◆ An|thro|po|so|phie 〈f. 19; unz.〉 von R. Steiner (1861-1925) begründete Lehre vom Menschen in seiner Beziehung zur übersinnl. Welt
◆ Die Buchstabenfolge an|thr... kann in Fremdwörtern auch anth|r... getrennt werden.
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An|th|ro|po|so|phie, die; - [griech. sophi̓a = Weisheit]:
zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Rudolf Steiner (1861–1925) begründete weltanschauliche Lehre, auf der u. a. die Waldorfpädagogik basiert.
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Anthroposophie
[zu griechisch sophía »Weisheit«] die, -, als Begriff zuerst von I. P. V. Troxler (* 1780, ✝ 1866) für die Naturlehre des menschlichen Erkennens und bei dem Herbartianer R. Zimmermann (* 1824, ✝ 1898) für die von der menschlichen Erfahrung ausgehende, jedoch über sie hinausgehende Philosophie gebraucht. 1902 übernahm R. Steiner die Bezeichnung Anthroposophie für die von ihm begründete Lehre, deren erkenntnistheoretische Grundlage eine eng mit dem menschlichen Erkenntnisprozess verknüpfte Wirklichkeitsauffassung bildet: Das Erkennen lässt Wirklichkeit in der Durchdringung des unmittelbar Anschaulichen mit den durch die Denkakte ergriffenen Denkinhalten als gestaltenden Elementen erst entstehen. Im Erkennen wird das Sinnlich-Anschauliche als Geistiges erfahren. Aus den erkennenden und damit wirklichkeitsschöpferischen Kräften, ihrer Entfaltung und Fortbildung entwickelt sich das Bewusstsein der fortschreitenden Selbstgestaltung des menschlichen Wesens und damit seiner Freiheit. Der Sinn der Wirklichkeit und somit die Weltentwicklung wird verstehbar als auf die Entwicklung des erkennend freiheitsfähigen Wesens hingeordnet. Der Sinn der Welt ist der Mensch. Er ist aus Geistigem hervorgegangen und lebt auch zwischen Tod und neuer Geburt in der höheren geistigen Welt. Im Laufe der Reinkarnationen entfaltet er sich zu immer höheren Stufen seiner Selbstwerdung. Die sieben Glieder des Menschen: physischer Leib, Ätherleib, Astralleib, Ich, Geistselbst, Lebensgeist und Geistmensch, entstanden beziehungsweise entstehen im Prozess der Evolution; diesem sind auch der Kosmos, die Erde und die Kulturepochen auf der Erde unterworfen.
Das Welt- und Menschenbild der Anthroposophie vereinigt Elemente der Entwicklungsidee des deutschen Idealismus (die Wirklichkeit als stufenweise Selbstoffenbarung des Geistes) und der Weltanschauung Goethes: die Welterscheinungen als eine aufsteigende Folge (Metamorphose) des sich in seiner Tätigkeit selbst ergreifenden objektiven Geistes. Neben diesen Grundgedanken, die er mit okkulten Lehren indischer, gnostischer (Gnosis), kabbalistischer (Kabbala), christlicher und theosophischer (Theosophie) Herkunft vermischte, berücksichtigte Steiner die naturwissenschaftliche Erkenntnisse seiner Zeit.
Entsprechend der im Mittelpunkt des Christentums stehenden Glaubensaussage von der Menschwerdung Gottes in Christus sieht die Anthroposophie in der »Christuswerdung« die zentrale Tatsache der Menschheitsentwicklung. Dies veranlasste Steiner, sich von der von Helena P. Blavatsky gegründeten und zunehmend von indischem Gedankengut (Krishnamurti) beeinflussten Theosophischen Gesellschaft zu trennen und (1913) die Anthroposophische Gesellschaft zu gründen. Sie hat heute Sitz und Mittelpunkt am Goetheanum in Dornach bei Basel, wo sich auch die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft befindet; sie zählt Mitglieder in allen Ländern, die meisten in denen des deutschen und englischen Sprachgebiets. In Deutschland war sie 1935-45 verboten.
Sozialreformer. Bestrebungen der Anthroposophie (»Dreigliederung des sozialen Organismus«) war bislang wenig Resonanz beschieden, dagegen erlangten die Waldorfschulen und die von ihnen ausgehenden pädagogischen Anregungen sowie die Idee des biologisch-dynamischen Wirtschaftens und auch alternative medizinische und pharmazeutische Konzepte zum Teil bemerkenswerten Einfluss.
Stark von der Anthroposophie geprägt ist die 1922 von Friedrich Rittelmeyer (* 1872, ✝ 1938) u. a. gegründete Christengemeinschaft.
J. W. Hauer: Werden u. Wesen der A. (21923);
K. v. Stieglitz: Die Christosophie R. Steiners (1955);
H. v. Glasenapp: Das Indienbild dt. Denker (1960);
P. Brügge: Die Anthroposophen (Neuausg. 1988);
P. E. Schiller: Der anthroposoph. Schulungsweg (21990);
L. Gassmann: Das anthroposoph. Bibelverständnis. Eine krit. Unters. unter besonderer Berücksichtigung der exeget. Veröffentlichungen v. Rudolf Steiner, Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock u. Rudolf Frieling (1993);
H. Barz: Anthroposophie im Spiegel v. Wissenschaftstheorie u. Lebensweltforschung. Zw. lebendigem Goetheanismus u. latenter Militanz (1994).
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An|thro|po|so|phie, die [griech. sophía = Weisheit]: Lehre, nach der der Mensch höhere seelische Fähigkeiten entwickeln u. dadurch übersinnliche Erkenntnisse erlangen kann.
Universal-Lexikon. 2012.