Primat des Papstes,
in der katholischen Theologie Bezeichnung für die Funktion des obersten kirchlichen Leitungsamtes und - damit verbunden - der Lehrkompetenz der römischen Bischöfe, die sich seit der Spätantike entwickelt haben und vom 1. Vatikanischen Konzil 1870 erstmals formell als katholische Dogma - im Sinne eines obersten Bischofsamtes (Summepiskopat) und einer lehrmäßigen Unfehlbarkeit (Infallibilität) - definiert wurden. Der Primat des Papstes wird legitimiert mit neutestamentlichen Aussagen, die als Einsetzung des Petrus zum Oberhaupt der Kirche gedeutet werden (v. a. Matthäus 16, 17-19); diese Funktion sei nach dem Märtyrertod des Petrus in Rom auf seine Nachfolger im römischen Bischofsamt übergegangen und in ununterbrochener Folge weitergegeben worden. Heute interpretiert allerdings auch die katholische Bibelwissenschaft die entsprechenden Texte nicht mehr als Begründung eines petrinischen Primats. Ihre juridische Deutung im Sinne eines Leitungsamtes des Petrus erfolgte (vereinzelt) erstmals im 3. Jahrhundert und erlangte seit dem 4. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem wachsenden kirchlichen und politischen Einfluss des Papsttums und dem damit verbundenen Anspruch der Päpste auf den Jurisdiktionsprimat über die gesamte Kirche kirchengeschichtliche Bedeutung. Der Anspruch auf die höchste apostolische Amtsgewalt eines »Oberhauptes der universalen Kirche« wurde jedoch nur im Westteil der Kirche, im Bereich des römischen Patriarchats, anerkannt. Nach der Trennung von der griechischen Kirche im Jahre 1054 und der Ablehnung des Primats des Papstes durch die Kirchen der Reformation wurde in der katholischen Kirche der Primat des Papstes zum Gegenstand des Bekenntnisses. Aber erst nach der endgültigen Zurückdrängung der verschiedenen nationalkirchlichen Bestrebungen im 19. Jahrhundert (Nationalkirche) konnte das 1. Vatikanische Konzil den Primat des Papstes und die mit ihm verbundene Lehrkompetenz dogmatisieren. Das 2. Vatikanische Konzil (1962-65) versuchte den Papst wieder stärker in das Bischofskollegium einzubinden. Das katholische Kirchenrecht hebt allerdings ausdrücklich seine Stellung als »Haupt« (lateinisch »caput«) des Bischofskollegiums und des zur Einberufung eines allgemeinen Konzils allein Berechtigten hervor (cc. 336-341 CIC), sodass der Primat des Papstes, ungeachtet seiner heutigen kritischen Betrachtung auch in der katholischen Theologie, in der katholischen Kirche nach wie vor uneingeschränkt gilt. - Im gegenwärtigen ökumenischen theologischen Gespräch wird der Primat des Papstes mit Blick auf das Ziel einer künftigen geeinten Kirche diskutiert und unter dem Gesichtspunkt eines »Petrusdienstes an der Einheit aller Getauften«, verstanden als das sichtbarere Zeichen dieser Einheit und repräsentiert durch den Bischof von Rom als dem Ersten unter gleichen Bischöfen (Primus inter Pares), zunehmend für möglich angesehen.
I. Riedel-Spangenberger: Im Wesentlichen einig? Die Primatsausübung des Papstes im ökumen. Gespräch, in: Herder-Korrespondenz, Jg. 49 (1995), H. 12.
Weitere Literatur: Papsttum.
Universal-Lexikon. 2012.