbeherrschende Unternehmen für unzulässig. In Art. 7 Absatz 2 werden beispielhaft die Liefer- oder Bezugssperre, die Diskriminierung, die gezielte Unterbietung von Preisen oder Geschäftsbedingungen sowie Koppelungsbedingungen als Formen des Behinderungsmissbrauchs sowie die Erzwingung unangemessener Preise oder sonstiger Geschäftsbedingungen und die Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung als Formen des Ausbeutungsmissbrauchs genannt. Art. 12 und 13 regeln die Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung, die auf Beseitigung oder Unterlassung, Schadensersatz und Herausgabe des unrechtmäßig erzielten Gewinns gerichtet sind. Die Durchsetzung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruches obliegt gemäß Art. 14 dem zuständigen kantonalen Gericht.
 
Im amerikanischen Antitrustrecht ist die Monopolisierung eines Marktes und der Versuch dazu nach sec. 2 Sherman Act verboten (Antitrustgesetze).

Universal-Lexikon. 2012.