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Nürnberger Gesetze
I
Nürnberger Gesetze
 
Mit dem von Goebbels organisierten Judenboykott vom 1. April 1933 gegen jüdische Geschäfte, Banken, Ärzte und Rechtsanwälte war die NSDAP erstmals nach der Machtübernahme öffentlich ihrem antisemitischen Programm entsprechend gegen jüdische Mitbürger vorgegangen. Am 7. April 1933 wurde mit dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« die rechtliche Grundlage für die Entfernung »nichtarischer« Beamter aus ihren Stellungen geschaffen. Damit waren Diffamierungen und Demütigungen jüdischer Menschen Tür und Tor geöffnet. Dabei trat vor allem das in Nürnberg erscheinende Schmierblatt »Der Stürmer« des fränkischen Gauleiters Julius Streicher mit antisemitischen Hetzkampagnen in Erscheinung.
 
Endgültig zu Staatsbürgern minderen Rechts erklärt wurden die deutschen Juden durch die auf dem Reichsparteitag am 15. September 1935 in Nürnberg erlassenen Gesetze, das »Reichsbürgergesetz« und das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre«. Mit dem »Reichsbürgergesetz« wurden politische Rechte und die Verleihung von Ehrenämtern vom Nachweis der »arischen Abstammung« abhängig gemacht. Den jüdischen Mitbürgern wurde das Reichsbürgerrecht vorenthalten. Das »Blutschutzgesetz« verbot unter Androhung von Zuchthausstrafen Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Juden und »Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes« als Rassenschande. Juden wurde außerdem untersagt, »arische« Hausangestellte unter 45 Jahren zu beschäftigen. Die Verfolgung und ständige Diskriminierung der jüdischen Mitbürger in Deutschland hatte mit diesen Gesetzen, die in der ganzen Welt als Pervertierung des Rechtsstaatsgedankens schärfstens verurteilt wurden, eine juristische Grundlage erhalten.
II
Nụ̈rnberger Gesetze,
 
Sammelbezeichnung für das »Reichsbürgergesetz« und das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre«, auf Anordnung A. Hitlers kurzfristig ausgearbeitet und vom Reichstag anlässlich des Nürnberger Parteitags der NSDAP am 15. 9. 1935 einstimmig verabschiedet. Danach sollten die »vollen politischen Rechte« zukünftig nur den Inhabern des »Reichsbürgerrechts« zustehen, das neben die »Reichs- und Staatsangehörigkeit« treten und nur an »Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes« verliehen werden sollte. Das »Blutschutzgesetz« verbot bei Gefängnis- oder Zuchthausstrafe u. a. die Eheschließung zwischen Juden und »Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes« (Tatbestand der »Rassenschande«). Die Nürnberger Gesetze leiteten die systematische Verwirklichung des antisemitischen Programms der NSDAP von 1920 und aus Hitlers »Mein Kampf« ein und schufen für die bereits 1933 begonnenen Verfolgungsmaßnahmen eine juristische Absicherung (Holocaust). Der Ministerialbürokratie gelang es in den Ausführungsverordnungen zu den Gesetzen zwar zunächst, gegen die Parteiforderungen eine noch relativ enge Definition des Begriffs »Jude« durchzusetzen, doch verbreiterten die Nürnberger Gesetze die juristische Basis für die Diskriminierung und Verfolgung der Juden in Deutschland außerordentlich, besonders die (bis 1943) 13 VO zum »Reichsbürgergesetz«; die Nürnberger Gesetze gelten deshalb als Inbegriff der Pervertierung des Rechtsstaatsgedankens durch den Nationalsozialismus. (Rassengesetze)
 
Literatur:
 
K. A. Schleunes: The twisted road to Auschwitz. Nazi policy towards German Jews, 1933-1939 (London 1972);
 U. D. Adam: Judenpolitik im Dritten Reich (Neuausg. 1979);
 L. S. Dawidowicz: Der Krieg gegen die Juden: 1933-1945 (a. d. Amerikan., 1979);
 
Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Slg. der gesetzl. Maßnahmen u. Richtlinien, hg. v. J. Walk (1981);
 
Aus Nachbarn wurden Juden. Ausgrenzung u. Selbstbehauptung 1933-1942, hg. v. H. Rosenstrauch (1988);
 
Die Juden in Dtl. 1933-1945. Leben unter natsoz. Herrschaft, hg. v. W. Benz (41996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Holocaust: Die rassistische Vernichtungspolitik Deutschlands
 

Universal-Lexikon. 2012.