Hịmmler,
Heinrich, Politiker, * München 7. 10. 1900, ✝ (Selbstmord) Lüneburg 23. 5. 1945; aus bürgerlichem Hause, Diplomlandwirt; nahm als Mitglied eines rechtsradikalen Wehrverbandes, der »Reichskriegsflagge«, am 8./9. 11. 1923 am Hitlerputsch teil. 1925 wurde er Mitglied der NSDAP, 1926 deren stellvertretender Propagandaleiter (bis 1930).
Nach seiner Ernennung zum »Reichsführer SS« (Januar 1929) baute Himmler die zunächst kleine Eliteeinheit unter Führung der SA zu einer starken parteiinternen Polizeiorganisation mit einem rassistisch bestimmten hierarchisch-elitären Selbstverständnis aus. Er suchte ihr den Charakter eines »Ordens« (nach dem Vorbild des Deutschen Ordens) zu geben und ließ sich bei der Personalauswahl von skurrilen »erbbiologischen« (»arischen«) Gesichtspunkten leiten. Beeinflusst vom Okkultismus, war sein Denken auch bestimmt von irrationalen Vorstellungen eines Blut-und-Boden-Mythos (germanische Wehrbauerndörfer im Osten) und eines Germanenkultes (als »Herrenvolk« im neuen Europa).
Nach dem Regierungsantritt Hitlers am 30. 1. 1933 übernahm Himmler, ausgehend von der Position eines Polizeipräsidenten in München (ab März 1933) und unterstützt von seinem engsten Mitarbeiter R. Heydrich, Zug um Zug die politische Polizei der deutschen Länder (mit Ausnahme Preußens). Am 20. 4. 1934 ernannte H. Göring (als Ministerpräsident von Preußen) Himmler zum stellvertretenden Leiter und Inspekteur der preußischen Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Am 30. 6./1. 7. 1934 beteiligte sich Himmler maßgeblich an der Mordaktion gegen die SA-Führung (»Röhm-Putsch«). Im Juli 1934 löste Hitler daraufhin die SS aus der Gesamtorganisation der SA und gab ihr den Status einer selbstständigen Sonderorganisation der NSDAP. Mit seiner Ernennung zum »Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei« (im Range eines Staatssekretärs im Reichsinnenministerium; 17. 6. 1936) erreichte Himmler die enge Verschmelzung von SS und Polizei im nationalsozialistischen Herrschaftssystem und seinen Unterdrückungsmechanismen. Unter der Protektion A. Hitlers schuf Himmler durch die enge Verzahnung der SS (inzwischen auf 50 000 Mitglieder angewachsen) mit dem staatlichen Sicherheitsapparat ein Kontroll- und Überwachungssystem, das gleich einem »Staat im Staate« das Terrorsystem des NS-Staates lenkte (»SS-Staat«).
Der unmittelbare Herrschaftsbereich Himmlers umfasste neben der Polizei v. a. das von ihm und Heydrich seit 1933 aufgebaute System der Konzentrationslager, für die er die SS-Totenkopfverbände als Bewachungsmannschaften organisierte. Seinem Machtanspruch wie seinen persönlichen Interessen folgend, dehnte Himmler den Einfluss der SS auf fast alle Lebensbereiche aus (Ahnenerbe e. V., Lebensborn e. V.).
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 entwickelte sich aus der von Himmler gebildeten SS-Verfügungstruppe die Waffen-SS als selbstständiger Truppenkörper neben der Wehrmacht. Seit 7. 10. 1939 auch »Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums« (Abkürzung RKF), war Himmler verantwortlich einerseits für die Um- und Neuansiedlung deutscher Staatsbürger und »Volksdeutscher« in den von der Wehrmacht eroberten Gebieten Osteuropas (»Vertragsumsiedler«), andererseits für den Generalplan Ost.
Mit Beginn des deutschen Angriffs auf die UdSSR (22. 6. 1941, den Himmler als »Weltanschauungskrieg« gegen den »jüdischen Bolschewismus« betrachtete, wurde Himmler, gemeinsam besonders mit Heydrich, zum Organisator der Massenverbrechen an den europäischen Juden und der Bevölkerung des östlichen Europa (Einsatzgruppen). Himmler ließ das KZ-System auf die von deutschen Truppen besetzten Gebiete ausdehnen und im Zuge des Genozids an den Juden (Holocaust) im östlichen Europa zahlreiche Vernichtungslager errichten.
Nach der Wende des Kriegs (1942/43) zuungunsten Deutschlands steigerte sich Himmlers Machtposition. Im August 1943 wurde er Reichsinnenminister, nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler (20. 7. 1944 Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und Chef der Heeresrüstung; 1944/1945 bekleidete er auf dem Kriegsschauplatz kurzfristig militärische Kommandoposten. Der Verantwortung für die Fortsetzung des Massenmords und Terrors sowie für die Mobilisierung des Volkssturms suchte er sich seit 1944 zu entziehen. Mit der Freigabe jüdischer Transporte ins neutrale Ausland suchte er sich - allerdings ohne Erfolg - bei den westlichen Kriegsgegnern Deutschlands politischen Kredit zu verschaffen. Nachdem Himmler über F. Graf Bernadotte den Westmächten am 23./24. 4. 1945 die Kapitulation angeboten hatte, enthob ihn Hitler am 29. 4. 1945 aller seiner Ämter. Nach der Kapitulation Deutschlands geriet er in britische Gefangenschaft; nach Feststellung seiner Identität beging er Selbstmord durch Gifteinnahme.
Ausgaben: Reichsführer! Briefe an und von Himmler, herausgegeben von H. Heiber (1968); Geheimreden 1933-1945, herausgegeben von B. F. Smith u. a. (1974).
J. Ackermann: H. H. als Ideologe (1970);
R. Vogelsang: Der Freundeskreis H. (1972);
B. F. Smith: H. H. 1900-1926. Sein Weg in den dt. Faschismus (a. d. Amerikan., 1979);
A. Wykes: Reichsführer SS H. (a. d. Engl., 1981);
Universal-Lexikon. 2012.