Akademik

Vernichtungslager
Konzentrationslager; KZ; Schutzhaftlager (veraltet); KL

* * *

Ver|nịch|tungs|la|ger 〈n. 13; während des Nationalsozialismus〉 Konzentrationslager, dessen Insassen ermordet werden sollten, z. B. durch Vergasung

* * *

Ver|nịch|tungs|la|ger, das:
(zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft) ausschließlich zur Ermordung der Gefangenen, bes. Juden, bestimmtes Konzentrationslager.

* * *

Vernichtungslager,
 
nationalsozialistischer Lager im besetzten Polen, die - im Unterschied zu den Konzentrationslagern - der systematischen Ermordung der europäischen Juden dienten; Opfer waren aber auch viele Menschen nichtjüd. Herkunft (v. a. Zigeuner und sowjetische Kriegsgefangene). Die Vernichtungslager wurden im Rahmen der geheimen »Endlösung der Judenfrage« (Holocaust) von der SS ab Herbst 1941 entweder neu oder durch Erweiterung bestehender KZ eingerichtet. Reine Vernichtungslager entstanden in Kulmhof (polnisch Chełmno; ab Herbst 1941), in Bełżec (ab November 1941), in Sobibór (ab März 1942) und Treblinka (ab Mai/Juni 1942); die drei Letztgenannten gehörten zu dem von H. Himmler befohlenen »Einsatz Reinhard« (auch »Aktion Reinhard«) zur Ermordung der Juden in Ostpolen (»Generalgouvernement«). Arbeitslager und Vernichtungslager zugleich waren dagegen Auschwitz (KZ ab 1940, Vernichtungslager ab 1941/März 1942) und Majdanek (KZ ab Dezember 1941, Vernichtungslager ab Herbst 1942). Dort erfolgte schon bei der Ankunft im Lager die »Selektion« von Häftlingen durch SS-Ärzte: Als arbeitsfähig Eingestufte kamen in die Zwangsarbeitslager, die anderen sofort in den zur Vernichtung der Menschen bestimmten Lagerbezirk.
 
Die zunehmend perfektionierte Ermordung erfolgte in Chełmno/Kulmhof, der ersten Vernichtungsstätte, die den Beginn der organisierten Massenmorde markiert, in stationären Gaswagen, in allen anderen Vernichtungslagern in Gaskammern durch Motorabgase, in Auschwitz durch das Gift »Zyklon B« (Blausäure), das dann auch in Majdanek angewendet wurde. Bei der »Vergasung« griff man technisch und personell auf Erfahrungen aus der »Aktion T4« zurück, in der v. a. körperlich und geistig Behinderte getötet worden waren (Euthanasie). Daneben wurden auch Massenerschießungen durchgeführt. Viele Menschen starben infolge sadistischer Quälerei, Seuchen und Hunger oder an beziehungsweise nach medizinischen Experimenten. Die Leichen wurden in Massengräbern begraben, später exhumiert und verbrannt oder gleich in Einäscherungsanlagen (»Krematorien«) verbrannt. Aus der persönlichen Habe der Opfer wurden verwertbare Gegenstände oder Materialien (z. B. Kleidung, Schuhe, Brillen, Uhren; auch Zahngold, Haare) zur wirtschaftlichen Verwertung gesammelt (Raubgold). Mit dem Vorrücken der sowjetischen Armee von Osten her wurden, um die Spuren der industriemäßig betriebenen Massenvernichtung zu beseitigen, auf Befehl Himmlers ab 1943 (zuletzt in Auschwitz ab November 1944) die Tötungen eingestellt, die Vernichtungsanlagen zerstört und die Vernichtungslager unter erheblichen Menschenverlusten nach Westen evakuiert (»Todesmärsche«).
 
Institutionell und nach Zuständigkeit war der Bereich »Judenvernichtung« innerhalb von SS und Sicherheitspolizei klar von den KZ getrennt. Die Vernichtungslager der »Aktion Reinhard« unterstanden dem Höheren SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik (* 1904, ✝ 1945), wurden aber von Kriminalkommissar Christian Wirth (* 1885, ✝ 1944) organisiert. Nur Auschwitz-Birkenau war - wie die KZ - direkt dem SS-»Wirtschaftsverwaltungshauptamt« (WVHA) unterstellt. - Insgesamt kam in den Vernichtungslagern mehr als die Hälfte der 6 Mio. Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung ums Leben, der überwiegende Teil der Opfer durch Giftgas (in Kulmhof/Chełmno 152 000, in Bełżec mindestens 390 000, vermutlich 600 000, in Sobibór 250 000, in Treblinka zwischen 700 000 und 900 000, in Lublin-Majdanek mindestens 60 000 (nach anderen Angaben 250 000, nach weiteren Schätzungen 360 000 Menschen), in Auschwitz-Birkenau 0,8 bis 1,6 Mio.; alle Angaben schwankend bzw. umstritten, da nicht alle dokumentiert sind).
 
Literatur:
 
I. Arndt u. W. Scheffler: Organisierter Massenmord an Juden in natsoz. V., in: Vjh. für Zeitgesch.Jg. 24 (1976), H. 2; Natsoz. V. im Spiegel dt. Strafprozesse, hg. v. A. Rückerl (31979);
 
Natsoz. Massentötungen durch Giftgas, hg. v. E. Kogon (Neuausg. 7.-8. Tsd.1989);
 
Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüd. Opfer des Nationalsozialismus, hg. v. W. Benz (Neuausg. 1996).

* * *

Ver|nịch|tungs|la|ger, das: (zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft) ausschließlich zur Ermordung der Gefangenen, bes. Juden, bestimmtes Konzentrationslager: Nur wenige überlebten den Holocaust, die meisten transportierte man bis November 1942 ins V. Belzec ab, wo mehrere Tausend Juden aus Krakau ermordet wurden (taz 22. 8. 98, 17).

Universal-Lexikon. 2012.