Ka|thạr|sis 〈a. [′—-] f.; -; unz.〉
1. seelische Reinigung, Läuterung
2. 〈Lit.; nach Aristoteles〉 Läuterung des Zuschauers durch die Tragödie, indem sie in ihm Empfindungen von Furcht u. Mitleid erweckt
[<grch. katharsis „Reinigung“]
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Ka|thar|sis ['ka(:)tarzɪs , auch: ka'tarzɪs ], die; - [griech. kátharsis = (kultische) Reinigung]:
1. (Literaturwiss.) Läuterung der Seele von Leidenschaften als Wirkung des [antiken] Trauerspiels.
2. (Psychol.) das Sichbefreien von psychischen Konflikten u. inneren Spannungen durch emotionales Abreagieren.
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Kạtharsis
['kaː-; griechisch »Reinigung«] die, -,
1) Literaturwissenschaft: Zentralbegriff der aristotelischen Wirkungsästhetik der Tragödie; indem sie »Jammer« und »Schaudern« (griechisch »éleos« und »phóbos«) bewirkt, löst sie eine »Reinigung« des Zuschauers »von eben derartigen Affekten« aus. »Jammer« und »Schaudern« waren für Aristoteles in erster Linie psychische Erregungszustände, die sich in heftigen physischen Prozessen äußern. - Die neuzeitliche Diskussion des Katharsisbegriffs setzte mit dem Humanismus ein. Bei der üblichen Wiedergabe von griechisch »éleos« und »phóbos« durch lateinisch »misericordia« (Mitleid) und »metus« (Furcht; neben »terror« Schrecken) handelte es sich im Ansatz um eine Neuinterpretation. Der Begriff wurde ethisch gedeutet als Reinigung von den Leidenschaften, die in der Tragödie zur Darstellung kommen. Diese Umdeutung der aristotelischen Tragödientheorie wurde durch P. Corneille aufgegriffen. G. E. Lessing (»Hamburg. Dramaturgie«, 1768, 73.-78. Stück) übte deshalb wie auch J. C. Gottsched Kritik an der Katharsistheorie des französischen Klassizismus. Der entscheidende Affekt, den die Tragödie beim Zuschauer auslöst, ist nach Lessing das Mitleid; Furcht wird diesem subsumiert, unter Katharsis versteht er die »Verwandlung« der durch die Tragödie erregten Affekte »in tugendhafte Fertigkeiten«. J. G. Herder interpretiert die Katharsis in religiösem Sinn als »heilige Vollendung«. Dem steht Goethes Aristoteles-Interpretation entgegen, nach der Katharsis die alle Leidenschaften ausgleichende »aussöhnende Abrundung« der Tragödie ist. W. Schadewaldts Rückkehr zu einer psychologisch-psychotherapeutischen Auffassung der Katharsis (»phóbos« und »éleos« als »Schaudern« und »Jammer«) entspricht den Tendenzen in der zeitgenössischen Rezeption der antiken Tragödie. B. Brechts Theorie des epischen Theaters geht von der aristotelischen Katharsislehre in der Deutung Lessings aus. Er fordert die Ablösung der auf emotionaler Basis beruhenden Katharsis des Einzelnen durch rationale und kritische Reaktionen.
D. E. R. George: Dt. Tragödientheorien vom MA. bis zu Lessing (a. d. Engl., 1972);
M. Fuhrmann: Einf. in die antike Dichtungstheorie (1973);
H.-J. Schings: Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch. Poetik des Mitleids von Lessing bis Büchner (1980);
M. Thiele: Negierte K. Platon - Aristoteles - Brecht (1991).
2) Psychotherapie: die Abreaktion verdrängter Affekte. - Der Begriff taucht bereits bei Hippokrates auf und bezieht sich auf die Reinigung des Körpers. In Aristoteles' »Poetik« ist Katharsis zugleich auch auf die Seele gerichtet. An die aristotelische Vorstellung anknüpfend, entwickelte J. Breuer in Zusammenarbeit mit S. Freud die kathartische Methode zur Behandlung neurotischer Krankheitssymptome. Heute zählt die vom Therapeuten provozierte Katharsis v. a. in Form vertieften Sichaussprechens unter emotionaler Beteiligung zu den wichtigsten Methoden der Psychotherapie.
3) Religionsgeschichte: die Maßnahmen und der Vorgang, die den Menschen in den Zustand der Reinheit versetzen sollen; in der Mystik die erste Stufe (»Läuterung«, lateinisch »purgatio«) des dreistufigen mystischen Aufstiegs zur Gottheit.
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Ka|thar|sis ['ka(:)tarzɪs, auch: ka'tarzɪs], die; - [griech. kátharsis = (kultische) Reinigung]: 1. (Literaturw.) Läuterung der Seele von Leidenschaften als Wirkung des [antiken] Trauerspiels. 2. (Psych.) das Sichbefreien von seelischen Konflikten u. inneren Spannungen durch emotionales Abreagieren.
Universal-Lexikon. 2012.