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Gottesurteil
Gọt|tes|ur|teil 〈n. 11; im MA〉 Gerichtsverfahren, bei dem Gott durch ein Zeichen den Hinweis auf Schuld od. Unschuld gibt; Sy Gottesgericht (2)

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Gọt|tes|ur|teil, das (Geschichte):
(bes. im MA. beim Fehlen sicherer Beweismittel angewandtes) Verfahren zur Ermittlung eines Schuldigen (z. B. Feuerprobe, Zweikampf), wobei dem Ausgang des Verfahrens das als richtig angesehene Urteil Gottes entnommen wird.

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Gottesurteil,
 
Gottesgericht, ags. Ordal, ein Urteil in Rechtsstreitigkeiten oder über Schuld und Unschuld durch ein Zeichen Gottes. Das Gottesurteil beruhte auf dem Glauben, dass der Unschuldige oder Gerechte in der Probe, die er zu machen hatte, von Gott als dem Hüter des Rechts geschützt werde. Solche Gottesurteile finden sich, im Orakel und Omen wurzelnd, d. h. auch ohne Zusammenhang mit einer persönlichen Gottesidee, schon bei den Naturvölkern, besonders häufig in Afrika; ebenso werden sie auch im Alten Testament und in persischen, griechischen und römischen Überlieferungen erwähnt. Das Gottesurteil wurde rechtlich als ein prozessuales Beweismittel dort benutzt, wo der Beweis durch Zeugen versagte; dem Beschuldigten stand die Reinigung von dem Schuldvorwurf durch Gottesurteil offen. Ob die Gottesurteile dem germanischen Altertum bekannt waren, ist umstritten; im fränkischen Recht waren sie vorgesehen; es bestand für sie ein kirchliches Ritual. Doch wurden auch schon frühzeitig, z. B. durch den Langobardenkönig Liutprand, Zweifel am Wert des Gottesurteils geäußert. Das 4. Laterankonzil (1215) verbot über den Zweikampf hinaus für alle weiteren Gottesurteile die priesterliche Segnung. Daneben bemühten sich die Städte, die Gottesurteile zurückzudrängen. Dennoch finden sich Gottesurteile noch im 14. und 15. Jahrhundert. Im 16. und 17. Jahrhundert gelangte die Wasserprobe in den Hexenprozessen (Hexenbad) zu neuer Bedeutung.
 
Hauptarten
 
des Gottesurteils waren: das Losordal: Das Los bestimmte, wer im Recht war; die Feuerprobe: Der Beweispflichtige musste über glühende Pflugscharen schreiten (Pflugscharengang) oder ein glühendes Eisen in bloßer Hand tragen (Handeisen); der Kesselfang: Der Beschuldigte musste einen Gegenstand aus siedendem Wasser holen; die Wasserprobe: Blieb der gefesselt ins Wasser Geworfene oben, so war er schuldig, da das reine Wasser ihn nicht aufnehmen wollte; der Probebissen (lateinisch iudicium offae): Dem Beschuldigten wurde ein Stück vergiftetes Brot oder Ähnliches (Gottesurteilspflanzen) in den Mund gesteckt; musste er diesen Bissen wieder von sich geben, war er schuldig; die christliche Umbildung war die Abendmahlsprobe, die auf dem Glauben beruhte, dass ein Schuldiger nicht straflos das Abendmahl zu sich nehmen kann. Bei der Kreuzprobe mussten die Streitenden mit ausgebreiteten Armen vor einem Kreuz stehen, bis einer die Arme sinken ließ. Bei den Germanen war besonders der Zweikampf (bis zur Überwältigung des Gegners) als Gottesurteil verbreitet. Die Blutprobe (Bahrgericht) beruhte auf dem uralten Volksglauben vom Bluten des Leichnams in der Nähe des Mörders; seit dem Mittelalter wurde sie als eine Art Gottesurteil aufgefasst (z. B. Hagen an der Bahre Siegfrieds im »Nibelungenlied«).
 
Literatur:
 
G., hg. v. H. Glitsch (1913);
 H. Fehr: G. u. Folter, in: Festgabe für G. Stammler. .., hg. v. E. Tatarin-Tarnheyden (1926);
 M. Pappenheim: Über die Anfänge des german. G., in: Ztschr. der Savigny-Stiftung für Rechtsgesch., germanist. Abt., Jg. 48 (1928);
 C. von Schwerin: Rituale für G. (1933);
 W. J. Buma: Het godsoordeel in de oud-Friese literatuur (Groningen 1949);
 C. Leitmeier: Die Kirche u. die G. (Wien 1953);
 H. Nottarp: G.-Studien (1956);
 W. Schild: Alte Gerichtsbarkeit. Vom G. bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung (1980).

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Gọt|tes|ur|teil, das (hist.): bes. im MA. beim Fehlen sicherer Beweismittel angewandtes Verfahren (z. B. Feuerprobe, Zweikampf) zur Ermittlung des Schuldigen, wobei dem Ausgang des Verfahrens das als richtig angesehene Urteil Gottes entnommen wird: ein G. sollte entscheiden; ... muss der Mann sich in den Dreck jagen lassen, muss jeden Befehl eines größenwahnsinnigen Anstreichers wie ein G. widerspruchslos hinnehmen (Kirst, 08/15, 216); Ü die Dorfbewohner sahen in dem Einsturz der Brücke ein G. (einen göttlichen Richterspruch, eine von Gott verhängte Strafe).

Universal-Lexikon. 2012.